Predigt zum 5. Sonntag der Osterzeit – C –
Apg 14,21b-27; Offb 21,1-5a u. Joh 13,31-33a.34-35
Der Abschied naht. Die Liturgie der Osterzeit schaut in den Texten der Lesungen und des Evangeliums voraus auf die Geschichte der jungen Kirche in der Begegnung mit den Menschen, wie sie Paulus und die ersten Missionare wahrgenommen haben, sie schaut ganz weit voraus hin zum Ende, zur Vollendung aller Dinge in der himmlischen Vision des Sehers von Patmos, und sie lässt noch einmal lebendig werden, was das liebende Herz des Evangelisten Johannes aus dem Abendmahlssaal mitnahm. Alle diese Wahrnehmungen werden zusammengeführt im Auftrag Jesu durch alle Zeiten hindurch: „Liebt einander!“ (Joh 13,34b).
„Meine Kinder“, sagt Jesus. Sehr familiär und mit einer gewissen Zartheit wendet sich Jesus seinen Jüngern zu. Nein, es geht hier nicht um einen Chef, der seine Mitarbeiter verabschiedet und ihnen für die Zeit seiner Abwesenheit letzte Instruktionen gibt. Hier verabschiedet sich einer von denen, die er liebt. Der Evangelist berichtet zwar nicht von Tränen des Abschieds, aber die dürfen wir uns sicherlich dazu denken.
Machen wir uns bewusst: Wir sind immer noch in der Zeitspanne zwischen Ostern und Pfingsten, in der wir, die junge Kirche und auch die Jünger gefordert sind, den Auferstandenen in seinem DASEIN neu zu begreifen. Die Verantwortlichen für die Gottesdienste und die Liturgie dachten sich wohl, es könnte sinnvoll sein, auch noch einmal unmittelbar in die Situation des Abschieds im Abendmahlssaal zu gehen, geht es doch darum, über alle Brüche und Abbrüche hinweg auf das Verbindende zu schauen. „Meine Kinder, ich bin nur noch kurze Zeit bei euch“ (Joh 13,33a) – dieser Satz verrät uns, an welcher Stelle im Evangelium der heutige Text steht: Er bildet den Auftakt der großen Abschiedsreden Jesu, an die sich Verhaftung und Tod anschließen, und – so dürfen wir österlich bekennen – an die Auferstehung. So kommt in den Blick, was es heißt, in Verbindung zu bleiben. Jesus sagt es nicht ausdrücklich, aber er möchte nichts anderes, wenn er nun den Jüngern sein neues Gebot gibt: „Liebt einander!“ (Joh 13,34b). Und er macht damit klar: So bleiben wir in Verbindung. Die Verbindung ist die Liebe. Es ist die Liebe, die er seinen Jüngern geschenkt hat. Die sollen sie jetzt und künftig auch einander schenken und so mit ihm verbunden bleiben.
Halt! Möchte man da sagen. Sicher kennen wir alle Mit-Christen, die – warum auch immer – solchen Abstand zu Jesus und zum Glauben haben, dass sie sagen: Ich brauche Gott und Jesus und die Kirche nicht. Ich lebe ganz gut ohne diese religiösen Dinge. Knapp in Bezug auf Religion formuliert: Mir fehlt nichts – ich brauch nichts! Das, was wir allerdings in den letzten Wochen als Reaktion vieler Menschen auf den Tod von Papst Franziskus und dann mit der Wahl von Papst Leo XIV. erlebt haben, sagt mir auch, dass die Stimme der Kirche und durch sie die Stimme Jesu wohl doch gehört werden. Jesus sagt uns allen: „Du magst zurückhaltend und skeptisch sein. Aber ich sage dir: Ich liebe Dich! Und ich möchte mit Dir in Verbindung bleiben. Ich möchte mit Dir in Verbindung treten, um Dir deutlich zu machen, wie wichtig Du mir bist. Wie wichtig Du Mensch Gott bist.“ Und weiter sagt er: „Du hast bestimmt Freunde. Dann weißt Du ja auch, dass man mit Freunden dann in Verbindung bleibt, wenn man ihnen seine Liebe schenkt, wenn man etwas Wichtiges von sich selbst mit ihnen teilt: Zeit, Kraft, Liebe, und das alles, ohne groß zu fragen. Weißt Du“, so sagt Jesus weiter, „das Wichtigste, was man denen geben kann, die einem Freunde sind, ist die Teilhabe am eigenen Leben. Und dann: Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Und genau das habe ich für Dich getan. Und ich bitte Dich, ein Mensch zu sein, der weiß, was solche Hingabe bedeutet.“
Daraus, was Jesus da sagt, ist im Verlauf der Geschichte der Christen, der Kirche, das Erkennungszeichen aller geworden, die zu Jesus gehören. Deshalb ist Hingabe auch das missionarische Zeichen der Christen. Papst Franziskus und auch sein Nachfolger Papst Leo XIV. rufen uns auf, voll Freude und im Vertrauen auf die Hilfe des Herrn genau diese Hingabe in unserem Leben sichtbar zu machen. Diese Hingabe leben beispielsweise Menschen, die mehr als nur ein wenig ihrer Habe spenden, um armen Menschen bei uns oder weltweit zu helfen. Hingabe leben die vielen, die unentgeltlich zahllose Stunden einsetzen für Frieden und Gerechtigkeit, für menschliche Gemeinschaft, für soziale Projekte oder konkrete Hilfe in Not. Hingabe leben Kinder, die ihre altgewordenen Angehörigen pflegen, oft genug bis an die Grenzen ihrer Kräfte oder auch darüber hinaus. Hingabe leben Partner, die um ihrer Ehe und Familie willen auf eine attraktive Karriere verzichten, weil sie dem großen Geschenk der Liebe den wichtigsten Platz im Leben einräumen. Ganz sicher kennen wir alle noch viel mehr solcher Beispiele. Sie alle, so sagt uns das Evangelium, sind und bleiben mit Jesus in Verbindung, denn für sie, für alle, ist er den Weg der Hingabe gegangen. Sie alle empfangen von seiner Liebe und Hingabe. So lebt und wirkt er selbst in uns und in ihnen allen, die diese Hingabe leben, auch wenn sie ihn möglicherweise gar nicht kennen.
Für uns, die wir jetzt und hier zusammen sind, gibt es zudem noch ein besonderes Zeichen der Verbindung mit dem Auferstandenen. Wir sind wieder im Abendmahlssaal. Dort hat Jesus neben dem Zeichen der Hingabe im Dienst der Liebe füreinander, der Fußwaschung, das Zeichen seiner Hingabe in Brot und Wein geschenkt, in seinem Leib und seinem Blut. In diesem besonderen Zeichen, das uns deshalb „Sakrament“ ist, also wirkmächtiges Zeichen von Gott her, schenkt Jesus sich immer wieder selbst zur Speise. Dieses Zeichen der Communio, der Verbindung mit ihm wird so zum deutlichsten Verbindungszeichen des Herrn für alle Menschen, das wir nicht nur für uns behalten dürfen. Wo Menschen aus der Stärkung durch dieses Mahl das Empfangene weitergeben und selbst die liebende Hingabe wagen, dort zeigt sich der auferstandene Christus lebendig und ist gegenwärtig, mitten in der Welt, mitten im Leben. „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt“ (Joh 13,35).
Das sagt Jesus auch zu uns. „Kommt und esst, und dann wagt es und teilt aus, euch selbst, mit allem, was ihr seid und habt. Liebt wie ich und es wird keinen Abschied geben, nicht im Leben und nicht im Sterben. Denn wir sind und bleiben verbunden in der Liebe, die Gott selbst ist.“
Seien Sie gesegnet in der Liebe des Auferstandenen und behütet!
Ihr P. Guido