Predigt zum 15. Sonntag im Jahreskreis (A) – Jes 55, 10 - 11 und Mt 13, 1 – 9
Wer wissen will, was Jesus wirklich gesagt hat, meinen die Fachleute, der muss sich an seine Gleichnisse halten. Es gibt sogar einen Theologen, der Jesus selbst als „das Gleichnis Gottes“ ansieht (Eduard Schweizer). Mit der Hilfe einer umfassenden vergleichenden Bildsprache geben Gleichnisse eine Botschaft weiter, die einprägsam ist. Gleichzeitig werden Gleichnisse in der mündlichen Überlieferung am ehesten einigermaßen wortgetreu weitergegeben und sind offen für die Deutungen und Erklärungen durch die Zuhörer. Manchmal haben selbst die Evangelisten in ihrem Evangelium Auslegungen beigefügt, von denen wir heute wissen, dass sie nicht aus dem Mund Jesu stammen, sondern Probleme ihrer Gemeinden widerspiegeln.
Letzteres gilt auch von dem Gleichnis, das diesen Sonntag prägt. Ich habe mir erlaubt, diesen Auslegungsteil (Mt 13, 18 – 23) wegzulassen, um näher an Jesu eigenes Wort zu kommen. Schauen wir auf die Verse, die wir eben hörten. Wir sind es gewohnt, es als Gleichnis vom „vierfachen Ackerboden“ aufzufassen und uns zu fragen: Ist der Acker meines Lebens fruchtbar oder gleicht er einem festgetretenen Weg, einem steinigen oder dornigem Grund, auf dem kaum etwas wächst? Was muss ich an mir ändern, damit der Same des Gotteswortes in mir keimen, wachsen und reifen kann? – Das Gleichnis scheint zur Selbstprüfung aufzufordern und macht einem, so betrachtet, ein ängstliches Gewissen.
Aber ist es das, was Jesus von seinen Zuhörern will?
Um das besser zu sehen, ist es sinnvoll erst einmal den Bildcharakter der Worte Jesu sich vor Augen zu halten. Dazu muss man wissen, dass die Feldarbeit und Aussaat zu Zeit Jesu sich anders gestaltete als es die heutige Praxis zeigt. Der Sämann hatte in der Regel ein Feld vor sich, das nicht durch aufwändige Vorbereitung des Bodens durch effektive Werkzeuge für die Aufnahme der Saatkörner bereitet war. Man musste das Stück Land – oft war es wie in Palästina vorherrschend, mit Steinen und felsigem Boden durchsetzt, am Rande durch Dornenhecken gegen die wilden Tiere begrenzt und durch querlaufende Trampelpfade durchkreuzt – eben so nehmen, wie man es vorgefunden hat. Und hier werden die Samenkörner ausgestreut, getragen von der Hoffnung, dass sie auf einen Boden fallen, der Wachstum ermöglicht. Das zeigt: Nicht die Saat, nicht der Boden sind die Elemente des Gleichnisses, die zuerst zu sehen sind. Es geht um den Sämann und um sein Tun. Jesus hätte dieses Gleichnis sicherlich mit der Überschrift: „Der unverzagt auf die gute Ernte hoffende Sämann“ oder „Gottes Wort setzt sich gegen alle Widerstände durch“ überschrieben. Das Gleichnis hat seine Entsprechung in den Worten des Propheten Jesaja, denen wir in der Lesung begegnet sind. Erinnern sie sich? Dort hieß es: „Wie der Regen und der Schnee vom Himmel fällt und nicht dorthin zurückkehrt, sondern die Erde tränkt und sie zum Keimen und Sprossen bringt, wie er dem Sämann Samen gibt und Brot zum Essen, so ist es auch mit dem Wort, das meinen Mund verlässt: Es kehrt nicht leer zu mir zurück, sondern bewirkt, was ich will, und erreicht all das, wozu ich es ausgesandt habe“ (Jes 55, 10 – 11). Jesus selbst und auch die Jünger, die er aussendet, um Gottes Botschaft zu den Menschen zu tragen, sie erfahren, dass nicht alle Menschen die Worte Gottes freudig aufnehmen. Viele begegnen ihnen gleichgültig und sogar ablehnend. Aus der Erfahrung der Seelsorge und Verkündigung bis heute könnte allein ich ihnen aus der Praxis unzählige Beispiele dafür nennen, dass man der Botschaft des Evangeliums allgemein und sogar unter Christen ziemlich ambivalent begegnet. Da treibt einem als Verkünder und auch als überzeugtem Gläubigen schon die Frage um: Wenn das Evangelium so heilbringend ist, warum kommt es bei vielen so wenig an?
Genau hier hilft, was Jesus sagt: Lasst euch durch solche negativen Erfahrungen nicht irre machen. Schaut auf den Sämann. Nicht jedes Korn, das er ausstreut, bringt Frucht. Da gibt es Samen, der auf den Weg fällt und von den Vögeln aufgepickt wird. So ist es auch bei manchen Menschen. Das Wort Gottes dringt ihnen nicht ins Herz. Andere sind rasch begeistert, aber sie haben keine Beständigkeit. Ein wenig Bedrängnis oder Zweifel und alles wird aufgegeben. Und da sind sie Sorgen des Lebens, die anderen vormachen, dass Gott in diesen Sorgen nichts auszurichten vermag. Das alles ist nun mal so wie es ist!
Aber wenn ihr von der Ernte her auf den Acker schaut und seht, wie reich der Ertrag ist, dann seht ihr die Dinge anders. Habt also Vertrauen in den Herrn der Ernte: Gott lässt wachsen. Sein Wort bewirkt was er will. Haltet euch offen, dann werdet ihr Menschen finden, die mit Eifer und Freude annehmen, was ihr ihnen in meinem Namen ausrichtet. Das Leben wird fruchtbar an Gaben des Geistes und guten Werken. Und mein Reich wird in ihnen entstehen und sich ausbreiten zur Ehre Gottes und zum Heil der Welt. Seid also nicht kleingläubig, sondern habt Vertrauen zum Herrn der Ernte, der wachsen lässt: Und Frucht wird, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreissigfach! Das genügt, dass die Ernte überreich wird. Das ist gewiss, und das ist es auch, was Jesus sagen will. Wer Ohren hat, der höre!
Um das Ermutigen geht es Jesus wieder einmal, um die göttliche Zusage, dass ER wirkt! Wann, wie und wo das geschieht, mag unseren Augen verborgen bleiben. Manchmal ahnen wir etwas. Aber es darf uns nicht darum gehen, dass wir uns erschöpfen im Berechnen und Messen von scheinbaren Erfolgen. Machen wir uns frei vom ängstlichen Zaudern. Der Glaube an Gottes Liebe und Nähe will gelebt werden. Das hat einen Grund: Grund unserer Hoffnung ist das Vertrauen zu Gott, der mit den Worten Jesu zur Aussaat ermutigt und dem wir eine überreiche Ernte zutrauen können. Ja, Gottes Wort bewirkt, was er will, und erreicht all das, wozu er es ausgesandt hat.
Wer Ohren hat, der höre!
Ich wünsche Herzensohren und bleiben Sie behütet! Ihr P. Guido