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Predigt zum Fest der Taufe des Herrn – B – Jes 42,5a.1-4.6-7; 1 Joh 5,1-9 u. Mk 1,7-11
„O Heiland reiß die Himmel auf, …“ (GL 231), so haben wir in der Adventszeit gesungen und damit das im Lied ausgedrückt, was dann in der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus Wirklichkeit wurde. Bei der Taufe Jesu am Jordan, so wie es der Evangelist Markus erzählt, geschieht es wieder, wenn er sagt, dass der Himmel sich öffnete: „… und sogleich, als er aus dem Wasser stieg, sah er, dass der Himmel aufriss …“ (Mk 1,10a). Was er damit ausdrücken will, wird uns deutlich, wenn wir uns das Gegenbild vom „verschlossenen Himmel“ vor Augen halten. Der „Himmel“ steht für die Sphäre Gottes, für den umfassenden Raum seines Seins. Von diesem Raum sagen wir, dass er uns umgibt und trägt, „denn in Gott leben wir, bewegen wir uns und sind wir“, sagt Paulus den Athenern (vgl. Apg 17,28).
Da ist aber auch die Erfahrung der Ferne Gottes, ja seiner Abwesenheit. Besonders Menschen mit religiösem Empfinden haben zu allen Zeiten Lebens-Defizite, beispielsweise die Unfähigkeit, in Frieden miteinander auszukommen, oder Hass und steigende Aggressionen, Katastrophen und Ängste so gedeutet, dass Gott sich zurückgezogen und sie ihren Grenzen und Verwundungen überlassen hat. Dann empfindet man, als sei der Himmel verschlossen. Das Verlangen und die Sehnsucht nach Heilung und Harmonie, nach der Fähigkeit, miteinander und auch füreinander da zu sein, nach Angenommen- und Geborgensein, wird dann in der Bitte nach dem „offenen Himmel“ greifbar. „Von Oben“ wird erwartet, was fehlt. Menschen, die nicht dezidiert religiös sind, kennen diese Erfahrungen ebenso. Wenn fehlt, was ermöglicht, das Leben in allen Dimensionen friedlich zu teilen, wenn die Erde nicht genügen kann und immer mehr gefährdet ist, dann wächst die Sehnsucht, es möge – woher auch immer – Hilfe und Beistand kommen, weil man sich überfordert fühlt. Es bricht Sehnsucht auf nach einer heilen Welt, nach einer letzten Geborgenheit und Heimat. Die aber scheint verschlossen oder doch schwer zugänglich zu sein.
Der Evangelist Markus, aus dessen Evangelium wir in diesem Lesejahr immer wieder Abschnitte hören, richtet zu m Anfang seines Evangeliums den Blick gezielt auf Jesus, auf sein Leben und seine Botschaft. Er erzählt keine Geschichte der Kindheit Jesu, wie beispielsweise Matthäus oder Lukas. Vielmehr beginnt er mit der Taufe Jesu am Jordan durch den Täufer Johannes. Bei dem, was wir bisher überlegt haben, klingt es programmatisch, wenn er hier sagt, dass sich „der Himmel öffnete und der Geist auf Jesus herabkam“ (Mk 1,10). Vom Geist spricht die Bibel immer dann, wenn Gott Neues schafft und in Bewegung setzt oder dass er Dinge und Menschen zusammenbringt, und Versöhnung stiftet. Der Geist ist die Wirkweise Gottes. Und die fehlt, wenn der Himmel verschlossen zu sein scheint. Übrigens: Etwas davon klingt an, wenn wir das Wort „geistlos“ gebrauchen und damit meinen, dass in einem Zusammensein oder in einem Gespräch oder worin auch immer Leerlauf oder Chaos herrschen. Vom Glauben her betrachtet können wir sagen, dass wir ohne den „Geist“ – und es ist der Hl. Geist, der sich auch im menschlich guten Denken und Überlegen findet – nicht wirklich zueinander finden, dass sich ohne ihn sich nichts wirklich Neues ereignet, nichts Weiterführendes, dass ohne ihn das Bunte grau wird und sich Leblosigkeit ausbreitet. Ja, ich möchte sogar sagen, dass es der Mangel an heilendem und heiligem Geist ist, der die Welt scheitern lässt, auch wenn wir biologisch existieren. Wenn viele in der Geschichte der Menschheit danach gerufen haben und auch heute danach rufen, dass sich der „Himmel“ wieder öffnen möge, dann riefen und rufen sie nach dem erneuernden Wirken Gottes im Geist.
Die Offenbarung Gottes in der Bibel sagt uns, dass sein Geist durch Menschen wirkt, auf die er herabkommt und die er bewegt. Die Erzählung von der Taufe Jesu mit dem sich öffnenden Himmel und der Herabkunft des Hl. Geistes steht in allen vier Evangelien am Anfang des öffentlichen Wirkens Jesu. Und das bedeutet, dass wir in allem, was Jesus sagen und tun wird, vom geöffneten Himmel her Gottes erneuerndes Wirken erfahren werden. Vom Himmel her geschieht, was in Jesus geschehen wird. In ihm lebt und wirkt die schöpferische Kraft Gottes selbst.
Sie kennen vielleicht das Wort „Charisma“. „Charisma“ bedeutet in der griechischen Sprache des Neuen Testamentes „Geistesgabe“. Ein Mensch mit „Charisma“ ist also ein besonders „geistbegabter“ Mensch. Von solchen Menschen geht eine positive und Inspirierende Kraft aus. Die Evangelien verkünden Jesus als den „Geistbegabten“ schlechthin. Es ist der Hl. Geist, der ihn als Sohn „Eins-macht“ mit dem Vater im Himmel. Das heißt: Er lebt so sehr aus der Kraft des Geistes, dass in ihm nichts anderes geschieht als der gute Wille Gottes. In Jesus erfüllt sich das Prophetenwort des Jesaja: „Ich habe meinen Geist auf ihn gelegt“ (Jes 42,1b).
An der Grenze der Weihnachtszeit mit der Botschaft der im Menschen- und Gottessohn Jesus uns geschenkten absoluten Nähe Gottes, werden wir im Fest der Taufe des Herrn durch den Evangelisten Markus darauf verwiesen, dass der Himmel geöffnet ist und uns die Nähe dessen schenkt, durch den wir Menschen werden, die wie er in Gott leben. Wie durch ihn soll auch durch uns der gute Wille Gottes Neues schaffen, dort wo Chaos und Geistlosigkeit das Leben bedrohen und zerstören. Was Gott in besonderer Weise in Jesus selbst ist – ist er doch Teil des göttlichen Seins – wirkt in uns als sein Heiliger Geist als immer wieder erbetene und geschenkte Gabe. Auf vielfältige Weise, in guten Gedanken, in der Erfahrung von Trost, in einer Erkenntnis von Neuem, in einer Entscheidung, die uns plötzlich leicht ankommt und von der wir spüren, dass sie richtig ist – in alledem und noch viel mehr empfangen wir aus dem geöffneten Himmel den Geist als den Segen unseres Gottes.
„Den Himmel geöffnet sehen“, das haben wir am 2. Weihnachtstag auch vom ersten Märtyrer Stephanus in der Apostelgeschichte gehört. Ich denke auch an Kinder, die sich nicht abbringen lassen von ihren Wünschen, Vorstellungen und Träumen. Sie sehen den Himmel offen und bleiben dabei, auch wenn wir Erwachsene ihnen so etwas ausreden und ihnen einreden wollen, der Himmel habe sich endgültig verschlossen, die Rückkehr ins Paradies gäbe es nicht mehr. Nun: Das muss es wohl sein, was Jesus meint, wenn er sagt: „Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, könnt ihr nicht in das Himmelreich kommen“ (Mt 18,3).
Ich wünsche Ihnen gute Schritte zum Himmel im Neuen Jahr!
Bleiben Sie behütet! Ihr P. Guido