12.12.2025
Advent - eine Grenzerfahrung
Predigt zum 3. Advent – A – Jes 35,1-6b.10; Jak 5,7-16 u. Mt 11,2-11
Es war eine bemerkenswerte Erfahrung. In mir ist immer noch lebendig: Mit unseren ägyptischen Führern, sie waren Beduinen auf der Halbinsel Sinai – unseren Guides – waren wir dort unterwegs. Erst mit entsprechenden Fahrzeugen, dann aber auch zu Fuß. Das Katharinenkloster war Ziel gewesen, der Aufstieg zum Gottesberg, dann eine Lodge, um zu übernachten. Steine und Sand, ab und zu einige vertrocknete Büsche, keine Wege, eine Sanddüne nach der anderen, Steine, totes Geröll, und der Wind, der in der Hitze des Tages den Sand vor sich hertreibt. Eine eigenartige Stille liegt über der Landschaft. Da ist der Sand, der in der flirrenden Luft durch seine ständige Bewegung eine Art Rauschen erzeugt. Wie in einem feinen Nebel hüllt er den Boden ein und es dauert nicht lange, da spürt man ihn auf der Haut, in Mund und Nase, auch in den Augen. Es ist beschwerlich mit dem Vorankommen, mal steinig und hart im Geröll und dann wieder sinkt man ein in den Sand. Wüste… Gut, dass wir unsere Guides hatten, die den Weg wussten.
Die Wüste. Neben dem Jordan, dem Taufort, der Ort des Täufers Johannes. Zwar nicht auf dem Sinai, sondern in Judäa. Für ihn ist die Wüste der Ort der Gottesbegegnung und der Berufung. Von dort hat ihn Gott ausgesandt, die Menschen zur Umkehr zu rufen und auch die Mächtigen mit ihrem Leben und Fehlverhalten zu konfrontieren. So hat er König Herodes Antipas in seiner Lebenshaltung kritisiert, was ihn dann ins Gefängnis brachte und dann auch zum Tod (Mt 14,3ff u.parr.). In der Wüste besteht nur, was echt ist und wirklich zum Leben hilft, denn sie ist eine Grenzwelt, ein Ort des Mangels und der Herausforderung, ein Ort der Prüfung.
Die Wüste war und ist eine Gegenwelt zur Geschäftigkeit des Alltages, eine Gegenwelt zum Leiden am eigenen nichtssagenden, oberflächlichen Gerede und Geschwätz der Zeit. Zurückgeworfen auf sich selbst wird man, auf das wirklich Notwendige… Habe ich ein Tuch, um es vor den Mund zu binden, genügend Wasser… Die Sehnsucht, das Bewusstsein, dass etwas Entscheidendes fehlt, wird wach, kann wach werden.
Die Propheten-Lesungen der Bibel erinnern uns daran: Gott kommt aus der Wüste; er spricht in der Wüste sein Wort und da schließt er seinen Bund mit seinem Volk. Der Täufer Johannes hat die Herausforderung der Wüste in sein Herz mit hineingenommen. Um der Wahrheit willen muss er deshalb fragen: „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ (Mt 11,3).
„Advent! – das lateinische Wort „adventus“ ist verwandt mit dem mittelhochdeutschen „âventiure“, „aventüre“. Abenteuer bedeutet dieses Wort. Da ist die Spannung hin zum Unbekannten und Herausfordernden. Es ist ein Abenteuer, sich auf den Weg zu Gott zu machen. Der Advent mutet uns zu, eine Grenzerfahrung zu machen, hin auf einen wahrhaft biblischen Weg – durch die Wüste. Auch durch die Wüsten in unserem Leben und in unseren Herzen: Schicksalsschläge, Krankheiten, Einsamkeit, Zerbrechen von Beziehungen, bis hin zum Tod… ausgerechnet die lebensfeindliche und unfruchtbare Einöde soll zum Übergang in Richtung der Begegnung mit Gott in Jesus Christus werden, geistlicher Raum der Vorbereitung in Richtung Weihnachten.
Es stimmt: Die Wüste hat etwas. Dort ist man aufs Notwendige reduziert. In der Wüste war der Täufer weit weg von allen Orten geschaffen aus Menschenhand, fern von Kult und Kultur, weit weg von Mauern des Festgeschriebenen, der abgenutzten Formen. Grenzenlos und doch eingegrenzt, verwiesen auf die eigene Begrenztheit. Die Wüste macht demütig. Klein fühlt man sich. Der Sand erzählt wortlos davon, wie selbst härtestes Gestein irgendwann zerbröselt. Was hat Bestand in unserer Welt? Die Wüste eine leere Kulisse. Ja! Sie wird zu einem Raum – wie ein weißes, leeres Blatt, wie ein Gefäß, das Platz bietet. Platz für das wirklich Notwendige, für einen Brief, eine gute Nachricht, für die Erfahrung des erfrischenden Wassers, für die Wegweisung?
Damit sind wir auch wieder beim Evangelisten Matthäus angekommen: Er öffnet in seinem Evangelium den Raum der Begegnung mit dem Heil, zumeist mit Hinweisen und Zitaten auf die alten heiligen Schriften, auf die Worte der Propheten, die Worte der Verheißung. Gott hat sein Volk durch die Wüste geführt, um es zu lehren und zu formen. Wenn nicht da, wo sonst erfährt man sich angewiesen auf fremde Rettung, auf den, der sich auskennt, der weiß, wo das Wasser zu finden ist? Doch nur in der Extremsituation der Wüste! Das ist die Erfahrung des Gottesvolkes: Es räumt dem unermesslichen Gott Raum ein und versucht, sich Rechenschaft zu geben, ob noch die Sehnsucht da ist nach dem verheißenen Land, nach der Lebensquelle. Oder ist in mir und in dir, in uns, der Durst nach der Begegnung mit Gott vergangen? Verstehen wir also den Wüstenmenschen, den Täufer, der fragt und fragen muss: „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ (Mt 11,3). Und wir müssen das mit Blick auf den geistlichen Raum des Advent immer wieder neu aussprechen in unser Fragen und auch finden in unserem Leben: Bist du es, Herr, der mir, wie zugesagt, zur Seite steht? Bin ich noch auf dem Weg zu dir, Herr?
Ehrlich, es braucht die Wüste, damit wirklich Weihnachten werden kann, damit uns neu aufgeht, dass Gott freiwillig in die Wüstenei dieser Welt und auch unserer Herzen gekommen ist und immer wieder kommt, um die Augen der Blinden zu öffnen und auch die Ohren der Tauben. Damit wir mutig und furchtlos seine Liebe in unserer Mitte feiern und leben, bis er endgültig kommt.
Seien Sie in den Tagen des Advent weiterhin gesegnet und behütet!
Ihr P. Guido