Die Palm- oder Buchszweige, Zeichen des Friedens
Betrachtung zum Palmsonntag – C – Der Einzug in Jerusalem Lk 19,28-40
Wir feiern Palmsonntag in einer Zeit des Unfriedens, des Krieges und des Terrors. Ein ungerechter Machthaber hat die Menschen in der Ukraine mit Krieg überzogen. Der Frieden in Europa ist bedroht. Nicht zu vergessen sind auch die Menschen weltweit, die unter Krieg und Unterdrückung leiden, wie beispielsweise im Jemen, in Myanmar und überall dort, wo Waffen und Gewalt töten, zerstückeln und hinschlachten…
Heute am Palmsonntag, an dem Tag, an dem festlich Zweige gesegnet werden, an dem man in Prozession zur Kirche oder wenigstens in der Kirche umher zieht – die aufgehobenen Corona-Regeln machen es möglich –, dort sind die grünen Zweige, die Palm- oder Buchszweige, Zeichen des Friedens, begleiten wir doch symbolisch in der Liturgie dieses Tages Christus, den Friedenskönig in seine Stadt Jerusalem.
Ja, wir feiern diesen Tag zu Beginn der Karwoche in einer weltpolitisch brisanten Zeit, in einer zerrissenen Welt. Wir dürfen diesen Weltbezug nicht ausblenden bei unserem Feiern, sonst ist unser Tun auch im Gottesdienst nur noch harmlos und geht an der Wirklichkeit des Lebens vorbei. So frage ich: Kann das Evangelium dieses Tages Orientierung geben zu einem angemessenen und zeitgemäßen Feiern und für die Praxis unseres Glaubens?
So, wie der Evangelist Lukas uns Jesus und seine Geschichte vor Augen stellt, will er – wie er es in seinem gesamten Evangelium macht – eine Hilfe geben. Schauen wir genauer hin.
Zunächst sind da traditionelle Elemente in seiner Erzählung: Jesus reitet auf einem Eselsfüllen und eben nicht auf einem „hohen Ross“ – ein Zeichen des Friedens; das Ausbreiten der Kleider auf dem Weg, das bei Lukas nur die Jünger Jesu machen – so fällt mir auf –, ist eine Geste der Huldigung für den Friedenskönig. Andere Elemente, die wir bei Matthäus, bei Markus und bei Johannes sehen (vgl. Mt 21,1-9; Mk 11,1-10 u. Joh 12,12-14) lässt Lukas einfach weg: den „Hosanna“-Ruf und die grünen Zweige. Den Ruf, wahrscheinlich weil seine griechischen Leser das hebräische Wort nicht verstehen, die Zweige vielleicht, um jede Verwechslung mit weltlichen, insbesondere sportlichen Ehrungen, zu vermeiden. Und dann geht der Evangelist deutlich eigene Wege, um das Königtum Jesu hervorzuheben und zu würdigen. Jesus ist in den Augen des Lukas ein König anderer Art als jene, die man aus der Geschichte kennt. Selbst David reicht an Jesu Königtum nicht heran. Ausdrücklich benennt er es im Abendmahlssaal (vgl. Lk 22,24-27), wo Jesus selbst zu den Jüngern sagt: „Die Könige herrschen über ihre Völker und die Vollmacht über sie haben, lassen sich Wohltäter nennen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern der Größte unter euch soll werden wie der Jüngste und der Führende soll werden wie der Dienende. Denn wer ist größer: der bei Tisch sitzt oder der bedient? Ist es nicht der, der bei Tisch sitzt? Ich aber bin unter euch wie der, der bedient.“ Jesus begegnet den Menschen nicht selbstherrlich, sondern auf Gott hinzeigend: „Gesegnet sei der König, der kommt im Namen des Herrn“ (Lk 19,38a ein Zitat aus Ps 118,26). Der Friede, den Jesus verkündet und den er bringt, hat keinen irdischen Ursprung; sein Ursprung ist „in der Höhe“, in Gott also. So wurde es im Lukasevangelium schon bei der Geburt Jesu verkündet (vgl. Lk 2,14). Es sind die Jünger – sie stehen für die Gemeinde der Christen –, die ihre Freude an den Großtaten Gottes in Jesus zur Sprache bringen im Kontrast zur schweigenden Menge und erst recht zu den feindseligen Pharisäern (vgl. Lk 19,40); denn Gotteslob und Bekenntnis zu Jesus Christus sind unverzichtbarer Bestandteil der Nachfolge Jesu. Wenn die Jünger schweigen, so Lukas, werden schmerzliche Ereignisse der Geschichte sprechen und so die Wahrheit der Person, Sendung und Worte Jesu bestätigen. Das Zitat von den „schreienden Steinen“ aus dem Propheten Habakuk (Hab 2,11), das Lukas hier wiedergibt, blickt voraus auf die nachösterliche Mission der Kirche, die das mutige Zeugnis der Jünger verlangt. Wenn sie versagen, wird Gott durch Zeichen des Gerichts zu den Menschen sprechen.
„Wenn diese schweigen, werden die Steine schreien“ (Lk 19,40).
Was Lukas seiner Gemeinde, uns also, hier so dringend ans Herz legt, nur ja das Bekenntnis zum Friedenskönig Jesus Christus nicht zu unterlassen, das deutet Origenes (+ 254) einer der großen Theologen der Frühzeit der Kirche so: „Wenn die Menge ‚der Jünger mit lauter Stimme Gott‘ lobt, dann schweigen die Steine, aber wenn die Menge der Jünger schweigt, was geschieht, ‚wenn der Abfall kommt‘ (2 Thess 2,3), dann werden ‚die Steine schreien‘ “. (Origenes - Aus: Homilien zum Lukasevangelium, Fragment 89, in: Fontes Christiani, Band 4/2, Seite 487; Herder 1992)
Hier wird die Hilfe des Lukas auch für uns in der momentanen Lage der Welt und auch der Kirche deutlich interpretiert: Demonstrationen und Transparente oder andere Aktionen gegen den Krieg sind wichtig. Ebenso wichtig sind die Hilfen für die Flüchtlinge und Leidenden. Für unseren Standpunkt als Christen in dieser Weltzeit ist noch auf etwas anderes hinzuweisen. Da ist etwas, das unsere Welt ganz entscheidend benötigt und das spricht das Evangelium auch an. Lukas gestaltet es als dringenden Appell an seine Gemeinde und an uns: Es braucht unser öffentliches Bekenntnis als Jüngerinnen und Jünger zu Jesus Christus, dem König des Friedens. Eine Abkehr vom Glauben, auf die das angeführte Origenes Zitat hinweist, ist ein Irrweg. Je weniger wir als Christen IHN und sein göttliches Handeln an dieser unserer Welt hör- und greifbar machen, um so mehr werden die Trümmer der Kriege, die zerstörte Natur und die Toten nach dem Frieden, dem „Schalom“ des Auferstandenen „schreien“! Denn er allein ist der Friede, den die Welt nicht geben kann. Wir als seine Jüngerinnen und Jünger sind dafür als Zeugen gefordert.
Herr Jesus Christus, du Gotteslamm und König des Friedens, mache uns selbst in unserem Bekenntnis zu dir zu Werkzeugen deines Friedens. Vergib, wo wir gegen die Freiheit und Würde unserer Schwestern und Brüder gefehlt haben. Nimm Streit und Zwietracht aus unserer Mitte. Lenke uns hin zu dem, was Menschen verbindet. Lehre uns deine Wahrheit zu bezeugen, die Hoffnung neu zu wecken und die Liebe zu leben die du uns vom Vater geschenkt hast. In dir und im Heiligen Geist preisen wir den Vater, jetzt und für immer. Amen
Maria, Schmerzensmutter von Marienstatt und Königin des Friedens! Bitte für uns!
Ich wünsche eine gesegnete Karwoche und bleibt behütet! Ihr P. Guido