Zum Frauentag Lebensgeschichten aus Hachenburg und Lahnstein
„Ich wollte beides!“
Zwei spannende Frauen- und Lebensgeschichten – zum internationalen Tag der Frau am 8. März
Montabaur, 5. März. Der Internationale Frauentag wird jährlich am 8. März gefeiert. Der Tag entstand vor dem ersten Weltkrieg im Bestreben um Gleichberechtigung, Wahlrecht und Emanzipation der Frauen. Zwei Frauen gewähren uns heute anlässlich des Weltfrauentages Einblick in ihr bewegtes und ereignisreiches Leben.
„Mode ist und war meine große Leidenschaft“, berichtet Liesel Ratzke (82), „Familie mit Kindern oder Beruf? Ich wollte beides! Auch wenn das zur meiner Zeit sehr untypisch war, habe ich mir meinen Berufswunsch Modefachverkäuferin erfüllt.“ Liesel Ratzke wurde am 3. Februar 1942 in Wahlrod geboren. Sie war von drei Kindern die jüngste. Der Vater kam kurz vor Kriegsende bei einem Fliegerangriff ums Leben, so baute Ihre Mutter ganz alleine das Familienhaus in Wahlrod. Mit ihrer Schwester war sie im Jugendalter in Solingen in einem Haushalt tätig. Nur an den Wochenenden konnten die Mädchen nach Hause kommen. Schließlich ging für sie ein Traum in Erfüllung: Sie absolvierte sie in einem Bekleidungsgeschäft in Hachenburg eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrau. Denn Mode war ihr schon ganz früh sehr wichtig. Nach einer Doppelhochzeit mit ihrer Schwester bekam sie zwei Kinder. Neben ihren Aufgaben als Hausfrau und Mutter entschied sie sich für ein Leben als berufstätige Frau. Das war ihr möglich, da ihre Mutter mit im Haushalt lebte und sie sich mit um die Kinder kümmern konnte. „Mein Beruf war mir immer sehr wichtig. Ich wollte mit für den Lebensunterhalt der Familie sorgen,“ betont die Seniorin.
Zunächst arbeitete sie sehr viele Jahre in Hachenburg im Modehaus Pickel. Mit der Schließung des Modehauses fand sie schnell eine neue Arbeit, erst in einem kleinen Kaufhaus in Hachenburg und danach im Modehaus Fröhlich, wo sie bis zur Rente blieb. Liesel Ratzke: „Ich habe keine Minute bereut, immer gearbeitet zu haben. Den Beruf habe ich mit Leib und Seele ausgeübt. Als Verkäuferin war mir immer sehr viel daran gelegen hübsch gekleidet zu sein. Eine Kittelschürze kam nicht in Frage! Ich wollte das Modegeschäft gut repräsentieren!“
Der Ehemann verstarb vor elf Jahren. So entschloss sie sich vor kurzem, ihren Lebensabend im Haus Helena zu verbringen. Ihr Interesse an Mode pflegt sie noch immer. Sie freut sich schon jetzt darauf, wenn das Modehaus Gross im April zum nächsten Verkaufsevent ins Haus kommt. Gerne steht sie dann wieder als Modeberaterin allen Damen im Haus Helena zur Verfügung. Ihre Meinung als Stilberaterin ist sehr gefragt. Und sie ist natürlich als Model bei den Modenschauen im Haus Helena dabei!
Gerda Wolgast, die heute im Caritas-Altenzentrum St. Martin in Lahnstein wohnt, macht jungen Frauen Mut, ihren Weg zu gehen. Sie wurde bereits im Jahr 1928 geboren. Auch sie hat ein ereignis- und arbeitsreiches Leben gemeistert. Die Seniorin erzählt: „Das Schwerste in meinem Leben war die Flucht aus meiner Heimat Rosenau in Westpreußen. Die Russen waren im Vormarsch, und es war bitterkalter Winter. Ich war damals mit 15 Jahre sehr jung, als ich ganz alleine nach Westen fliehen musste. Mein Ziel war Berlin-Neukölln. Die Wohnung meiner Tante war die vereinbarte Anlaufstelle meiner Familie, wenn wir getrennt werden sollten. Dadurch, dass ich jung und unerfahren war, nahm ich die ständigen Gefahren auf meiner Flucht, immer wieder russischen Tieffliegerbeschuss, gar nicht so bewusst wahr. Alleine der Wunsch, meine Familie wieder in die Arme zu schließen, half mir, nicht aufzugeben und - egal was passiert - durchzuhalten.“
Besonders stolz ist Gerda Wolgast darauf, dass sie nach dem Tod ihres Mannes das Leben als Witwe meistern konnte. Denn sie bekam nur eine kleine Hinterbliebenenrente. Dennoch war ihr Zufriedenheit im Leben stets wichtig. „Ich habe mich nicht unterkriegen lassen und meinen Platz in der Gesellschaft behauptet“, berichtet sie, „manches Mal war es ohne Ehemann schwierig. Zu der damaligen Zeit wurden die Frauen oft nicht respektiert. Frauen durften damals nur arbeiten, wenn der Mann dem zugestimmt hat. Das ist zum Glück heute kaum noch zu glauben!“
Gefragt, was die Seniorin sich für die Frauen von heute, die in Familie, Beruf und Gesellschaft Verantwortung tragen, wünscht, antwortet Gerda Wolgast: „Ich wünsche mir für die Frauen von heute, dass sie den Familienzusammenhalt fördern und nicht gleich wenn es schwierig wird, alles aufgeben, z.B. durch berufliche Doppelbelastungen oder finanzielle Engpässe. Die Menschen müssen in der Partnerschaft respektvoll miteinander umgehen, Freiheiten akzeptieren und respektieren, sowie sich in der Kindererziehung gegenseitig unterstützen und entlasten, finde ich. Und vor allem möchte ich den Frauen von heute mit auf ihren Lebensweg geben, dass sie in der Berufswelt, die oftmals immer noch eine Männerdomäne ist, ihren Platz finden und sich dort behaupten und beweisen können.“
Claudia Hülshörster
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