Paulus in Thessaloniki



Predigt zum 3. Adventssonntag (B) 1 Thess 5,16-24 und Joh 1, 6-8.19-28
Halbzeit ist es. Der dritte Adventssonntag signalisiert, dass die Tage bis Weihnachten um die Hälfte vergangen sind. Und die Liturgen sagen: Jetzt muss die Freude über das nahe Fest die Oberhand bekommen. Deshalb der kurze und sehr emphatische Abschnitt aus dem 1. Thessalonicherbrief des Paulus, der die Freude als Grundhaltung des Christen preist. Und im Evangelium noch einmal der Täufer Johannes, diesmal aus dem Blickwinkel des Evangelisten Johannes. Ganz sicher deshalb, weil Markus – wir hörten die entsprechende Stelle vom Beginn seines Evangeliums am vergangenen Sonntag (Mk 1,1-8) – doch sehr knapp und mit nur wenigen Worten diese prophetische Gestalt schildert.
Ich frage mich, wo denn in diesen Worten der Funke der Verkündigung aufleuchtet. Die Verse des Thessalonicherbriefes sind typische Mahnungen des Apostels und – auch das typisch für ihn – ein einprägsames Segenswort an alle in der Gemeinde: Paulus macht auf seine besondere Art deutlich, dass das Wort Gottes, also Christus selbst der Da-Seiende und der Kommende ist. Das Evangelium allerdings – vom Anfang des Johannestextes gewissermaßen abgezweigt – spiegelt die eindrucksvolle Zeugenbefragung des Täufers: „Wer bist du?“ fragen die Amtsleute, Priester und Leviten, auch die Pharisäer, jeder auf seine Weise. „Bist du Elija?“, denn der ist verheißen als Vorbote des Messias, so fragen sie weiter. „Bist du der Prophet?“ Jetzt wird es unscharf und ungenau. All diese Fragen führen nicht weiter als zu einem klaren: „Ich bin es nicht!“ - „Also: Wer bist du? Gib Auskunft über dich selbst!“ Und genau so: „Warum taufst du, wenn du nicht der Prophet bist und nicht der Messias?“ Johannes der Täufer, so schildern ihn tatsächlich die Evangelien, bleibt ganz die ausgestreckte und hinweisende Hand auf Jesus. Doch während bei Markus die Sinnspitze des Hinweises auf der Taufe mit dem Heiligen Geist ruht, ist es bei Johannes die verborgene Anwesenheit des Menschensohnes, die er unterstreichen will. Es bleibt also offen, wo der Kommende ist. -
Gerade das führt mich wieder zu Paulus und seinem Brief an die Thessalonicher. Man könnte meinen, dass ein Aufruf zur Freude in diese Tage nicht passt. In normalen Jahren vielleicht, wenn wirklich nur Weihnachten im Blick wäre. Aber jetzt und heutzutage? Man ist es fast leid, immer wieder die Infektionszahlen der Corona-Pandemie zu sehen und alles, was damit zusammenhängt. Insgesamt schrecklich! Aber seien wir ehrlich: Wann passt so ein Aufruf zur Freude selbst in harmloseren Zeiten? „Freuet euch!“ Es geht ja um mehr als nur um Gefühlsduselei! Es geht um eine geistliche Freude. Als Paulus seinen Brief an die Thessalonicher schreibt – er ist übrigens das älteste schriftliche Zeugnis des Christentums und wurde um das Jahr 50 n.Chr. verfasst – war diese Gemeinde im Aufbau. Paulus macht der jungen Gemeinde Mut und versucht die positiven Kräfte zu stützen. Die Gemeinde soll aus dem Bewusstsein heraus leben, dass Jesus in seinem Wort und in der Gemeinschaft und im Tun und Handeln jedes Gemeindemitgliedes in ihrer Mitte ist, also in dem, was man Glauben nennt, und dass er gleichzeitig der bald von Gott her Kommende und alles Vollendende ist. Die Christengemeinden der frühen Zeit waren ganz auf den wiederkommenden Herrn ausgerichtet. Aber genügt solches „Mut machen“? Wenn es nur Worte wären, müsste man sagen, dass es nicht genügt. Mit den Worten verbindet sich allerdings eine Erfahrung, verbindet sich ein Bewusstsein. Für Paulus ist dieses Bewusstsein das Fundament christlichen Lebens und jeder Gemeinde überhaupt: Bleibt in unablässiger Verbindung mit Gott, bleibt in dem, der euch trägt und hält. Das ist entscheidend! Paulus sagt es ein wenig anders, für unsere Ohren frommer, aber deshalb nicht weniger richtig: Betet ohne Unterlass! Das Gebet, will heißen, das absolute und ausdrückliche Sein und Bleiben in Gott, also nicht irgendein plapperndes Gequatsche, das ist die Grundlage. Darauf ist der ganze Glaube aufgebaut. Wenn ich mich gehalten und getragen weiß, dann genügt das. Und das ist ja tatsächlich ein Grund tiefer Freude. Ich höre jetzt die Einwände mancher, die sagen, man könne nicht immer an Gott denken, das sei schlicht unmöglich. Ich halte das für eine Ausrede. Warum? Es geht ja gar nicht um die Ausschließlichkeit in dieser Sache. Wenn man verliebt ist, oder wenn einem eine Beziehung trägt, dann ist das Bewusstsein dieses Vorgangs doch auch in einem, ohne dass man es andauernd wie eine Fahne vor sich hertragen müsste. Und dieses Bewusstsein verwandelt alles. Genau so möchte Paulus deutlich machen, dass die tragende Verbindung mit Gott das Leben verändert, dankbar sein lässt und in der Haltung der Freude stärkt. Wir in Gott – Gott in uns, das trägt das ganze Leben! Und: Wer in Christus ist, ist in Gott!
Machen wir uns klar, dass so Christus, das lebendige Wort Gottes, verborgen in unserer Mitte ist und genau das ist letztlich der Grund der Freude. Und Freude zur ersten Halbzeit lässt einem Mut schöpfen für das, was noch kommen kann. Wobei ich nicht von einer zweiten Halbzeit spreche. Die französische Mystikerin Madeleine Delbrel sagt es so:
„Ist unser Tag so vollgestopft, dass Pausen unmöglich sind, wenn unsere Kinder, der Ehemann, das Haus, die Arbeit, die Gemeinschaft fast alles beanspruchen, dann glauben wir und vertrauen darauf: Die göttliche Kraft des Wortes Gottes kann dem Wort stets Raum verschaffen. Wir sehen es dann aufleuchten, während wir eine Straße entlanggehen, unsere Geschäfte besorgen, Gemüse putzen, auf ein Telefonat warten, unseren Flur kehren; wir sehen es aufblitzen zwischen zwei Bemerkungen eines Mitmenschen, zwei zu schreibenden Briefen, beim Erwachen und beim Einschlafen. Denn das Wort hat seinen Platz gefunden: ein armes und warmes Menschenherz, das ihm Herberge bietet".
… „Egal, was wir zu tun haben: ob wir einen Besen oder eine Füllfeder halten, ob wir reden oder stumm sind, etwas flicken oder einen Vortrag halten, einen Kranken pflegen oder am Schreibtisch arbeiten. ... All das ist nur die äußere Schale einer herrlichen inneren Wirklichkeit, der Begegnung der Seele mit Gott in jeder neuen Minute, wo sie an Gnade zunimmt und immer schöner wird für ihren Gott".
(M. Delbrel „Wir Nachbarn der Kommunisten“, Einsiedeln 1975, S. 61 u. S.53).
Ich wünsche eine gesegnete Zeit. Bleiben Sie behütet und gesund! Ihr P. Guido