Nahrung für den Pilgerweg zum Himmel.
Predigt zum 21. Sonntag im Jahreskreis – B –
Jos 24,1-2a.15-17.18b; Eph 5,21-32 u. Joh 6,60-69
„Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes" (Joh 6,68f). Was bedeuten diese Worte des Petrus? Sind sie Ausdruck von Fatalismus im Sinne von: „Jetzt haben wir schon alles verlassen – Familie, Freunde und Beruf – und sind mit dir gegangen. Glaubst Du denn, wir würden das alles so einfach wegwerfen?“ Oder bedeuten diese Worte ein echtes Bekenntnis? Johannes würde die Worte des Petrus sicher nicht erzählen, wenn er nicht davon überzeugt wäre, dass sie ein „Bekenntnis“ sind. Also: Offensichtlich hat sich bei den Jüngern – für sie spricht ja Petrus – die Überzeugung gebildet, dass es das wahre Leben gibt, und zwar in diesem Jesus. Diese Erfahrung machten wohl nicht alle Menschen. Wir hören, dass die meisten mit Misstrauen und Unverständnis Jesus entgegentraten. Seine Worte, sein besonderer und absoluter Anspruch, riefen bei ihnen Ärger hervor. Wie kann auch jemand von sich behaupten: „Wie ihr Essen und Trinken zum Leben braucht, so braucht ihr mich. Ich bin der, der euch wirklich sättigt an Leib und Seele – und das nicht nur heute, sondern für immer. Ich bin das Brot des Lebens für einen jeden von euch – und zwar nicht nur für festliche Gelegenheiten und schwere Stunden, sondern als tägliche Wegzehrung!“ Und damit nicht genug. Jesus hat den Anspruch, in Person das von Gott kommende Lebensgeschenk zu sein, und er werde auch zu Gott zurückkehren!
Es ist ein unglaublicher Anspruch. In dieser Wortwahl wird schon deutlich, dass er im Grunde nur geglaubt werden kann. Auch das thematisiert der Evangelist, wenn er die Worte Jesu „…es gibt unter euch einige, die nicht glauben“ (Joh 6,64a) aufschreibt. Vielen Menschen heutzutage – auch etlichen Christen – geht es ja ähnlich. Die Begegnung mit dem überlieferten Glaubensgut in der Bibel, in den Gottesdiensten und überhaupt in der Tradition der Kirche bleibt ihnen im Grunde fremd und lässt sie unberührt und gleichgültig bleiben. Sie dringen nicht zu Jesus und damit auch nicht zu Gott durch. Ich frage: Gab und gibt es die Chance einer spürbaren Begegnung mit Gott auf dem Weg des Lebens dieser Menschen? Erwarten sie Lebenshilfe und -stärkung aus der so vermittelten Begegnung mit Gott und Jesus? Zumeist kommt doch die Ansage: Mir fehlt nichts. Ich brauche nichts. –
Im Bekenntnis des Petrus wird deutlich: Der Glaube an Jesus – „du bist der Heilige Gottes!“ – der Glaube an Gott – ist eine Haltung, die aus der persönlichen Begegnung, aus Beziehung entsteht. Das ist entscheidend. Die Jünger sind mit Jesus gegangen, haben gesehen und gehört und so erfahren, was er für sie bedeutet. Der Anstoß für diesen Erfahrungsweg war es, dass Jesus sie angesprochen hat und sie sich für die Erfahrung mit ihm öffneten. Sie wollten mit Jesus und auf dem Weg mit ihm entdecken, welchen Sinn ihr Leben über ihren bisherigen Weg hinaus noch haben könnte. Deshalb sagt Petrus: „Du hast Worte des ewigen Lebens“ (Joh 6,68b). Er sagt nicht einfach: „Du hast Worte des Lebens.“ Vielmehr sagt er: „Des EWIGEN Lebens!“ Der Anspruch Jesu provoziert. Deshalb ist christlicher Glaube auch nicht nur „Lebenshilfe“ und „Lebensstärkung“ oder anders gesagt, er ist nicht nur „Nahrung für den Leib und die Seele im Hier und Jetzt“, sondern er ist Hilfe und Stärkung für den Weg des EWIGEN Lebens, für den Weg in die Gemeinschaft mit Gott! Deshalb ist Jesus als „Lebensbrot“ das „Viaticum“, die „Wegzehrung“, letzte und endgültige Nahrung für den Pilgerweg zum Himmel.
Was uns der Evangelist Johannes für seine Gemeinde und für uns alle in Bezug auf die „Brotrede“ Jesu deutlich ins Bewusstsein rufen möchte, ist, dass der Glaube an Gott lebendig sein muss, also nichts ist, das unverrückbar und unwandelbar wäre. Das Beispiel der Jünger ist Mahnung für uns, die wir Jesus nicht unmittelbar erfahren können. Vielmehr müssen wir uns vergewissern, dass der Glaube gerade in der Verunsicherung und auch im Zweifel neu und immer wieder die Verankerung in der Person Jesu Christi braucht. Worte allein, die nicht in die Tiefe der Existenz gelangen, bringen nichts Nahrhaftes für unser Leben und erst recht nichts für das Leben des Glaubens auf dem Weg zum ewigen Leben. Solche Worte bleiben „tote Buchstaben“ ohne die direkte Verbindung mit Jesus. Wir kennen die Stimme der Unsicherheit in uns, und die Fragen der Juden damals sind vielleicht auch unsere Fragen: Ist denn Jesu Anspruch wahr? Ist er denn wahrhaftig „Gottes Sohn“ und „die Auferstehung und das Leben“? Sind seine Worte wirklich „Geist und Leben“? Was spricht denn für ihn? Sprechen nicht schon seine einfache Herkunft und sein erbärmlicher Tod am Kreuz gegen ihn? Wir spüren, dass wir die Begegnung mit ihm in den Schriften der Bibel und anderen Glaubenszeugnissen suchen müssen. Wir brauchen das Gespräch mit anderen, die wie wir auf der Suche nach ihm sind. So können wir auch im Rückschluss und in der Betrachtung unserer eigenen Lebens- und Glaubensgeschichte entdecken, dass sich in Jesus ein SINN auch für unseren Lebensweg erschließen kann. Dazu bedarf es der Herausforderung und der Provokation durch den Anspruch Jesu. Die Jünger und Petrus haben das erfahren. Das Brot des Lebens kann trocken, hart und krustig sein. Also müssen wir es gut kauen, damit es auch gut verdaulich ist. „Herr, zu wem sollen wir gehen? Du hast Worte des ewigen Lebens. Wir sind zum Glauben gekommen und haben erkannt: Du bist der Heilige Gottes" (Joh 6,68f). Dabei müssen wir wissen: Die Gewissheit, dass wir auch ganz persönlich getragen und geliebt werden, braucht Zeit und Geduld und Offenheit zur Begegnung. Diese Gewissheit kann jeder nur für sich selbst finden. Alles entscheidet sich, wenn ich mich erst einmal auf den Weg mit Jesus gemacht habe.
„…was soll ich tun, damit ich das ewige Leben erbe?" (vgl. Mt 19,16; Mk 10,17 u. Lk 18,18), so wird Jesus einmal gefragt. Jesus würde uns sicher den schwachen Punkt zeigen, der uns versklavt und uns daran hindern kann, Erfahrungen mit ihm und der Fülle des Lebens zu machen: Vielleicht ist es Stolz, vielleicht verbissenes Festhalten an eigenen Ansichten und dem Bild, das andere von uns haben sollen. Gewiss aber ist: Selbst, wenn wir uns hartherzig seiner Zuwendung verweigerten, er würde uns dennoch nicht verachten und fallenlassen.
Frei sein und werden für Jesu Wort, das ist ein Gottesgeschenk. Den Glauben an seine Liebe will Gott jedem Menschen schenken, denn er ist davon überzeugt, dass wir es nirgendwo besser haben können als bei ihm.
Seien Sie in dieser Liebe gesegnet und behütet!
Ihr P. Guido