Und Josef tut, was ihm aufgetragen wird
Predigt zum 4. Advent – A – Jes 7, 10-14 und Mt 1, 18-24
Unser Name individualisiert uns. Er hebt uns aus der Menge heraus, in der wir so schnell untergehen können, und stellt uns in unsere unverwechselbare Einmaligkeit. Vielleicht ist das der Grund, weshalb wir immer ein wenig in Bewegung geraten, wenn man uns bei unserem Namen ruft. Wenn wir vielleicht auch nicht wissen, warum uns unsere Eltern ausgerechnet diesen oder jenen Namen gegeben haben, so glauben wir doch, dass er bei Gott eine Rolle spielt. Das Prophetenwort an das Volk Israel, dürfen wir als Trostwort ganz persönlich uns zugesprochen hören: „Jetzt aber - so spricht der Herr, der dich geschaffen hat… und der dich geformt hat…: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich ausgelöst, ich habe dich beim Namen gerufen, du gehörst mir“ (Jes 43,1). Und mit Mose können wir zu Gott rufen: „Du hast doch gesagt: Ich kenne deinen Namen und habe dir meine Gnade geschenkt“ (Ex 33,12).
Seit dem 1. Advent sind wir auf der Spur des Evangelisten Matthäus und seines Evangeliums unterwegs. Der Zöllner Matthäus war kein Theologe im Sinne heutiger Wissenschaft. Sein Hauptanliegen in der Verkündigung Jesu ist es, Jesus als den Christus, den verheißenen Messias mit vielen Belegen aus den Schriften des Alten Testamentes sichtbar zu machen, und verbunden mit Jesu Worten und Taten, Gottes Wirken an seinem Volk aufzuzeigen. So hat er sein Evangelium aufgeschrieben und von Gott gesprochen und das ist seine Art von Theologie.
Weil Namen in der Bibel eine große Rolle spielen, nutzt der Evangelist natürlich auch ihre Bedeutung: Namen sagen etwas aus über jene, die sie tragen. So auch im heutigen Evangelium aus der Kindheitsgeschichte Jesu nach Matthäus: „Ihm sollst du den Namen Jesus geben“ (Mt 1,21), hört Josef. Und: „Man wird ihm den Namen Immanuel geben“ (Mt 1,23). Gleich zwei Namen erhält der so Angekündigte. Der Name „Jesus“ unterscheidet ihn nicht von den anderen Knaben seines Volkes, denen man häufig diesen Namen gegeben hat. Denn Jesus heißt übersetzt: Der Herr rettet. Diese Namensgebung ist allgemein üblich und ganz auf die menschliche Existenz für den Knaben, den Josef an Sohnes statt annehmen soll, bezogen. Bis hin zu seinem Namen ist er – so macht es Matthäus hier sichtbar – von menschlicher Natur.
Warum nun nennt man ihn auch „Immanuel“? Hier wird die Hand des Evangelisten und seine Art, mit der Botschaft des Evangeliums umzugehen sichtbar, die seine und der jungen Christengemeinde Überzeugung zum Ausdruck bringt. In Jesus ist auch die göttliche Natur. Deshalb der Name „Immanuel“, den der Prophet Jesaja ankündigt (vgl. Jes 7,14). Immanuel bedeutet übersetzt: Gott mit uns. Dem Evangelisten ist also die Kombination dieser Namen mit Blick auf das Sein Jesu wichtig: Der Herr, der rettet, ist also der Gott mit uns. Jesus und Immanuel: in diesen beiden Namen spricht sich seither unser christlicher Glaube aus, der das Menschliche und das Göttliche in Jesus erkennt.
Matthäus gibt sich aber mit der Namenskombination noch nicht zufrieden. Das Göttliche und das Menschliche muss konkret zusammenkommen. Deshalb greift er das wunderbare der geistgewirkten Empfängnis auf: „DasKind, das Maria erwartet, ist vom Heiligen Geist“,heißt es da (Mt 1,20). Um zu verstehen, was damit gemeint ist, muss man auf das alltäglich Menschliche überhaupt schauen: Im Lauf der menschlich wahrnehmbaren Geschichte löst alles Neue das Alte nur ab, um seinerseits wieder alt und hinfällig zu werden. Das ist der ewige Kreislauf der Welt mit ihren Grenzen. Dieser Kreislauf ist es, der daran hindert, sich aus sich selbst zu erneuern. Seit aber Gott Mensch geworden ist, gibt es einen, der diesen Kreislauf unterbrochen hat und in dessen Namen Heil geschieht, also Neues wird: Jesus Christus. Er konnte es, weil seine Wurzeln unmittelbar in Gott liegen. Seine Existenz ist nicht ableitbar von bloß innerweltlichen Voraussetzungen oder allein vom menschlichen Wollen und Vollbringen. Der gute Wille Gottes und das Ja-Wort Mariens finden zusammen. Genau das meint die durch den „Gottesgeist gewirkte Empfängnis Jesu“. Trotzdem bleibt sie ein Geheimnis der Schöpferkraft Gottes, die das menschlich biologische und göttliche Sein einzigartig verbindet. „Gott rettet“ und „Gott mit uns“ – der diese Namen trägt, ist so in ganz besonderer Weise wahrer Gott und wahrer Mensch zugleich.
Ein weiterer Name, den wir mit Matthäus in seiner Betrachtung noch kurz überdenken sollten, ist der Name „Josef“. Er spielt im gewissen Sinn die Hauptrolle in unserem Evangelium. Josef heißt übersetzt: „Gott fügt hinzu“. Vom heiligen Josef wird gesagt, er sei ein „Gerechter“ gewesen. „Gerecht“ meint ein Leben nach dem Willen Gottes und wenn immer das Leben nach Gottes Willen gelingt, dann hat Gott seine Kraft und seine Gnade „hinzugefügt“.
Obwohl dem Anschein nach hintergangen, so die erzählerische Voraussetzung der Engelsbotschaft in Josefs Traum, will Josef seine Verlobte „nicht bloßstellen“, sondern beschließt, „sich in aller Stille von ihr zu trennen“ (Mt 1,19). Und während er noch bis in den Schlaf hinein „darüber nachdenkt“, - wir können annehmen, dass er zutiefst verletzt und enttäuscht ist - spricht ihn im Traum ein Engel Gottes an: „Josef, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen“ (Mt 1,20). Und Josef tut, was ihm aufgetragen wird. So verbindet sich mit seinem Namen ein tiefes Vertrauen in Gottes Führung: Er hört das Wort, ohne es zu verstehen; er bricht auf, ohne zu wissen, wohin die Wege führen mögen; er tut, was Gott ihm sagt, ohne die Folgen abschätzen zu können. Wie, so frage ich, kann man so handeln und kann dieses Tun gelingen, ohne dass Gott seine Hilfe und Gnade hinzufügt?
Wenn wir danach fragen, was bei dem bisher Erkannten die Botschaft des Matthäus an uns ist, dann ist es die Aufforderung: Öffne dich wie Maria und Josef vertrauensvoll der Gnade, der Zuneigung Gottes zu dir, damit du in offen wirst, um Gottes gute Absicht, seinen guten Willen, zu deinem und der anderen Heil zu tun. Gott schenkt uns immer, was wir für uns und für das Heil aller brauchen, damit sich sein Reich der Liebe und der Gerechtigkeit und des Lebens vollendet zu seinem Lob. Der Menschen- und Gottessohn, der Christus und Messias ist mit dir – mit uns – auf diesem Weg.
Ihnen einen gesegneten 4. Advent und bleiben Sie behütet! Ihr P. Guido