Es ist die Fülle des Lebens schon jetzt
Predigt zum 3. Sonntag der Osterzeit – A – 1 Petr 1, 17-21 und Joh 21, 1-14
Eine enorm verdichtete Glaubensgeschichte begegnet uns im heutigen Evangelium. Ein wenig ist, was uns da begegnet, wie die Zusammenfügung vieler Puzzleteile zu einem größeren Bild. Nun, wir wissen aus der Forschung, dass dieses Kapitel des Johannes-Evangeliums wohl aus dem Schülerkreis des Evangelisten stammt. Sie haben es dem Text des Evangelisten angefügt. Wer sich in den Evangelien auskennt, findet hier Erinnerungen an den von Lukas berichteten Fischzug des Petrus (vgl. Lk 5,4-11) und gewisse Ähnlichkeiten mit der Erzählung von den Emmaus-Jüngern (vgl. Lk Lk 24,13-35). Man mag sich an die Erzählung von der Speisung der 5.000 Menschen am See Genezareth (Mk 6,30-44 u. parr. Bei Mt und Lk und Joh 6,1-15) und an die Geschichte vom Seewandel Jesu erinnern (Mk 6,48-49 u. parr. Mt 14,25-26 u. Joh 6,16.19.25). Gewiss sind all diese Anspielungen auffällig und ebenso bemerkenswert wie die Zahlensymbolik: Sieben Jünger sind um Petrus versammelt. Bei der Siebenzahl kann man sofort an die göttliche Sieben denken, welche die Fülle der Schöpfung Gottes und hier die weltweite Gemeinde der Christen umschreiben mag. Und wenn man weiß, dass man damals 153 Arten von Fischen kannte, dann ist auch diese Zahlenangabe in unserer Geschichte von großer symbolischer Bedeutung: Alle Fische werden in dem einen Netz des Petrus gefangen. Weltumfassend, universal, wie in einem Netz in unlösbarer Einheit verbunden soll die Kirche sein, die durch das missionarische Wirken der Menschenfischer wie Petrus und der anderen Apostel entstehen wird. Ein großes Bild, diese Ostergeschichte, randvoll mit Hinweisen, die in ihrer Fülle gar nicht zu erfassen sind. So scheint es.
Doch schauen wir auf einen Grundzug der Erzählung, um ein wenig besser zu verstehen, wie aus der österlichen Berufung des Petrus die nachösterliche Wirklichkeit des Glaubens und der Kirche entstehen konnte.
Alles fängt damit an, dass Petrus zurückkehrt in seine galiläische Heimat. An seinen See Genezareth. In seinen alten Beruf. Er will da weitermachen, wo er aufgehört hat, ehe er mit Jesus zog. Die Zeit mit Jesus ist zu Ende und scheint zu einer Episode zu werden, so als sei nichts geschehen. „Ich will fischen gehen.“ Mit diesen Worten beginnt die Rückkehr in den Alltag. Und das alltägliche Tun ist von Resignation gekennzeichnet, von Erfolglosigkeit und vergeblichem Bemühen, denn in dieser Nacht fangen Petrus und seine Mitfischer nichts. Das bedeutet: Auch im Auftrag der Glaubensverkündigung, den der Herr ihnen ja gab, bleibt das auf eigene Faust betriebene Tun vergeblich. Und genau an dieser Stelle, an der Petrus und die Jünger nicht mehr weiterwissen, genau dort geschieht die wirksame österliche Berufung. Genau dorthin, wo Menschen nicht mehr weiterwissen, genau dorthin geht der Auferstandene und setzt einen entscheidenden Impuls.
„Es ist der Herr!“, sagt Johannes. Er spürt die Nähe; er ist der Liebe am nächsten und er erkennt. Jetzt verändert sich die Lebenssituation für alle. Am Ende der eigenen Vorstellungen, dort, wo im Grunde nichts mehr ist, dort beginnt Gottes Wirken. Es ist der „tote Punkt“ des eigenen Könnens und Wollens. Es ist das liebende Herz, das den Blick zu weiten vermag und das mehr sehen kann. Johannes ist das Auge des Herzens. Die Liebe sieht die Nähe des Auferstandenen ein Stück weg, am Ufer. Petrus und die anderen Jünger um ihn müssen vom „toten Punkt“ ihrer Enttäuschung und des Misserfolges aus begreifen, dass nur dort, wo der Auferstandene nahe ist, der Weg in die Zukunft Gottes beginnt. Erst diese Erkenntnis befähigt die Jünger dazu, sich einzulassen auf das Leben, das von Gott kommt. Ohne dieses Begreifen, dass am Ufer des Lebens der Auferstandene steht und liebevoll auf die Jünger und auf uns wartet, ist die Welt und das Leben abgründig und sinnlos. Es bleibt nur die Dunkelheit und das Chaos des Todes. Aber am Ende, an der Grenze des eigenen Vermögens, dort wo die persönliche Leere beginnt, ist Gottes unendliche Fülle verborgen. Und das ist nicht einfach Vertröstung auf irgendwann, sondern es ist die Fülle des Lebens schon jetzt. Es ist die Perspektive, die den Aposteln, der jungen Kirche und ebenso uns heute Richtung gibt, ein volles Netz und festes Land unter den Füßen. Und im Neuanfang ist das Mahl bereitet: Da waren Brot und Fisch.
Und wieder wird das Geschehen rückgebunden an das, was damals und auch heute die Kraft gibt, den Weg des Glaubens zu gehen: Der Herr, so heißt es, nahm das Brot und gab es ihnen. Natürlich! Es ist die Feier der lebendigen Erinnerung, die Eucharistie, die Gegenwart des Herrn, der am Ufer Halt gibt und zum Leben nährt und stärkt.
Nur das lässt uns als Menschen in der Nachfolge des Herrn, als Menschen des Glaubens tatsächlich leben und überleben. Das, was die Kirche bis heute in jeder Hl. Messe, in jeder Eucharistiefeier vollzieht. Das allein zeigt uns den Weg in die Zukunft: Das große Zeichen seiner Liebe und Hingabe, das unblutige Opfer… Der Herr schenkt sich uns als Nahrung zum Neuen Leben, immer und immer wieder, damit wir den Weg zum Vater, zum endgültigen Ufer am Ende des Lebens finden.
Ihnen weiterhin eine gesegnete Osterzeit und bleiben Sie behütet! Ihr P. Guido