Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag – C – Spr 8,22-31; Röm 5,1-5 u. Joh 16,12-15
In jedem Jahr ist es eine vergleichbare Fragestellung. Wie kann das, was wir an diesem Sonntag nach Pfingsten feiern – das Festgeheimnis der Hl. Dreifaltigkeit – so ins Wort gebracht werden, dass es das Leben als Christ stärkt und befruchtet? Und auch so, dass es nicht dogmatisch überhöht, sondern auch wirklich verständlich ist. Vom Kern der Glaubensaussage her betrachtet, ist das Festgeheimnis im Grunde einfach: Gott selbst ist in sich und über sich hinaus „zugewandt“ oder wie es im ersten Johannesbrief heißt: „Gott ist Liebe“ (1Joh 4,16). Es gab und gibt in der Geschichte der Theologie und vor allem in der Glaubenslehre unzählige Versuche, das Mysterium der Dreifaltigkeit immer wieder umfassend ins Wort zu bringen. Und es gibt dazu ebenso viele Beispielgeschichten oder Bilder und Bildworte.
In ihrem großen Werk „Liber Scivias Domini“ („Wisse die Wege des Herrn“) schreibt die heilige Hildegard von Bingen (1098-1179) im ersten Teil über das Geheimnis der göttlichen Dreifaltigkeit:
Lob dir, Dreifaltigkeit,
Klang und Leben bist du.
Dich loben die Scharen der Engel,
du wunderbarer, geheimnisvoller Glanz;
verborgen den Menschen,
bist du in allem das Leben.
Ich bleibe an der zweiten Zeile mit den Worten „Klang und Leben“ hängen und denke daran, dass das Johannesevangelium im Blick auf das göttliche Wirken ganz am Anfang vom „Wort“ (griech. „logos“) spricht. Das „Wort“, das sind ja nicht nur Buchstaben. Es ist Zeichen und Symbol für unendlich viel mehr. Bei der hl. Hildegard lese ich weiter:
Wie drei Bestandteile im Wort zu erkennen sind,
so ist die Dreifaltigkeit in einer Gottheit zu betrachten.
Im Wort ist Klang, Kraft und Hauch.
Klang, damit man es hört,
Kraft, damit man es versteht und
Hauch, damit es ans Ziel gelangt.
Im Klang aber nimm den Vater wahr, der alles
in unermesslicher Stärke offenbart.
In der Kraft den Sohn, der wunderbar
aus dem Vater gezeugt ist.
Im Hauch aber den Heiligen Geist,
der lieblich in ihnen erglüht.
Wo man aber keinen Klang hört, dort wirkt
auch keine Kraft, noch erhebt sich ein Hauch,
und deshalb versteht man dort auch das Wort nicht.
„Gott selbst ist in sich und über sich hinaus zugewandt“, so habe ich zu Beginn unserer Überlegungen formuliert. Gott ist, so verstehe ich die hl. Hildegard, Wort und darin, Klang und Kraft und Hauch. Das bedeutet: Gott ist Gemeinschaft und unablässiges liebendes Gespräch in dieser Gemeinschaft in sich und über sich hinaus. Klang, Kraft, Hauch – diese drei Dinge sind notwendig, damit das Gespräch und das Verstehen gelingen. Der Klang, damit man das Wort hört, könnte das Artikulieren der Silben mit unseren Sprechwerkzeugen sein. Die Kraft, damit man das Wort versteht, könnte die Sprache selbst sein, welche den einzelnen Worten eine Bedeutung zuordnet, und gleiches Verstehen garantieren will. Der Hauch, damit das Wort ans Ziel gelangt, könnten die Schallwellen sein, die dafür sorgen, dass das Gesprochene beim anderen ankommt. Fällt eines dieser drei Elemente aus, ist keine Verständigung möglich. Ohne Stimmbänder, Zunge und Lippen können wir nicht sprechen. Ohne gemeinsame Sprache verstehen wir einander nicht – und im luftleeren Raum fehlt uns die Verbindung, die Brücke zum anderen. Der DREIFALTIGE und EINE Gott also als liebendes sich „Austauschen“, als Gespräch der Liebe. Das scheint ein hilfreiches Bild im vorhin angesprochenen Sinn.
In diesem Sinne ist Gott auch als PERSON (von lat. per-sonare – durchtönen) zu verstehen, die sich in Verschiedenheit mitteilt (offenbart) und gleichzeitig nicht voneinander zu trennen ist. So betrachtet – hier streife ich doch ein wenig den Bereich der Spekulation –, ist Gott nicht das menschlich zu diskutierende und damit veränderbare Prinzip des Lebens; er ist das Leben selbst. Er ist nicht die beliebig wechselnde Gesetzmäßigkeit von Beziehung; er ist die Beziehung selbst, er ist die Liebe. Und er ist nicht die unterscheidbare und unterschiedliche Wahrnehmung im menschlichen Verstehen; er ist die Wahrheit selbst. So hilft die Beziehung zu Gott im Glauben an seine Nähe zu einem Leben in Liebe und Wahrheit. Was braucht es mehr, um gelingend und erfüllt im Sinne Jesu als Christ menschlich zu leben?
Seien Sie so gesegnet und behütet!
Ihr P. Guido