Gottes Güte und Barmherzigkeit kommt überall zum Tragen
Predigt zum 26. Sonntag im Jahreskreis – B – Num 11,25-29; Jak 5,1-6 u. Mk 9,38-43.45.47-48
„Nomen est omen“ – Das ist ein lateinisches Sprichwort, das meint: Der Name steht für das, was er darstellt und verkörpert. Da kommt Johannes zu Jesus und sagt ihm: „Wir haben gesehen, wie jemand, der mit uns nichts zu tun hat, in deinem Namen Dämonen ausgetrieben hat. Und wir wollten ihn daran hindern, denn er ist ja nicht von uns.“ (Vgl. Mk 9,38). Einer, der den Namen Jesu benutzt, um dem Bösen zu begegnen… Das kann so schlecht nicht sein. Und es ist es auch nicht, wie Jesus sagt. Allerdings ist in dem, was Johannes da zu Jesus sagt etwas verborgen, das aufgedeckt werden muss, denn es hat einen falschen Geschmack. Da sagt Johannes zu Jesus wörtlich: „Wir versuchten ihn daran zu hindern, weil er uns nicht nachfolgt“ (Mk 9,38b). „UNS“ – Das ist eine problematische Formulierung, so, als ob es darum ginge, den Jüngern oder der Gemeinde nachzufolgen! Vielleicht hätten die Jünger und später dann die Gemeinde Jesu Wirken gerne für sich reklamiert. Später in der Geschichte der Kirche wird es dann heißen: „Außerhalb der Kirche kein Heil!“ (Extra ecclesiam nulla salus!) – Aber der „Geist weht, wo er will!“ (vgl. Joh 3,8).
Jesus fordert die Jünger ausdrücklich auf, den Mann, der in und mit seinem Namen Gutes tut, daran nicht zu hindern. Seine Aussage: „Keiner, der in meinem Namen eine Machttat vollbringt, kann so leicht schlecht von mir reden“ und: „Wer nicht gegen uns ist, der ist für uns“ (Mk 9,29-40), ist ein Wort der Hochherzigkeit, das auch die Gemeinde der Christen kennzeichnen sollte. Es ist ein Wort der Toleranz, aus der eine wunderbare und weite Geisteshaltung spricht. Offensichtlich ist es Jesus ein Anliegen, dem sich der Evangelist Markus mit Blick auf die Christengemeinde, für die er sein Evangelium aufschreibt, deutlich anschließen will: Es gilt, das Gute und Positive, das, ganz gleich wo auch es immer geschieht, als von Gott gewollt zu akzeptieren. Übrigens: Wer zu Christus gehört, entscheidet nicht die Gemeinde, sondern Christus allein! In diesem Zusammenhang hat der Theologe Karl Rahner einmal vom sogenannten „anonymen Christen“ gesprochen. Er meinte damit allerdings nicht, dass man jeden Menschen, der Gutes tut, als Christen vereinnahmen dürfe. Vielmehr geht es darum, dass wir als Christen, die durch die Taufe und die Sakramente und unseren Auftrag zum Guten zur Gemeinschaft der Christus-Glaubenden gehören, sensibel und mit offener Wahrnehmung jedem menschen- und lebenszugewandten Engagement begegnen sollten. Einfach gesagt: Wir haben kein exklusives Recht auf das „Gutsein“. Aber wir haben den Auftrag vom Herrn, uns überall dort mit einzubringen, wo Gutes zum Heil der Menschen und Leben geschieht und uns auch dort einzusetzen, wo niemand den Notleidenden zur Seite steht.
Wir müssen uns klar machen: Gottes Güte und Barmherzigkeit kommt überall zum Tragen, wo Not und Leid gelindert wird, selbst wenn jene, die sich engagieren, das nicht aus religiösen oder aus sonstigen weltanschaulichen Gründen tun. Gott hat immer Wege, zum Heil der Menschen zu wirken, Wege, die wir oft nicht kennen.
Für uns ist, wenn wir zu unserem Glauben und zu Jesus Christus stehen, allerdings unabdingbar notwendig, dass wir ganz klar und auch bis zur letzten Konsequenz der Liebe verpflichtet sind. Unter dieser Maxime erschließt sich auch der Sinn der im Evangelium von heute genannten harten Worte des Herrn. Sie sind eine Belehrung an alle in der Gemeinde. Diese bedrängenden und fast unzumutbaren Aufforderungen des Herrn, zeigen in einer radikalen Bildform mit welcher Härte und auch Bereitschaft man gegen sich selbst vorzugehen hat, wenn es um den treuen Verbleib bei Christus geht – für den Christen selbst, vor allem aber als Christ für jene, denen wir Vorbilder sind und sein sollen. Wer sich hier falsch verhält, sollte durch die Worte Jesu bis ins eigene Mark aufgeschreckt werden!
Wenn wir versuchen, das Angesprochene verbunden mit dem Glaubensleben des Einzelnen und der Gemeinde zu sehen, dann wird wieder einmal deutlich, dass es keinen anderen Weg für uns als Christen geben kann, als intensiv an der Beziehung zu Jesus Christus zu arbeiten und die Verbindung immer mehr zu vertiefen. Er – und in ihm Gott – ist die Mitte. Er allein ist, wie es das Johannesevangelium uns deutlich sagt: „Weg Wahrheit und Leben“ (vgl. Joh 14,6). Genau deshalb sagt Jesus auch: „Niemand kommt zum Vater außer durch mich!“ (Vgl. ebd.). Wo wir als Christen Christus zurücksetzen und uns selbst vor ihn plazieren, gehen wir fehl. An ihm scheiden sich – innerhalb und außerhalb der Kirche, der Gemeinde, – die Geister. Das Evangelium selbst liefert uns so mit seiner Botschaft für die Geschichte der Kirche, für ihre positiven wie auch negativen Entwicklungen, die beste Korrektur. Was für die Kirche im Großen gilt, gilt ebenso für jeden einzelnen Gläubigen. Wenn wir, warum auch immer, den Herrn aus dem Blick verlieren, verlieren wir uns selbst als Christen. Lebendiger Glaube und auch lebendige Gemeinde kann sich nur formen und bestehen, wenn der Herr in der Mitte ist.
Von Andreas Knapp, dem Priester und Dichter, stammen folgende Zeilen eines Gedichtes:
der Herr
wer den Thron deines Herzens besetzt
zu dem du aufschaust
den du anhimmelst
der dich beherrschen darf
den machst du zu deinem Herrn
ER steigt vom Thron des Himmels herab
begegnet dir auf Augenhöhe
kniet sich nieder auf die Erde
und wäscht dir die Füße
so herrlich will die Liebe sein
(Andreas Knapp, Tiefer als das Meer, Gedichte zum Glauben, Würzburg 4/2012, S.18)
Bleiben wir bei ihm, der die Liebe ist und leben wir füreinander aus ihm.
Seien Sie gesegnet und behütet!
Ihr P. Guido