Eure Erlösung ist nahe
Predigt zum 1. Advent – C – Jer 35,14-16; 1 Thess 3,12 - 4,2 u. Lk 21,25-28.34-36
Vor uns liegt wieder ein Jahresweg. Mit dem 1. Advent beginnt ein neues Kirchenjahr. Unser Wegbegleiter in der Liturgie der Sonntage ist der Evangelist Lukas Ob Lukas von Beruf Arzt war (vgl. 2 Tim 4,11), ist möglich, aber nicht eindeutig zu belegen. Seine Art aber, die Geschichte und Botschaft Jesu in seinem Evangelium weiterzutragen, zeigt immer einen besonderen Blickwinkel, eine spezielle Perspektive: Er sucht nach der konkreten Wirklichkeit in der Begegnung mit der Botschaft Jesu und sucht nach den Möglichkeiten konkreter Reaktion im Handeln derer, bei denen die Botschaft ankommt. Damit sind wir beim heutigen Text des Evangeliums. Die zentrale Aussage angesichts der geschilderten endzeitlichen Wiederkunft des Christus lautet:
„Wenn dies beginnt, dann richtet euch auf und erhebt eure Häupter; denn eure Erlösung ist nahe“ (Lk 21,28). Das ist der auf den Advent bezogene Perspektivwechsel des Evangelisten. Sich nicht niederdrücken lassen von Sorgen und Nöten, von Unsicherheit und Ängsten. Sich „aufrichten, mit erhobenem Haupt stehen, mit sicherem Stand“ und Ausschau halten nach der Nähe Gottes.
Deshalb hören wir im Advent den Ruf zur Besinnung und zur Abkehr von falschen Wegen, zur Umkehr auf den Weg zu Gott, der uns nahe sein will.
Wenn etwas neu beginnt, wenn man einen neuen Anfang macht, dann ist es geraten, sich entsprechend zuzurüsten. Deshalb möchte ich, angestoßen von den Worten des Evangeliums und ebenso mit Blick auf das neue Kirchenjahr und den Advent drei Vorschläge machen:
Zunächst lädt der Advent ein, das tägliche Lesen in der Hl. Schrift, in der Bibel neu einzuüben und diese Übung auch nach Weihnachten beizubehalten; Jesus neu kennenzulernen, durch seine Worte und durch das, was uns die Evangelisten über ihn erzählen. Dabei geht es um ein echtes „Kennenlernen“, nicht um eine Anhäufung von Wissen. So kann die innere Bereitschaft wachsen und vielleicht zum Herzenswunsch werden, sich durch das Erfahrene und die Begegnung mit dem Herrn selbst verändern zu lassen und mit dem eigenen Leben zu antworten. Die englische Sprache kennt einen wunderbaren Ausdruck. Er heißt: „Learning by heart“ - mit dem Herzen lernen. Wir sagen im Deutschen dazu „Auswendig lernen“. Eigentlich geht es aber ums „Inwendig Lernen“. Warum nicht einige Jesus-Worte so in sich hineinnehmen, damit man sie immer im Herzen tragen kann?
Eine zweite Advents-Übung besteht darin, mit dem Wort Gottes auf die Zeichen der Zeit zu achten. Dazu fordert uns Lukas ausdrücklich auf, wenn er mit den Worten Jesu sagt: „Nehmt euch in Acht, dass Rausch und Trunkenheit und die Sorgen des Alltags euer Herz nicht beschweren“ (Lk 21, 34). Es gibt unglaublich viele Möglichkeiten der Ablenkung von wesentlichen Dingen des Lebens! Nicht alles, was auf uns einstürmt ist gut! Von möglichen und tatsächlichen Sorgen gar nicht zu reden! Zudem fallen Krisen in der Regel nicht vom Himmel; meist gibt es vorweg mahnende Stimmen, doch sie werden nicht gehört - aus welchen Gründen auch immer. Also ist es notwendig: Inne zu halten, still zu werden und besonnen zu lauschen, damit man lebensnotwendige Mahnung nicht überhört und das wirklich Wichtige wahrnehmen kann. Dazu braucht es Abstand und einen Perspektivwechsel. Ich denke da auch an den großen Schatz unserer Adventslieder im „GOTTESLOB“ (vgl. die Nummern 218 – 234) und vor allem daran, wie schön und hilfreich es ist, sich im Familien- oder auch im Freundeskreis um den Adventskranz zu versammeln, die Kerzen anzuzünden, ein Gebet zu sprechen und ein solches Adventslied miteinander zu singen. Auch das braucht nicht nur auf diese Zeit vor Weihnachten beschränkt zu bleiben. Solche Momente der Besinnung und der Einkehr kann man angepasst über den ganzen Jahreskreis hin suchen. Damit könnten das Gebet und der Glaube wieder neu in unseren Alltag und in unsere Gemeinschaften finden.
Und eine dritte Advents-Übung drängt sich mir auf:
Die Worte des Evangeliums verweisen uns auf das Ende aller Zeiten und die Wiederkunft Christi. Auch für viele Christen ist die Wiederkunft Christi zu einer abstrakten Größe geworden. Doch das Wort Gottes ernst nehmen heißt auch, das Ende der Zeiten und seine Wiederkunft ernst zu nehmen. Nicht im Sinne einer Weltuntergangspanik, sondern als Verheißung und Einladung. Wir müssen lernen unser Leben vom Ende her zu denken, vom Sterben und vom Tod her, der uns der Weg in die Vollendung ist. Was also bedeutet der Begriff „Erlösung“ von dem die zentrale Stelle des Evangeliums heute spricht? Wovon und wozu will ich „erlöst“ und „befreit“ werden? In allen Sorgen des Alltags und in der Hektik gerade dieser Wochen dürfen wir eines nicht vergessen: Adventlich leben heißt, Jesu Wiederkunft als Ziel und Möglichkeit immer vor Augen zu haben und auch so zu leben, dass man uns das anmerkt. Diese Hoffnung, dass alles zu einem guten Ende führen wird; dass wir, auch wenn alles zu schwanken scheint, wenn nichts mehr sicher ist, wenn sich lieb gewonnene Sicherheiten als Illusion erweisen, dass wir getragen sind von Gott und seiner Liebe. Wir erwarten Gott am Ende der Zeiten ganz persönlich und für alle als Richter, als einen, der es richten wird, der Alles zu einem guten Ende bringen, Alles vollenden wird. Und da er die Liebe ist, ist das die positive Perspektive für uns Christen, die „Erlösungsperspektive“.
Ich wünsche eine gesegnete Adventszeit und bleibt behütet!
Ihr P. Guido