Predigt zu Pfingsten – A – 1 Kor 12, 3b-7.12-13 und Joh 20, 19-23
Es mag uns überraschend vorkommen, dass im heutigen Evangelium erst in zweiter Linie vom Heiligen Geist die Rede ist und dass es uns noch einmal hineinversetzt in den Abendmahlsaal, in dem der Auferstandene seinen Jüngern erscheint; so dass wir den Eindruck haben, eher dem Fest-Geheimnis von Ostern gegenüberzustehen als dem von Pfingsten.
Aber für den Evangelisten Johannes fallen Erhöhung, Auferstehung und Geistsendung zusammen. Sie lassen sich nicht trennen und Pfingsten ist in seiner Sichtweise die letzte Konsequenz von Ostern. Aber in den wenigen Worten, die wir gerade als Frohe Botschaft gehört haben, kommt das sehr eindrucksvoll zum Ausdruck. Da erscheint Jesus den Seinen „am Abend des ersten Tages“ (Joh 20,19a) und mit all dem, was er ihnen zuspricht, wird deutlich: Der Abend als Zeichen des Endes und die Dunkelheit der Nacht haben keine Chance, denn die Zukunftsgabe des Auferstandenen heißt: Friede euch! Und damit: Hoffnung und Zukunft! Der neue Tag kommt! Das ist der Kern der Osterbotschaft Jesu.
Der Auferstandene, lebendig im neuen Leben vom Vater, haucht die Jünger an, und schenkt, was ihn mit dem Vater immer verbunden hat und worin er jetzt im Vater lebt: „Empfangt Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen, und denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“ (Joh 20,22f).
Das ist die entscheidende Gabe Gottes: Frieden, als Frieden mit Gott, Frieden, als Frieden dessen, der zurückgefunden hat zu seinem Vater und sich in seine ausgebreiteten Arme wirft (vgl. Lk 15,20). Aber die Geste, dass der Auferstandene die Jünger anhaucht, geschieht nicht von ungefähr, denn sie schafft einen Bezug hin zum Anfang der Geschichte Gottes mit allem Geschaffenen. Wir werden zurückgeführt auf die ersten Seiten der Heiligen Schrift, wo von der Erschaffung des Menschen die Rede ist (Gen 2,4b-25). Dort wird als Lebens- und Glaubenserfahrung Israels erzählt: Gott schafft den Menschen aus dem Staub der Erde und bläst (haucht) ihm den Lebensatem ein (vgl. Gen 2,7). Diese Geste des Schöpfers – im Geist vollzogen, der über dem Chaos der Urflut schwebt, – übernimmt der Auferstandene so, dass er als Neu-Schöpfer der Seinen jetzt vor ihnen steht. Das bekräftigt Paulus im 2. Brief an die Gemeinde von Korinth, denn dort nennt er als die eigentliche Frucht von Ostern: „Wenn jemand in Christus ist, ist er eine neue Schöpfung“ (2 Kor 5,17).
Ostern ist Neuschöpfung. Zu Ostern, also mit der Auferstehung Jesu, beginnt das Leben neu. Nun, wir machen oft eine andere Erfahrung. Wir sehen, dass im Lauf der Geschichte der Menschen das Leben dem Ende entgegengeht. Wir sehen, wie sich das Leben verhärten kann und greisenhaft eng und klein wird. Aber Ostern schafft die große Wende: Kein Abend, keine Nacht, kein Ende, sondern Neubeginn. Und Pfingsten ist die letzte Konsequenz dieser österlichen Botschaft. Denken wir doch an das Nacht-Gespräch des alten Nikodemus mit Jesus, bei dem Jesus diesem suchenden Alten sagt: „Wenn einer nicht von neuem geboren wird aus dem Heiligen Geist, so kann er nicht in Gottes Reich kommen“ (Joh 3,3f).
„Empfangt Heiligen Geist!“Ein Aufatmen soll von Gott her durch die begrenzte und von der Todeserfahrung geprägte menschliche Geschichte gehen, das Aufatmen aller, weil sie neu beginnen dürfen. Alles Trennende (die Sünde) zwischen Gott und Mensch wird weggenommen, wenn wir das Geschenk des Auferstandenen annehmen. Das ist zunächst einmal für jede und jeden von uns ganz persönlich zu verstehen. Das ist die Chance, die Pfingsten einem jeden von uns bietet und für die wir gar nicht dankbar genug sein können.
Aber noch mehr: Jesus vertraut das Geschenk des Neubeginns den Jüngern an. Sie stehen für die Gemeinschaft der Glaubenden als Zeugen der Auferstehung und als Geistträger. Begreifen wir, welche Vollmacht in den Worten den Jüngern anvertraut wird, wenn Jesus zu ihnen sagt: „Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten“ (Joh 20,23)? Der Auferstandene legt die Aufgabe der Neuschöpfung in ihre Hände. In unsere Hände…
Gerade in unseren Tagen mit all den Problemen und Zukunftsfragen für die Kirche, mit all den Fehlern und Sünden – schließlich sind die Träger der Institution ja Menschen – müssen wir lernen zu unterscheiden, wie sich der österliche Neubeginn für alle und im eigenen Leben erfahrbar machen lässt, wie die gottgegebene Vollmacht helfend und heilend angewendet werden kann. Die Antwort hat Jesus selbst nach den Worten des Johannes-Evangeliums am Vorabend seines Todes gegeben, als er sagte: „Wenn jemand mich liebt, wird er an meinem Wort festhalten; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen“ (Joh 14,22f).
Das ist die Antwort, sagt der Theologe Eugen Biser,und weiter: „und es ist zugleich die beglückendste. In unserem Innersten will er Wohnung nehmen. In unserem Herzen will er ... aufs neue geboren werden, aufs neue heranwachsen, aufs neue reifen in Weisheit und Gnade (vgl. Lk 2,40),aufs neue uns belehren mit der Stimme des inwendigen Lehrers, aufs neue uns seine Kraft zuwenden, allerdings dann auch aufs neue leiden, um mit uns zu sterben, und schließlich uns hinein zu nehmen in seine Auferstehungsherrlichkeit." (E.Biser „Erfüllte Zeit“, München 1998, S.186)
Das ist die Botschaft des Osterfestes, die sich an Pfingsten vollendet. Sie ist eine Botschaft des Neubeginns, eine Botschaft des Aufatmens, eine Botschaft der Neu-Schöpfung.
Und die Frage, wer denn der Heilige Geist ist, beantwortet sich ebenso: Gott selbst, die Fülle des Lebens, der Vater, der alles geschaffen hat, der Sohn, der in uns wachsen und werden will auf unserem Weg des Christseins und die Kraft, die Vater und Sohn in uns lebendig sein lässt, der Heilige Geist. Deshalb können wir im Angesicht des Todes das Leben feiern, werden die Grenzen menschlicher Existenz hin zum Göttlichen überwunden.
Ihnen Gottes Geist, seinen Segen und bleiben Sie behütet! Ihr P. Guido