Und der Tod wird zum Leben
Predigt zum 20. Sonntag im Jahreskreis – B – Spr 9,1-6; Eph 5,15-20 u. Joh 6,51-58
Immer noch sind wir bei der großen Brotrede. Es klingt schon wie eine seltsame Speisekarte, was Jesus den Menschen präsentiert. Lebendiges Brot – Brot des Lebens – eine bemerkenswerte Beilage, könnte man sagen. Die Zeitgenossen Jesu hatten da schon ihre Schwierigkeiten, weil nur das Manna aus der Exodusgeschichte (vgl. Ex 16,1-36) für sie diese Bezeichnung haben konnte. Aber dann: „Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch…“ (Joh 6,51)! Und in der Lesung aus dem Buch der Sprichwörter, die für heute auch vorgesehen ist, war es die Frau Weisheit, die ihr Mahl und ihren Mischwein anbietet. Sie bietet wenigstens echtes Fleisch an, hat sie doch das Haus gebaut und das Vieh geschlachtet und den Wein bekömmlich angemischt.
Die Beilage Brot als Fleisch? Nun, wir Heutigen, Lebensmittelkundige, die wir sind, wissen, dass man aus Erbsenmehl oder Soja und manchem anderen wohl Fleischersatz machen kann.
Aber halt! Darum geht es hier nicht. Im Kontext des Evangeliums geht es nicht um vegetarische oder um vegane Ernährung und Lebensweise.
Mögen die Menschen um Jesus, die ihm wegen der Speisung der Fünftausend nachgelaufen sind, und sich vielleicht erhofft haben, dass der Fisch – es waren ja fünf Brote und zwei Fische gewesen, die Jesus ausgeteilt hatte, um sie zu sättigen – vielleicht durch Fleisch ersetzt werden könnte. Aber auch das ist die falsche Perspektive. Jesus bleibt beim Lebensmittel Brot. Brot, das doch noch viel mehr ist als nur eine Beilage. Brot, das ihn und ebenso jene, die es mit Einsicht und Glauben essen, alles kostet. Denn er ist das Brot selbst und der Mischwein, das ist sein Leben, sein Blut. Denn wer bereit ist, Jesus ganz in sich aufzunehmen, wer wirklich teilnimmt an diesem besonderen Mahl, der wird gewandelt, verwandelt zu einem neuen Menschen, so sehr, dass die menschliche Begrenztheit, dass letztlich der Tod seine Macht verliert.
Jesus lässt hier einen Blick tief in sich selbst und in das, was ihn trägt und handeln lässt, zu. „Wie mich der lebendige Vater gesandt hat und wie ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben“ (Joh 6,57). Jetzt kommt die lange „Brotrede“ Jesu – so hat es der Evangelist Johannes in sich aufgenommen und gibt es seiner Gemeinde und uns weiter – zu ihrem Höhepunkt: Es ist das Abendmahlsgeschehen, es sind Brot und Wein aus dem Abschiedsmahl Jesu mit den Jüngern, es ist die Eucharistie, die Kommunion, von der hier die Rede ist. „Denn mein Fleisch ist wahrhaft eine Speise und mein Blut ist wahrhaft ein Trank. Wer mein Fleisch isst und mein Blut trinkt, der bleibt in mir und ich bleibe in ihm“ (Joh 6,55f).
Unter dem Stichwort „wandlung an gründonnerstag“ hat der Priester und Dichter Andreas Knapp folgende Worte aufgeschrieben:
er füllt wasser
in die krüge
zum waschen der füße
der herr wird zum knecht
das wasser zu wein
das flüchtige brot zur leibspeise
die knechte zu freunden
der wein zu blut
und der tod
(Andreas Knapp „Höher als der Himmel“ Göttliche Gedichte, Würzburg 3/2015 S.36)
… und der tod …, so schreibt Andreas Knapp und wir sind aufgefordert, die Worte zu ergänzen. Als Glaubende dürfen wir sagen: …und der Tod …wird zum Leben.
Werfen wir noch einen Blick auf die Tageslesung aus dem Buch der Sprichwörter. Da war die Rede von der Frau Weisheit. Die Weisheit ist nicht nur eine Gabe Gottes, sie ist immer auch ein Synonym für den Heiligen Geist. „Die Weisheit hat ihr Haus gebaut“ hieß es (Spr 9,1). Ihr Haus, das ist der Ort der Gemeinschaft, der Ort des Mahles. Auf das Evangelium ausgerichtet, dürfen wir sagen, dass dieses Haus die Gemeinschaft jener meint, die Gott suchen. Das ist ein Bild für die Kirche. Wie in ein „Restaurant“ ist jeder und jede eingeladen, durch das Mahl und durch die Gemeinschaft des Mahles zur Einsicht und zum Leben zu kommen (vgl. Spr 6,4-6). Das geht mir gerade durch den Sinn. „Restaurant“, das Wort verspricht die „restauratio“, die Wiederherstellung und Erneuerung des Gastes. Das Mahl soll also stärken und erneuern. Das Mahl, die Eucharistie, kostet nichts, und doch kostet sie alles. Denn wer über die Schwelle tritt, und teilnimmt an diesem Mahl, der will gestärkt und erneuert hinausgehen. Wer sich das Gottesbrot brechen lässt, möchte „restauriert“, von innen her erneuert werden. Kirchen sind keine Museen, sie sind Herbergen der Seele, Restaurants, in denen Gott die hungrige und vielleicht nur neugierige Seele bedienen möchte. Mit welchen „Speisekarten“ werden, z.B. Touristen, die in unsere Kirchen vielleicht nur hineinstolpern, in Empfang genommen? Werden sie mit Worten – vielleicht sogar von lebendigen Menschen – willkommen geheißen, die die Schwellenangst nehmen? Werden wir wie Frau Weisheit aufmerksame Gastgeber sein, die Gottes gekreuzigte Weisheit, wie es Paulus im ersten Korintherbrief sagt (1 Kor 1,23f), empfangen haben und das weiterreichen, was sie aus Gottes Wort herausgeschmeckt haben? Nur so können wir weitergeben, was das vorher zitierte Gedicht sagen will:
er füllt wasser
in die krüge
zum waschen der füße
der herr wird zum knecht
das wasser zu wein
das flüchtige brot zur leibspeise
die knechte zu freunden
der wein zu blut
und der tod
…und der Tod …wird zum Leben.
Seien Sie gesegnet und bleiben Sie behütet!
Ihr P. Guido