Das Grab ist leer!
Predigt zum Osterfest 2024 – Mk 16,1-7 (Osternacht) od. Joh 20,1-9 (Ostersonntag)
Vom Hl. Bernhard von Clairvaux stammt das Wort: Nicht im Begreifen liegt die Frucht, sondern im Ergriffensein. Im Grunde können wir Bernhard nur zustimmen. Warum? Begreifen kann man das Geschehen von Tod und Auferstehung Jesu nicht. Das haben schon die ersten, die zum leeren Grab kamen auch so empfunden. Schauen wir auf ihre Wahrnehmung.
Er ist nicht da, der Leichnam Jesu nicht und auch nicht der Auferstandene. Im Evangelium des Markus von der Auferstehung des Herrn (vgl. Mk 16,1-8) und auch im Osterevangelium des Johannes (vgl. Joh 20,1-10) kommt Jesus als Toter und auch als Auferstandener nicht vor. Er bleibt jedem Blick und Zugriff entzogen. Sichtbar sind nur ein paar negative Abdrücke: Ein weggerollter Stein, ein geöffnetes Grab, zurückgelassene Textilien, die nicht mehr gebraucht werden, Leinenbinden und Schweißtuch, die ordentlich gefaltet an ihrem Platz liegen.
Die Frauen, von denen Markus erzählt und auch Maria aus Magdala beim Evangelisten Johannes, waren zum Grab gegangen. Die einen, um den Leichnam zu salben, die andere, um persönlich Abschied zu nehmen und zu trauern. Sie sind in ihrer Betroffenheit an den toten Jesus gebunden.
Wer die beiden Perikopen der Osternacht oder des Ostersonntags nachliest, entdeckt: Jeweils bei Markus und auch bei Johannes ist ein Vers der Erzählung weggelassen. Bei Markus steht in Vers 16,8 als Reaktion der Frauen: „Da verließen sie das Grab und flohen; denn Schrecken und Entsetzen hatte sie gepackt. Und sie sagten niemand etwas davon; denn sie fürchteten sich.“ Und bei Johannes heißt es ganz lapidar in Vers 20,10 bezogen auf die beiden Jünger Petrus und Johannes: „Dann kehrten die Jünger wieder nach Hause zurück.“
„Schrecken und Entsetzen“ bei den einen, trotz der erklärenden Engelerscheinung. Bei den anderen: „Gehen wir halt nach Hause.“
Und wir? Schauen wir nochmals hin:
- Es fällt auf: Die Entdeckung des fehlenden Leichnams Jesu, das leere Grab, all das, was in der Beschreibung des Grabes genannt wird, wird durch die Zeugenschaft der Frauen, der Maria Magdalena und der Jünger Petrus und Johannes für die Gemeinde gewissermaßen offiziell dokumentiert. Beim Evangelisten Johannes ist es besonders Petrus, dem die Rolle der offiziellen Bestätigung zukommt, da er der Erste der Jünger war.
- Das Grab ist leer! Uns geht es genauso wie denen, die zuerst am Gab waren. Das Geschehen der Auferstehung und Auferweckung Jesu entzieht sich völlig menschlichem Verstehen und Begreifen. Die Evangelien sagen uns: Lasst bitte alle Spekulation sein. Hier hat Gott gehandelt. Glaubt seiner Liebe und seinem Handeln in und an Jesus.
- Gleichzeitig werden den Frauen, den Jüngern, der Gemeinde und so auch uns Wegzeichen gegeben. Beim Evangelisten Markus: „Sucht nicht den Toten!“ – „Sucht den, dessen Weg der Liebe und der Zuwendung zu euch in Galiläa begonnen hat!“ – „Geht seinen Weg, dann werdet ihr ihn finden, wie er euch gesagt hat!“ Beim Evangelisten Johannes ist es zuerst das Zeichen der „Leinenbinden und des Schweißtuches“, die geordnet im Grab liegen, das uns sagt: „Es gilt, nicht nach dem toten Jesus zu schauen.“ Und: „Akzeptiert ganz grundsätzlich, dass Gott handelt und glaubt ihm!“ – Wie es Johannes angesichts des leeren Grabes sagte: „Er sah und glaubte“ (Joh 20,8),
Wenn die Kirche, die Gemeinde, wenn wir als Christen also sagen: Ich glaube die Auferstehung Jesu! Dann bekennen wir damit Gottes liebendes Handeln an IHM, dem Menschen- und Gottessohn und ebenso an uns, die wir IHM auf seinem Weg zum Vater folgen. Wir sind damit aufgefordert „österlich Glaubende“ zu werden und zu sein. Im Grunde also: Bedingungslos GLAUBENDE! Wenn später dann in den Evangelien von Erscheinungen des Auferstandenen erzählt wird, dann werden die Jünger durch diese Begegnung in der Zeugenschaft für den Auferstandenen als Glaubende zusätzlich gestärkt. Von dem Jünger, den „der Herr liebte“ (vgl. z.B. Joh 19,26; Joh 20,3; Joh 21,7) – es ist der Evangelist Johannes selbst – sagt das Evangelium sogar sofort, dass er „sah und glaubte“ (Joh 20,8). Er wurde ein österlicher Glaubender, ohne dass es einer leibhaftigen Erscheinung des Auferstandenen bedurft hätte. Er war ein „Geliebter - Liebender“. In seiner Nachfolge werden die Christen als Osterzeugen seliggepriesen: „Selig, die nicht sehen und doch glauben!“ (Joh 10,29). Johannes genügt ein paar an sich mehrdeutige Zeichen, um zu glauben: Der Herr ist wirklich auferstanden. Selbst das Verständnis der Bibel, die österliche Auslegung der heiligen Schriften kommt für ihn erst später, als er schon längst zum Glauben gefunden hat: „Sie hatten noch nicht die Schrift verstanden, dass er von den Toten auferstehen müsse" (Joh 20,9).
Ja: Wir sollen „österlich Glaubende“ werden und sein. Überall dort, wo wir in unserem Leben die Mächte des Todes und der Dunkelheit hinter uns lassen, wo wir zukunftsgewandt mit Blick auf Gott unser Vertrauen und unsere Hoffnung auf sein Handeln der Liebe setzen, und selbst in der schöpferischen Liebe das Leben nach dem Beispiel Jesu gestalten, dort sind wir von IHM ergriffen. Der Hl. Bernhard von Clairvaux hat recht: Nicht im Begreifen liegt die Frucht, sondern im Ergriffensein. Wer österlich glaubt, lebt immer im Bewusstsein der Fülle des Lebens und in der grenzenlosen Ewigkeit Gottes. Dann ist und wird jederzeit wirklich, was ein Lied im „Gotteslob“ in Wort und Melodie ausdrückt:
- „Manchmal feiern wir mitten im Tag ein Fest der Auferstehung. Stunden werden eingeschmolzen, und ein Glück ist da.
- Manchmal feiern wir mitten im Wort ein Fest der Auferstehung. Sätze werden aufgebrochen, und ein Lied ist da.
- Manchmal feiern wir mitten im Streit ein Fest der Auferstehung. Waffen werden umgeschmiedet, und ein Friede ist da.
- Manchmal feiern wir mitten im Tun ein Fest der Auferstehung. Sperren werden übersprungen, und ein Geist ist da.“ (Nr. 472 T: Alois Albrecht 1974, M: Peter Janssens 1974)
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes und frohes Osterfest! Ihr P. Guido