Wir halten den Himmel offen
Predigt Christi Himmelfahrt (Apg 1,1-11 und Mt 28,16-20)
„Ihr Männer von Galiläa! Was steht ihr da und schaut zum Himmel empor?“ (Apg 1,11a)
Diese Worte aus der Apostelgeschichte lassen in mir den Beginn einer Ansprache von Bischof em. Franz Kamphaus lebendig werden. Er erzählte von einem Werbeschild bei irgendeiner Ausbauarbeit am Frankfurter Flughafen. Auf diesem Werbeschild stand geschrieben: Wir halten den Himmel offen! Bischof Kamphaus sprach dann darüber, dass es unsere Aufgabe als Christen sei, in unserer, so materiell und wirtschaftlich einseitig geprägten Welt, die Dimension des Himmels – die göttlich geistliche Dimension – offen zu halten, also den Blick auf Gott hin. Natürlich hat Bischof Kamphaus damals wie heute recht. Steht das nicht im Widerspruch zu dem, was da in der Apostelgeschichte gesagt wird?
Wenn wir die Szene der Apostelgeschichte als Bild betrachten, dann müssen die Apostel wohl gewissermaßen mit offenen Mündern dagestanden und zum Himmel emporgeschaut haben. Natürlich ist es ein Bild. Lukas, der diese Szene beschrieben hat, sah aber in diesem Bild und mit ihm noch mehr. Denn in ihm steckt eine Botschaft an jene, die seine Geschichte der Apostel gelesen haben: Seine Adressaten, seine Gemeinde. Nun wir gehören dazu. Die Engel – Männer in weißen Gewändern, es mögen schon Gottesboten gewesen sein – sprechen davon, dass Jesus wiederkommen werde. Darüber darf man allerdings das, was davor gesagt wurde nicht außer Acht lassen. Da spricht der Herr von der Zeugenschaft der Jünger – sie stehen für die Gemeinde – bis zu den Grenzen der Erde (vgl. Apg 1,8).
Wenn wir nun das Evangelium nach Matthäus danebenlegen, dann fällt zweierlei auf: Der Auftrag des Herrn ist bei Lukas und Matthäus vergleichbar. Der Ort des Geschehens ist ein anderer. Für Lukas ist Jerusalem als Ort der Herabkunft des Heiligen Geistes wichtig. Deshalb sollen die Jünger dort im Gebet versammelt bleiben. Für Matthäus kommt eine neue Perspektive dazu, die schon in der Botschaft der Engel am leeren Grab gesagt wurde: In Galiläa wird ihnen der Auferstandene zuletzt begegnen (vgl. Mt 28,7 und Mk 16,7 cf. Mk 14,28). In Galiläa begann der öffentliche Weg Jesu. Die Jünger sollen also gewissermaßen den Weg Jesu beginnend in Galiläa mit der Verkündigung, den Zeichen und Wundern selbst gehen. In der Apostelgeschichte des Lukas und im Evangelium des Matthäus (und auch des Markus) – selbstredend im ganzen Evangelium des Johannes – findet sich der klare Auftrag Jesu, die frohe Botschaft vom Leben in Gott allen zu verkünden und sie zu bezeugen. Und das kann nur geschehen, wenn die Zeugen selbst unmittelbar mit dem Auferstandenen in Verbindung sind. Natürlich müssen wir die unterschiedlichen Perspektiven der Evangelisten in ihrer jeweiligen Intention beachten. Aber sie wollten sicher ihren Gemeinden einen Hinweis geben, der es in sich hat: Wer zu sehr in den Himmel schaut, sieht die Welt zu seinen Füßen nicht richtig. Der Lebens-Blick muss sich auf den Weg Jesu richten und auf die Gemeinschaft mit ihm. Das Bindeglied dieser Gemeinschaft ist der Heilige Geist, die lebendige Liebe Gottes, sein Lebensatem. Er lässt Jesus lebendig sein im Herzen dessen, der die Botschaft und Liebe Jesu be-herzigt und selbst lebt. Der Blick richtet sich auf die Gemeinschaft, auf das gemeinsame Gebet und auf den Beginn der Nachfolge und den Weg mit Jesus.
In einer theologischen Betrachtung zum Himmelfahrtsfest hat vor etlichen Jahren Papst Benedikt XVI. einige hilfreiche Gedanken dazu aufgeschrieben, die zusätzlich noch eine Erläuterung sind. Er schreibt:
„Was also heißt Christi Himmelfahrt? Es bedeutet den Glauben daran, dass in Christus der Mensch, das Wesen Mensch, an dem wir alle Anteil haben, auf eine unerhörte und neue Art eingetreten ist ins Innere Gottes. Es bedeutet, dass der Mensch in Gott Raum findet für immer. Der Himmel ist nicht ein Ort über den Sternen, er ist etwas viel Kühneres und Größeres: das Platzhaben des Menschen in Gott, das in der Durchdringung von Menschheit und Gottheit im gekreuzigten und erhöhten Menschen Jesus seinen Grund hat. Christus, der Mensch, der in Gott ist, ewig eins mit Gott, ist zugleich das immerwährende offen stehen Gottes für den Menschen. Er selbst ist so das, was wir 'Himmel' heißen, denn der Himmel ist kein Raum, sondern eine Person, die Person dessen, in dem Gott und Mensch für immer trennungslos eins sind. Und wir gehen in dem Maß auf den Himmel zu, ja, in den Himmel ein, in dem wir zugehen auf Jesus Christus und eintreten in ihn. Insofern kann 'Himmelfahrt' ein Vorgang mitten in unserem Alltag werden.“
Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI: Aus: Ders., Dogma und Verkündigung. 4. Auflage 2005, St. Ulrich Verlag (Wewel) Augsburg
Den Himmel offen halten – und da schließe ich mich ganz Bischof Kamphaus an – , das gelingt, wenn wir in Christus sind. In ihm sind wir auch in Gott. So sind wir Zeugen des Lebens, das unser Gott der ganzen Welt schenken will und schenkt.
Ich wünsche uns einen guten Weg zum Himmel! Bleiben Sie behütet!
Ihr P. Guido