Diese unscheinbare Frau, die JA zu ihm sagt


Predigt zum Fest Maria Himmelfahrt 2023 – 1 Kor 15, 20-27a und Lk 1, 39-56
Ganz sicher gibt es vieles, das uns in den Sinn kommt, wenn wir darüber nachdenken, was unser Leben klein und schwer macht. Es gibt vieles, das uns niederdrückt und enttäuscht. Fragen wir uns doch, wie groß unsere Sorgen, Befürchtungen, Ängste und Nöte sind? Die allgemeine Stimmung ist gedrückt. Keine Frage: Unsere Zeit ist nicht leicht und nicht einfach. Die Welt scheint aus den Fugen: Krieg, Terror, Vertreibung, ungezählte Tote und Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Eine Krise jagt die andere. Ungeahnte Herausforderungen für Gesellschaften, für die Politik und die Staaten. Werden wir sie meistern, die weltweiten Krisen, all die Herausforderungen? Und dazu noch so viele Stimmen, die scheinbar leichte und sichere Lösungen anbieten, Schuld zuweisen und ihre „perfekten Ansichten“ den Ängstlichen und Enttäuschten aufschwatzen und damit das Unheil vergrößern.
Im Evangelium haben wir aus dem Mund Mariens das „Magnificat“ gehört. Lukas hat es aufgeschrieben als Lied der demütigen Frau, die Gott zu seinem Heilswerk auswählt. Und Maria schaut in diesem Lied nicht einfach auf sich. Sie hat Gott im Blick und sein Wirken. Sie singt ein Loblied auf ihren Gott, der für die seinen da ist, der sich der Kleinen und Hungernden, der Niedrigen und Erniedrigten erbarmt, der zu seinen Verheißungen steht, der durch die Zeiten hindurch mit seinem Volk geht und für es einsteht. Maria, die Frau aus dem Volk, die niedrige Magd, reiht sich ein in die Schar derer, die auf Gott vertrauen und sich seiner Barmherzigkeit anvertrauen: „Meine Seele preist die Größe des Herrn!“ (Lk 1,46).
Ist das nicht die Perspektive, die auch uns gut zu Gesicht steht?
„Der Mächtige hat Großes an mir getan“ (Lk 1,49). Das Große, das an und mit Maria geschehen ist, kennen wir: Es ist die Menschwerdung Gottes, ist die Fleischwerdung des unfassbaren Gottes durch diese unscheinbare Frau, die JA zu ihm sagt, ist das Hineinkommen Gottes in unsere Welt als Menschenbruder. Das große Geschehen reicht weit über Maria hinaus. Es gilt uns allen: Gott ist Mensch geworden und damit sind wir gerettet: Gott an unserer Seite! So an unserer Seite, ganz und gar und bleibend! Kein Mensch ist mehr allein und kein Mensch ist mehr nur ein einfacher Mensch, denn Gott teilt unser menschliches Leben in allen Höhen und Tiefen, von der Geburt bis zum Tod. Menschliches Leben ist seit dem Großen, das er getan hat an Maria, gottnahes, gottbegleitetes, gottvolles Leben, selbst in den dunkelsten Stunden und Erfahrungen: Gott hat alles angenommen, was unser menschliches Leben ausmacht und nicht selten schwer macht.
Es ist wahr. Maria ist uns Vorbild im Glauben. Mariens Lied dürfen wir Menschen als von Gott Erlöste mitsingen.
Gott ist für uns, der Gottessohn und Menschensohn, der Jesus von Nazareth und Jesus der Christus zeigt es, spricht es aus, lässt es erfahren, dass Gott unser Leben mit uns lebt: Mit Christus lebt er es, unser menschliches Leben, durchleidet es, stirbt es und ersteht zum neuen Leben, das kein Tod mehr bedroht.
Und mit Christus beginnt die Umwertung aller vermeintlich menschlichen Wertigkeiten und Werte: Hochmut, Macht, Reichtum, das sind Versuchungen, diabolische Versuchungen. Gottes Leben, Gottes Wertigkeit zeigt sich in seiner Zuwendung zum Menschen, in seiner Nähe, seinem Erbarmen, seinem Erhöhen, seinem Schenken, seiner Liebe.
Und mehr noch: Die Perspektive der Nähe und Liebe Gottes bleibt bei all den Schwierigkeiten und Krisen zu jeder Menschenzeit auch heute bestehen.
„Der Mächtige hat Großes an mir getan“ (Lk 1,49).
So schenkt dieser Satz, wenn ich ihn in mein Innerstes hole, wenn ich ihn nicht nur höre, sondern annehme, im wahrsten Sinne des Wortes wahr-nehmen kann, einen neuen Blick auf mich und mein Leben.
Nicht, dass das Leben nur glücklich und unbeschwert verliefe; nicht, dass Gott alles so richtet, wie wir es erhoffen oder uns vorstellen. Selbst wenn ich unbedeutend bin, mich für klein halte oder klein gemacht werde: Mit Maria dürfen wir hoffen und singen, dass wir Gottes Erbarmen gefunden haben und nie aus Gottes Erbarmen fallen werden; dass er um unseretwillen Mensch geworden ist. Er will die Niedrigkeit, die Hoffnungslosigkeit, die Verlorenheit wegwischen und den Menschen aus Liebe retten. Mit Maria dürfen wir singen, dass der Mächtige Großes uns getan hat und an allen, die mit unterwegs sind: Gott ist Mensch geworden und bleibt uns, mir und dir, jedem Menschen nahe. Mit Maria dürfen wir sicher sein, darf jede und jeder von uns, darf ich sicher sein, dass Gott wohlwollend auf mich schaut und ich für ihn wertvoll bin, selbst und gerade in meiner Niedrigkeit. Mit Maria kann ich glauben und hoffen und darauf vertrauen, dass Gott die Welt verändert, dass unser Leben geborgen ist in seiner Gerechtigkeit.
Dabei sind wir immer gefordert, herausgefordert, das Unsere zu tun zugunsten von Leben, Gerechtigkeit und Friede. Das ist der Maßstab. Was auch immer aber bleibt: Am Ende wird Gott alles nach seiner Gerechtigkeit richten und auf seine Gerechtigkeit hin ausrichten und aufrichten: Die Niedrigen und Erniedrigten, die Hungernden und Dürstenden, alle, die seines machtvollen Armes bedürfen.
Die Perspektive reicht noch viel weiter: Maria hat am Ende ihres Lebens einen besonderen Platz bei Gott, sie ist mit Leib und Seele in die himmlische Herrlichkeit aufgenommen. Das lehrt der Glaube, lehrt die Kirche. Sie ist die Erste nach Christus.
Christus, der aus ihr geborene Gottes- und Menschensohn, „ist von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen“, schreibt Paulus an die Gemeinde von Korinth (1 Kor 15,20). Durch ihn ist uns die Auferstehung von den Toten geschenkt, unsere endgültige Rettung: „In Christus werden alle lebendig gemacht werden“ (1 Kor 15,22). Maria, seine Mutter ist die erste, so glaubt die Kirche, der diese Rettung zuteilwird, der erste Mensch, dem die ganze Gnade des Lebens, die ganze Rettung in Christus, das ganze Heil der Menschwerdung Gottes geschenkt wird. Und was in Jesus Maria, seiner Mutter, geschenkt wird, das ist auch unser Anteil. Lasst uns also mit Maria das JA des Glaubens sprechen, mit ihr das Lob Gottes singen und miteinander anpacken, um mit der Gnade Gottes die Welt zum Guten zu führen.
Seien Sie so gesegnet und bleiben sie behütet! Ihr P. Guido