Werft das Netz auf der rechten Seites des Bootes aus
Predigt zum 3. Ostersonntag – C – Apg 5,27-32.40b-41 und Joh 21,1-14
Etwas tun zu sollen oder gar zu müssen, auch wenn alle Antriebskräfte fehlen: das ist immer noch – obwohl es am Ende des heutigen Evangeliums heißt, Jesus habe sich ihnen schon zum dritten Mal geoffenbart – die Situation der Jünger. Aber da gibt sich einer einen Ruck, einer der auch sonst die Nase gerne vorn hat: Petrus nämlich. Er verkündet: „Ich gehe fischen“ (Joh 21,3a).
Die ganze Szenerie – wir finden sie in einem Nachtragkapitel des Johannesevangeliums, das ursprünglich wohl nicht zu diesem Evangelium gehörte –, setzt voraus, dass die Jünger wieder ihrem alten Brotberuf als Fischer auf dem See von Tiberias nachgehen. Was hätten sie sonst auch tun sollen, nachdem Jesus nicht mehr bei ihnen ist? Also stimmen sie zu und sagen: „Wir kommen auch mit“ (Joh 21,3b). Und es ist gut, dass sie mitkommen! Es ist gut, wenn andere mitmachen, mit dabei sind, ihren Platz nebenan haben: Gemeinschaft vermag weiterzuhelfen, und – wie man halt so sagt – das Leben muss doch weitergehen!
Aber die Erfahrung der Erfolglosigkeit ihres gemeinsamen Tuns folgt auf dem Fuß; es heißt da schlicht: „In dieser Nacht fingen sie nichts“ (Joh 21,3c). In der Fischfanggeschichte, die wir bei Lukas finden (vgl. Lk 5,1-11), vielleicht hat sie in der mündlichen Überlieferung unserer Erzählung Pate gestanden, klagt Petrus voller Selbstmitleid: „Meister, wir haben die ganze Nacht gearbeitet und nichts gefangen.“ Und in der Tat, wir können es so verstehen: Erfolglosigkeit kann nicht nur mutlos, sie kann auch blind und taub machen, so dass man das Nächstliegende nicht mehr wahrnimmt. Es ist, als ob die Umwelt im Nebel läge, obwohl Er doch schon am Ufer steht. „Als es schon Morgen wurde, stand Jesus am Ufer“ (Joh 21,4), heißt es. Und natürlich wissen wir inzwischen, dass das keine Zeitangabe ist; so als würde da gesagt: die Nacht ist zu Ende, und der Tag beginnt. Was hier angedeutet wird, ist vielmehr die sich anbahnende Wende aus dem Tief der Hoffnungslosigkeit, in der die Jünger stecken, hin zunächst einmal zu einem Schimmer von Hoffnung. Glaube fällt nicht vom Himmel, er hat seine Prozesse, seine Wege; er braucht Zeit sich zu entwickeln und zu klären. Die Nebel müssen sich lichten.
Zunächst antworten sie auf die Frage des Unbekannten am Ufer: „Meine Kinder, habt ihr keinen Fisch zu essen?“ kurz und bündig mit: „Nein!“ (Joh 21,5). Das ist ein Bild für ihre Situation: „Wir sind“, können wir dazu mutmaßen, „zu sehr mit uns selbst beschäftigt. Wir sind leer, wir haben selbst nichts, wie sollen wir dann etwas geben können?!“ Man mag sich fragen, ob das auf die Situation und Probleme der Kirche heute bezogen, nicht ebenso ist: Müssten wir, nicht nur die Amtsträger, sondern alle in der Kirche, vom Evangelium angestoßen, nicht lernen, endlich mehr von uns abzusehen und uns dem zuwenden, was unser Auftrag ist?
Schauen wir also auf die Botschaft dieser Glaubenserzählung: Dort kommt es nämlich zu einem wichtigen Schritt hin zur Lösung des Knotens, in dem die Jünger gefesselt sind: Sie fangen an, sich einzulassen, immerhin! Sie hören – wenigstens halb – hin. Sie hören auf den seltsamen Rat dessen, der da am Ufer steht: „Werft das Netz auf der rechten Seites des Bootes aus, und ihr werdet etwas finden“ (Joh 21,6)!
Da steht also einer am Ufer, der Mut macht. Obwohl es, das wissen die Fachleute – sie sind ja Fischer – sinnlos ist, zu tun, was er sagt, weil es aller Fischereierfahrung widerspricht. Aber es gilt, die Lähmung zu überwinden – und sie werfen ihre Netze aus. Und hier ist wieder der Blick auf die Kirche heute und auch auf die Suche nach dem Glauben aller wichtig: Sich öffnen für das, was DER am Ufer Zeit seines irdischen Weges mit ihnen vorgelebt und gesagt hat: „Geht! Verkündet! Heilt! Gott ist nahe!“ Dann geschieht das, worauf es in dieser Erzählung ankommt: Den Jüngern fällt der Erfolg einfach so ins Boot.
Und es sind keine kleinen Fische! Am Ende heißt es, einhundertdreiundfünfzig große Fische, befinden sich im Netz. Ganz sicher handelt es sich dabei um ein Bild für die Kirche, um ein Bild und Gleichnis dafür, dass sich die Jünger auf den Weg für die Sache Jesu machen sollen immer wieder, gerade auch dann, wenn es keinen Erfolg zu versprechen scheint. Da leuchtet der Sinn von Glaubensgemeinschaft, von Kirche auf: Sich gegenseitig bestärken und sich ans Werk Gottes machen, dem Auftrag entsprechend: „Geht! Verkündet! Heilt! Gott und sein Reich sind nahe!“
Was sich da ereignet, ist Sinnerfahrung wider alle menschliche Voraussicht und Berechnung – und wo immer solche Sinnerfahrung geschieht, aus sich selbst machbar ist sie nicht, da haben wir es mit Ostererfahrung zu tun, und wo wir es mit Ostererfahrung zu tun haben, da ereignet sich Begegnung mit dem Auferstandenen.
Und derjenige, der das wiederum als erster begreift – ein wichtiges Thema im Johannesevangelium! –, das ist „der Jünger, den Jesus liebte“ (Joh 21,7). Der erkennt den Herrn als erster. Ostererfahrung ist, das begreifen auch wir hoffentlich, keine Frage der guten Augen, sondern vielmehr der Öffnung des Herzens. „Man sieht nur mit dem Herzen gut“, heißt es in der Geschichte vom „Kleinen Prinzen“ von A. de Saint-Exupery. Dann lichtet sich der Nebel! Und noch eins: Wer auf diese Weise seine Ostererfahrung macht, der kann auch Anstöße geben und in Bewegung setzen, der vermag das Herz derer, die bei ihm sind, aufzuschließen, der kann dann auch bewirken, dass – im Bild gesprochen – einer sogar ins Wasser springt, um als erster beim Herrn zu sein.
Natürlich sind wieder wir gemeint. Ich werde nicht müde zu sagen, dass wir die Aussage eines biblischen Textes völlig verfehlen, wenn wir meinen, er bringe uns nur Kunde aus längst vergangenen Tagen. Wir sind es, die der Herr, der immer schon am Ufer steht, also auf dem festen Boden des ewigen Lebens, auffordert, das Netz auszuwerfen, das heißt, uns auf das Wagnis des Osterglaubens einzulassen und unser Leben daraus zu leben, wie schwer uns das bisweilen auch fallen mag. Und wenn er uns „müden Fischern“ das zutraut, dann lädt er uns nach vollendeter Mühe stets neu am erreichten Ufer zur Stärkung ein, so wie jetzt im eucharistischen Mahl.
Lassen wir uns vom Herrn stärken und behüten!
Ihr P. Guido