Zerbrochenes Brot...
Predigtmeditation zu Fronleichnam 2020 – (1 Kor 10,16-17) – Zerbrochenes Brot
„Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?“ (1 Kor 10, 16b). Der Apostel Paulus rückt in die Mitte der korinthischen Gemeinde mit all ihren gemeindlichen Problemen und Schwierigkeiten das Geschehen beim letzten Abendmahl des Herrn mit den Jüngern, das bei jedem „Herrenmahl“ – bei jeder Eucharistiefeier – Wirklichkeit wird. Gerade aus diesem Kontext heraus können wir diese Aussage so deuten: Wir glauben an einen Gott, der nicht um sich selbst kreist, sondern der sich verschenkt, teilt und mitteilt. Wir glauben an einen Gott, der sich zerbrechen lässt. In Jesus von Nazareth hat der unfassbare Gott nicht nur ein Gesicht bekommen. Er hat sich selbst am Kreuz aus Liebe zum Menschen zerbrechen lassen. Damit kommt er all jenen nahe, die selbst auf vielfältige Weise Menschen ‚zerbrochenen Herzens‘ sind. Denn immer wieder wird das Vertrauen von Menschen missbraucht, wird Hinwendung zurückgewiesen, die Liebe ausgenützt, die Hoffnungen zerschlagen und die in der Taufe geschenkte Freiheit der Kinder Gottes ängstlich eingeschränkt.
„Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?“ (1 Kor 10, 16b). Das meint doch auch: Unser christlicher Glaube ist ein Glaube, der die Menschen auf der ganzen Erde einbezieht. Denn sie alle sind nicht nur Kinder des einen Vaters im Himmel. Sie sind ob ihrer Gebrochenheit auch Leib Christi, gleich ob sie darum wissen oder nicht. So verweist uns unser Glaube auf die anderen Zerbrochenen, mit denen wir unseren Alltag teilen: die Menschen in ihren vielen Nöten, die unheilbar Kranken und Leidenden, die Gestörten und Behinderten, Menschen, die ihr Schicksal nicht tragen können, Gehemmte und Ängstliche, Menschen, die in Spannung, Krieg- und Terrorangst und Unruhe leben müssen, Unsichere und Ratlose. Da sind auch alle, die in unmenschlichen Gesellschaftssystemen mit Unrecht, Rassismus, Verfolgung leben müssen; alle, die mutlos werden im Anblick einer düsteren Zukunft. Eigentlich muss man diese Aufzählung um viele andere ergänzen: die unerwünscht geborenen Kinder, Gefolterte, Hungernde…
„Ist das Brot, das wir brechen, nicht Teilhabe am Leib Christi?“ (1 Kor 10, 16b). Dieser Satz erinnert auch daran, dass unsere Berufung als Christen darin besteht, in einer zerbrochenen und zerrissenen Welt Zeichen des Lebens und der Hoffnung zu setzen. Gott und dem Glauben an ihn geben wir im Herrn nicht nur ein Gesicht. Vielmehr ist Kern unseres Christseins, dass unsere Mitmenschen durch uns erfahren können: Der Glaube an dieses kleine Stück Brot nimmt den Menschen nichts, gibt ihnen aber, wonach sie im Grunde ihres Herzens suchen: einen Ort der Geborgenheit und Annahme; einen Ort, wo die unnennbare Sehnsucht im Herzen gestillt werden kann; einen Ort, wo Träume im Miteinander Wirklichkeit werden können.
Das Fronleichnamsfest lädt uns ein, ein solcher Ort der Sehnsucht und Hoffnung zu werden. Es lädt uns ein, mit und in Christus Brot des Lebens zu werden und so Segen zu sein für die Welt. Erinnern Sie sich an den 27. März dieses Jahres? Ich sehe Papst Franziskus vor mir, wie er an der Schwelle des Petersdomes in der Nähe des römischen Pestkreuzes stehend, die Monstranz mit der Hostie segnend – „Urbi et Orbi“ – „der Stadt und dem Erdkreis“ – über den menschenleeren Petersplatz bewegt.
Wir können an diesem Fronleichnamsfest im Jahr der SarsCorona2-Pandemie den Herrn in der Gestalt des Brotes nicht zeichenhaft und segnend durch unsere Straßen tragen. Um so mehr können wir aber zeigen, dass wir nur dann richtig den Herrn in unserer Mitte feiern, wenn wir im eucharistischen Brot-Werden unterwegs sind zu den Menschen, wenn wir für sie da sind – so wie Gott für uns da ist, leibhaftig und konkret bis in Brot und Wein hinein. Ich meine, das ist es, was unsere Welt nötig hat, dass wir als Kirche segnend und zeichenhaft Gemeinschaft sind und werden, die alle Menschen ‚zerbrochenen Herzens‘ einlädt und ihnen zuruft: „Kommt und seht, wie gut der Herr ist!“
Bleiben Sie behütet! Ihr P. Guido