Die Klärung bringt die Verklärung


2. Fastensonntag – C – Phil 3,17-4,1 und Lk 9,28b-36
Eigentlich jederzeit aber besonders in Zeiten großer Bedrängnis, ja, gerade in solchen Zeiten müssen wir darüber nachdenken, wie wir Klarheit in unser Handeln aus dem Glauben bekommen. Klarheit, das hat damit zu tun, dass wir Klärung finden müssen, wie wir den rechten Weg unseres Lebens in Gottes Willen finden können. Damit sind wir genau bei dem angekommen, was das Evangelium von der „Verklärung“ Jesu auf dem Tabor erzählen will.
Die Erzählung von der „Verklärung“ Jesu ist eines der eindrucksvollen Bilder, welche die junge Kirche gezeichnet hat: mit Einzelheiten aus der Zeit, in der Jesus mit seinen Jüngern umhergegangen und umgegangen ist und sie in seinen Auftrag und das Geheimnis seiner Person eingeführt hat; aber auch mit anderen Zügen, die erst später entstanden sein können: nach der Auferstehung und der Geistsendung, also von Ostern und Pfingsten her, eben dann erst, als die gläubige Gemeinde Jesus besser verstanden hat. Lukas und auch die anderen Evangelisten haben die Erkenntnis der Gemeinde in dem, was sie in ihren Evangelien aufgeschrieben haben, verdichtet und so ins Wort gebracht, dass wir Heutigen das Geschehen nachvollziehen können.
Der Berg ist, biblisch betrachtet, stets Symbol für das Hohe, für das, was dem Alltag wenigstens vorübergehend entrückt und Gott nahe ist. Auf einem „hohen“ Berg–Markus und Matthäus erwähnen diese Charakterisierung des Ortes als „hohen“ Berg (vgl. Mk 9,2, Mt 17,1) – lässt sich erfahren, dass es noch ganz andere, weitere Horizonte gibt, als es das manchmal so bedrückende Tagesgeschehen ahnen lässt. Es ist, als seien die, welche den Berg bestiegen haben, der Zeit entrückt, und der Wunsch kann sich einstellen, es möge immer so bleiben, damit das Glück dieses Augenblicks nie vergeht. Gegenwart wird erfahrbar, nicht die, auf die der Uhrzeiger weist, sondern, wie in einer Vorahnung wenigstens, erfüllte Gegenwart. Dass solche Erfahrungen nicht aus der Luft gegriffen sind, genau daran erinnert uns die „Tabor“-Erzählung, in der es heißt: „Und während er (Jesus) betete, veränderte sich das Aussehen seines Gesichtes, und sein Gewand wurde leuchtend weiß“ (Lk 9,29).Seine drei Begleiter, Petrus, Johannes und Jakobus,werden zu Zeugen dessen, was da geschieht, und sind so ergriffen, dass Petrus für sie spricht: „Meister, es ist gut, dass wir hier sind“ (Lk 9,33).Und es drängt ihn, Hütten zu bauen, um dieses Erlebnis, diesen Vorgeschmack des Himmels, zu einem Dauerzustand zu machen. Etwas missbilligend meint der Evangelist dazu: „Er wusste aber nicht, was er sagte“ (Lk 9,33c).Wieso eigentlich nicht? Genau hier ist die eingangs angesprochene Bedeutung dieser Schriftstelle für uns zu finden. Schauen wir genauer hin.
Jesus befindet sich unmittelbar vor dem Entschluss, „nach Jerusalem zu gehen“ (vgl. Lk 9,51).Dabei steht sein Leben auf dem Spiel; denn in Jerusalem ist die Atmosphäre inzwischen so aufgeladen, dass er dort mit einem katastrophalen Ausgang seines Lebens und seiner Sache rechnen muss. Jesus hat das schmähliche Ende des Täufers miterlebt. Außerdem steht ihm das Geschick der Propheten vor Augen: „Jerusalem, Jerusalem, du tötest die Propheten und steinigst die Boten, die zu dir gesandt sind“,wird er später, am Ziel seines Weges angekommen, ausrufen, wie es Matthäus formuliert (vgl. Mt 23,37).
Jesus wird sich für den Weg nach Jerusalem entscheiden; aber nie tut er etwas, ohne zuvor Gottes Zustimmung einzuholen. Aus diesem Grund steigt er auf jenen (hohen) Berg, „um zu beten“ (Lk 9,28b),wie es ausdrücklich heißt, um also im Gebet den Vater zu fragen und so mit ihm innig verbunden zu sein. Durch das, was dann erzählt wird, erhält er die Bestätigung. Es erscheinen in „Herrlichkeit“Mose und Elija und sprechen mit Jesus „von seinem Ende, das sich in Jerusalem erfüllen sollte“ (Lk 9,31).Es ist, als träte die ganze Botschaft des Alten Testamentes – das Gesetz und die Propheten – in Beziehung zu Jesus. In dem Gespräch soll sich bestätigen: Jesus und sein Weg nach Jerusalem stehen in Übereinstimmung mit dem, was der Wille Gottes ist. In diesen beiden Männern antwortet der ganze Erste Bund Gottes mit seinem Volk – und ist versöhnt mit dem Vorhaben Jesu. Das Geschick Jesu wird anerkannt, so wie es sich vollziehen wird. Und den betenden Jesus, dergestalt mit dem Willen Gottes im Einklang, überstrahlt das volle Licht der Ewigkeit. Es heißt: „Das Aussehen seines Gesichtes veränderte sich, und sein Gewand wurde leuchtend weiß“ (Lk 9,29). Die Klärung bringt die Verklärung.
In diesem Bild zeigt sich die Bedeutung für uns. In jeder Situation unseres Lebens und unserer Geschichte müssen wir fragen: Welche Wege gehe ich eigentlich? Sind es die eigenen, oder kann ich sagen, dass es die mir von Gott gezeigten Wege sind? Wie aber gewinne ich Klarheit darüber? Das Beispiel Jesu sagt es uns: Im Gebet vor allem. Beten bedeutet: unsere Wege vor Gottes Angesicht offenlegen, schweigen und warten, bis wir als Betende Gott vernehmen und das, was er von uns möchte. In seinen „Bekenntnissen“, die ein einziges Gebet darstellen, sagt der große heilige Augustinuszu Gott: „Der ist dein bester Diener, der nicht das von dir zu hören trachtet, was er sich selbst wünscht, sondern das zu wollen, was er von dir hört“ (Confessiones X, 27). Solche Gebetshaltung führt zur Klarheit, wie es im Buch der Weisheit heißt: „Daher betete ich, und es wurde mir Klugheit (= Klarheit) gegeben; ich flehte, und der Geist der Weisheit kam zu mir“ (Weish 7,7).Das Gebet aber, das klärt, verklärt den Beter. Und in solcher Verklärung erfährt er die Ermutigung, wieder vom Berg hinunterzusteigen und den ihm von Gott gezeigten Weg zu gehen. Das ist es, was Petrus mit seinem Wunsch zum Bau von drei Hütten übersehen hat. Aber nach welchem „Jerusalem“ auch immer unser Weg uns führen wird, unser eigentliches, letztes Ziel hat Paulus in der Lesung aus dem Philipperbrief angegeben: „Unsere Heimat ist im Himmel. Von dort erwarten wir auch Jesus Christus, den Herrn, als Retter, der unseren armseligen Leib verwandeln wird in die Gestalt seines verherrlichten Leibes“ (Phil 3,20f).
Bleiben wir im Gebet und in der Nähe Gottes verbunden und behütet! Ihr P. Guido