Die ganze Feier des Palmsonntags ist so wie eine Türe zu den Tagen der Karwoche
Betrachtung zum Palmsonntag – B – Evangelium zur Palmprozession Mk 11,1-10
Die Liturgie am Palmsonntag ist eine zweigeteilte: Die Erinnerung an den triumphalen Einzug Jesu in Jerusalem mit der Segnung der grünen Zweige und zentral im Wortgottesdienst die Leidensgeschichte nach der Ordnung des jeweiligen Lesejahres, an die sich die Eucharistiefeier anschließt. Die ganze Feier des Palmsonntags ist so wie eine Türe zu den Tagen der Karwoche, insbesondere zur Feier des österlichen Triduums von Gründonnerstag über den Karfreitag bis zur Osternacht. Durch die Feier der Liturgie des Palmsonntages werden wir also zum Höhepunkt der Feier unseres Glaubens in Tod und Auferstehung des Herrn an den Kar- und Ostertagen geleitet.
Unter den vielen Ansprachen, die der heilige Bernhard von Clairvaux zu den Festen des Kirchenjahres vor seinen Mönchen gehalten hat, finden sich auch welche zum Palmsonntag. (Vgl. Bernhard von Clairvaux, Sämtl. Werke, lat.-deutsch, hrsg. v. Bernhard Winkler, Innsbruck, 1997, Bd. VIII, S.154-181). Eine dieser Ansprachen, die Zweite insbesondere, hat es mir angetan (ebd. S. 163-173). Da es im Grunde unüblich ist, auf Grund der Dauer der Liturgie am Palmsonntag zu predigen (die Rubriken sehen nach dem sogen. „Palmevangelium“ nur „eventuell“ eine kurze Ansprache vor), möchte ich in der Form einer Betrachtung einige Gedanken aus dieser Ansprache des Hl. Bernhard hier wiedergeben. In der damals üblichen Form der Schriftauslegung (sog. „vierfacher Schriftsinn“ – docet – allegoria – moralis - anagogia) schaut Bernhard zuerst auf das tatsächliche Geschehen, dies deutet er dann im Blick auf die christlichen Grundhaltungen (Glaube, Liebe und Hoffnung) und gibt aus all dem Hinweise im Blick auf die endgültige Vollendung des Lebens auf dem Weg zu Gott.
In der Mitte seiner Ansprache über den Einzug Jesu in Jerusalem sieht er auf dem Weg der Prozession vier unterschiedliche Gruppen miteinander unterwegs und er sagt von ihnen, dass man sie wohl auch „heute“ finden könnte. Bernhard spricht zu seiner Klostergemeinschaft, zu seinen Mitbrüdern in Clairvaux, und adressiert sie in seinen Worten. Ich erlaube mir, diese Gruppen aus der Ansprache des Heiligen nachzuzeichnen und sie ein wenig in unsere Tage zu holen.
Und dies sind die vier Gruppen:
Einige gehen voraus und bereiten den Weg. Es sind jene, die dem Herrn den Weg in die Herzen der Menschen bereiten, jene also die mit Diensten und Ämtern in der Gemeinde beauftragt sind. Es könnten auch Eltern, andere Familienangehörige oder ehrenamtliche in den Gemeinden sein, die wirklich ernsthaft den Kindern und Jugendlichen oder suchenden Menschen den Glauben an Gott weitergeben und sie durch ihr Beispiel lehren.
Andere folgen. Das sind alle, die nicht genau wissen, was sich da begibt und abspielt, was es also mit der Nähe Gottes im Glauben auf sich hat, die aber gezogen von den Vorangehenden trotz ihrer Unwissenheit dennoch auf deren Spuren bleiben. Man könnte meinen, das seien alle, die aus Gewöhnung oder Pflichtbewusstsein oder wegen des Eventcharakters oder künstleri-scher Gestaltung die Liturgie oder auch ihr Glaubensleben irgendwie am Laufen halten.
Da sind dann auch die Jünger des Herrn, seine Freunde, die dicht an seiner Seite gehen. Das sind all jene, die wirklich danach suchen, sich an Gott zu binden und sich danach sehnen immer bei ihm zu sein. Diese Gruppe bedarf eigentlich keiner Erklärung. Aber auch die Jünger und Jüngerinnen sind manchmal in der Gefahr der inneren Distanznahme. Sie sollten bewusst ihre Freundschaft zum Herrn pflegen!
Auch der Esel, besser das Fohlen der Eselin, auf dem der Herr saß, fehlt nicht. Das Lasttier, es ist ja nur eines, verkörpert nach Bernhards Worten all jene, die keine Einsicht in das heilige Geschehen haben. Selbst zu singen, verstehen sie nicht sondern „geben nur ein misstönendes Brüllen“ von sich. Für sie ist es eben eine unbequeme Last, die ihnen im und mit dem Glauben aufgebürdet ist. Da geht im Grunde nichts vom Schatz des Glaubens in die Seelenwelt und auch keine Freiheit der Kinder Gottes wird in ihnen. Sicher würden sie gerne diese Last abwerfen, was ja heutzutage etliche auch tun, nichtwissend, dass sie damit den Herrn selbst verlieren.
Und Bernhard sagt auch, keinem ist Jesus so nahe, wie gerade dem Eselsfohlen.
Es sind also vier Gruppen in der Prozession des Herrn: Die guten Klugen und die guten Einfältigen, das sind die Vorangehenden und Nachfolgenden; die Beschaulichen, die dem Herrn zur Seite gehen und schließlich die Hartherzigen und wenig Ehrfürchtigen; letztere sind es, die ihn tragen und seine Last spüren. Es fällt aber auf, dass keiner und keine von diesen allen ihn von Angesicht zu Angesicht sieht. So wird es auch bleiben bis zum Ende hin und nicht nur auf dem Weg der Prozession. Dieser Weg ist ein Bild für den Weg unseres Lebens mit dem Herrn.
Der Heilige schließt seine Worte:
„Ich werde, sagt er (der Herr), in diesem Leben nicht gesehen werden; niemand wird mein Angesicht auf diesem Weg und in dieser Prozession sehen. So möge er (der Herr) uns in seiner großen Liebe die Gnade gewähren, in unserem ganzen Leben so in seiner Prozession zu verharren, dass wir verdienen, in jenem großen Einzug, bei dem er mit all den Seinen vom Vater empfangen werden soll und Gott, dem Vater, die Herrschaft übergeben wird (1 Kor 15,24), mit ihm, der lebt und herrscht von Ewigkeit zu Ewigkeit, in die heilige Stadt einzutreten“ (ebd. S.173).
Ich wünsche eine gesegnete Karwoche! Bleibt behütet! Ihr P. Guido