Die Zukunft hat der Mensch des Friedens
Predigt zum 25. Sonntag im Jahreskreis – B – Weish 2,1a.12.17-20; Jak 3,16-4,3 u.Mk 9,30-37
Wir müssen über den Frieden nachdenken.
Nicht, weil es das Thema in der Lesung aus dem Jakobusbrief ist. Nicht weil die Situation in unserer Welt durch Kriege aus den Fugen gerät. Nicht weil immer mehr Menschen auch in unserem Land Kriegsangst haben. Nicht weil der öffentliche Diskurs die allgemeinen Ängste vor Gewalt, vor Aufrüstung bis hin zur schrecklichsten aller Waffen, den Atombomben, anheizt. Nicht weil Verzweiflung, finstere Zukunftsvisionen und Verschwörungstheorien von populistischen Kräften und gewissen Parteien das Denken vieler Zeitgenossen vergiftet und Angst und Hass stärken.
„Zukunft hat der Mensch des Friedens“ (Ps 37,37b) – so lautet ein Vers in Psalm 37. Der 21. September ist der von der UNO weltweit ausgerufene „Weltfriedenstag“. Der Psalmvers war ebenso das Leitwort des diesjährigen Katholikentages in Erfurt vom 29. Mai bis zum 2. Juni 2024.
Wir müssen über den Frieden nachdenken, weil wir als Christen angestoßen von der Botschaft des Evangeliums immer wieder über uns selbst und unser Leben in der Beziehung zueinander nachdenken müssen. Weil wir im Horizont der Welt Gottes überlegen müssen, wie wir unseren Alltag gestalten und in Zukunft gestalten wollen. Der Friede soll unser Leben prägen und formen. So heißt es auch in einem anderen Psalm: „Suche den Frieden und jage ihm nach!“ (Ps 34,15).
Wir müssen über den Frieden nachdenken. Weil die Friedlosigkeit den Menschen zerstört und unsere Welt vernichtet.
Ich unterscheide zwei Arten des Friedens. Da ist der Frieden der Welt.
Das ist einmal der Frieden, der auf Interessensausgleich zwischen Menschen, in Gesellschaften und Staaten beruht. Gespräche und Diplomatie sind Stichworte dafür. Das ist gut! Dennoch ist dieser Friede immer gefährdet, da die Werte, auf denen er aufruht, immer wieder neu angenommen und ausgehandelt werden müssen. Natürlich haben wir zum Schutz dieser Werte Grundrechte und Gesetze. Wir wissen aber auch, dass sie, wie alles von Menschen gemachte vergänglich sind. Wir wissen aus der Geschichte auch, dass kulturelle und viele andere Unterschiede in den Sichtweisen der Menschen den Weg des Friedens sehr steinig und beschwerlich machen.
Schauen wir auf die zweite, die andere Art des Friedens. Ich nenne ihn den Frieden aus Gott. Die Bibel lehrt uns, dass er dort zu finden ist, wo Menschen versuchen, aus der Nähe Gottes zu leben. Wegweiser zu diesem Frieden finden wir an vielen Stellen in der Bibel.
„Zukunft hat der Mensch des Friedens“ (Ps 37,37b). Aus einem Psalm, aus einem alten jüdischen Gebet, einem eher ein belehrender Text als einem Gebet, stammt dieses Wort. So steht es im Zusammenhang des Psalms 37 (VV 37-38):
37 Achte auf den Frommen und sieh auf den Redlichen,
denn Nachkommenschaft gibt es für den Mensch des Friedens.
38 die Abtrünnigen aber sind allesamt vernichtet,
die Nachkommenschaft der Frevler ist ausgerottet.
Und schon zuvor (VV 9.11):
9 Denn die Bösen werden (sich) ausgerottet (haben),
die auf JHWH hoffen, sie werden das Land erben.
11 Die Demütigen aber werden das Land erben,
sich erfreuen an der Fülle des Friedens.
Es ist nicht Gott ist, der den Frieden schafft, oder die Bösen ausrottet, sondern – das wird durch ein passivisches Verb ausgedrückt – die Bösen sterben durch ihr eigenes Schwert, das sie gegen die Frommen richten (vgl. Ps 37,14-15). Aus der demütigen Haltung zu Gott entstehen diesen Menschen Zukunft und Nachkommenschaft, während die Frevler durch eigene Schuld zugrunde gehen. Der Mensch, der den Frieden sucht, ist also aufgerufen, die Nähe Gottes zu suchen, um so die Zukunft zu finden. Aus der gelebten Gottesnähe der Demütigen wächst Friede. Wer ist demütig? Es sind jene, die sich für klein und gering halten, sich nicht Macht und Gewalt über andere anmaßen. Es sind jene, die sich nicht anmaßen, Götter zu sein.
Jesus verkündet: Aus der Gottesnähe kommt der Frieden Gottes. Es ist ein Friede, den wir nicht machen, der uns aber als seinen Kindern anvertraut ist. Er wird uns aus der Fülle Gottes in unser Herz geschenkt. Er ist die Kraft Gottes selbst, es ist der Heilige Geist, der uns und unsere Art des Lebens verwandeln will. Wir werden so befähigt, uns selbst und unsere Mitmenschen von Gott her – also mit seinen Augen und seinem Herzen – wahrzunehmen.
Schauen wir auf das Evangelium von heute:
Da streiten die Jünger miteinander. Heimlich, hinter Jesu Rücken diskutieren sie, wer der Größte unter ihnen ist. So vieles haben sie zurückgelassen für Jesus, haben Beruf und Familie aufgegeben, sozusagen alles, was sie in ihrem Leben vorweisen konnten. Sicher waren die Jünger in der Nachfolge Jesu nicht nur religiös motiviert. Sie überhören und verstehen nicht, was Jesus da über seinen Weg des Kreuzes sagt, und scheuen sich, ihn um Erklärung zu bitten. Kein Wunder, dass die Rangelei in der Gruppe beginnt. Wer ist der Wichtigste und Größte unter uns? Unfriede wächst… Wer ist der Größte? Wer hat die Macht?
Zu Hause, also in der Intimität der kleinen Gemeinschaft, so schildert es Markus, wird genauer hingeschaut. Natürlich hat Jesus den Streit der Jünger mitbekommen. Seine Perspektive ist anders: Wer sich groß fühlt, soll klein sein, wer klein ist wie ein Kind, kommt groß heraus. Weil es Gott ist, der aus Liebe groß macht! Können wir das hören bis tief in uns hinein? Mensch, ängstige dich nicht, vor Gott bist du groß. Was können wir nicht alles in diesem Wort bergen? Alle innersten Zweifel, ob der andere mich genug mag und anerkennt. Alle Trauer über die Niederlagen, die ich in meinem Leben einstecken musste und die mich schmerzen bis heute. Alle Wut, weil mir die verdiente Anerkennung versagt wird. Aller Neid auf die anderen, die es besser können als ich. Alle Angst, die knechtet. Darauf kommt es nicht an, sagt Gott. Alles Kleine, alles Verlorene, alles Abgewertete in dir mache ich groß, weil ich dich liebe! Meine Liebe macht dich groß! Du bist in mir geborgen! Bei dem das im Herzen ankommt, braucht keine Macht, keinen Einfluss, keine Gewalt. Wir alle, jede und jeder für sich, dürfen dafür einstehen, dass es etwas ungeheuer Großes ist, von Gott angenommen und geliebt zu sein. Auf diesem Fundament baut der göttliche Friede auf. Diese Botschaft dürfen wir in unseren Herzen tragen und leben. Es ist der erste Schritt, um mit Jesus die Welt zu verwandeln hin zu Gottes neuer Welt. So beginnt der Friede aus Gott! Das ist der erste Schritt, mitzuwirken an der Vollendung und Heilung, an der Heiligung unserer Welt und der Menschen. Wir alle sind Gottes Kinder! So kann Frieden aus Gott werden, der bleibt!
Ich wünsche Ihnen den Frieden Gottes und bleiben Sie behütet!
Ihr P. Guido