Wozu Weihnachten?
Predigt zu Weihachten 2024 – Jes 9,1-6; Tit 2,11-14 u. Lk 2,1-14 (In der Hl. Nacht)
Es ist sicher schon einige Jahre her, da las ich eine Weihnachtsgeschichte, an die ich mich erinnere. Aus welchem Land sie stammt, weiß ich nicht. Aber das ist ja gleich. Und wie immer bei solchen Geschichten kann man sie verschieden erzählen… Sie ist nicht an bestimmte Personen oder Geschlechter gebunden. Doch genug der Vorbemerkungen.
Es war einmal, so beginnen Märchen, die manchmal gar keine Märchen sind…
Also. Es war einmal eine Frau. Selbstbewusst wie sie war, hatte sie sich entschlossen den Besuch bei der Freundin im Nachbarort mit einem längeren Spaziergang zu verbinden. Schnee war gefallen. Also hatte sie den Kleinen gut in warme Kleidung gepackt und auf den Schlitten gesetzt. Durch die verschneiten Wiesen, den Weg durchs Tälchen am Hang entlang, dann ein wenig aufwärts. Ein schöner Winterspaziergang, trotz des trüben Tages.
Dort am Hang angelangt, hielt sie inne. Seltsam, da drüben, wo das Buschwerk sich vom Schnee belastet, fast zur Erde geneigt hatte, da war eine große Höhle sichtbar. Und da war ein Licht. Das machte sie neugierig und sie ging hin, den Schlitten hinter sich herziehend. Sie trat in die Höhle und – wie im Märchen, kam ihr in den Sinn – da glitzerte und funkelte es vor kostbarem Geschmeide, goldene Münzen und Gefäße glänzten. Ich träume, dachte sie. Da hörte sie eine Stimme, die sagte: „Nimm dir, was du willst. Aber vergiss das Beste nicht!“ Das ließ sie sich nicht zweimal sagen. Den Kleinen vom Schlitten runter, die Decke ausgebreitet und schnell zusammengerafft, was sie ergreifen konnte. Wieder hörte sie die Stimme: „Nimm! Aber vergiss das Beste nicht!“ Also, die Decke zum Bündel geschnürt, was passt noch in meine Taschen? – Täuschte sie sich oder war der Höhleneingang kleiner geworden? Tatsächlich. Da, die Perlenkette, dort die Diamanten, hier das Gold… Irgendwie grollte es im Gestein. Die Stimme: „Eil dich! Nimm! Vergiss das Beste nicht!“ Und der Eingang begann sich zu schließen. Sie packte das prallgefüllte Bündel auf den Schlitten, schnell noch Dies und Das eingesteckt und raus aus der Höhle. Kaum draußen schloss sich der Eingang mit Getöse.
„Geschafft!“ dachte sie aufatmend. Aber …
Sie hatte ihr Kind vergessen…
Natürlich ist das nur eine Geschichte. Aber in ihr ist doch manches an Wahrheit. Es ist leider wahr: Immer weniger unserer Zeitgenossen verbinden das Weihnachtsfest mit der christlichen Botschaft von der Menschwerdung Gottes in Jesus. Und es ist nicht nur ein Gefühl, dass der Kern dieser christlichen Botschaft immer weniger gewusst wird, immer weniger gewusst mit dem Verstand und mit dem Herzen. Mag vielleicht an Weihnachten Altvertrautes in Vielen wie das Licht einer kleinen Kerze irgendwie aufflackern. Was uns in der Tiefe unserer menschlichen Existenz anrühren will, und unser Leben prägen soll, ist in großer Gefahr, unter dem Streben und Eifern nach vordergründigen und damit vergehenden Dingen, vergessen oder nicht mehr gewusst zu werden.
Da geht es vielen heute vielleicht wie der Frau und ihrem Kind in der kleinen Geschichte…
Sie hat ihr Kind vergessen! Schöne Bescherung!
Dass Gott in Jesus Mensch wurde, unseren menschlichen Weg ging und ihn verwandelte durch seine Liebe, den Tod des Menschen starb und diesem seinen Schrecken nahm durch das Geschenk der Auferstehung… Wenn wir das vergessen, wozu dann Weihnachten?
Das ist das Beste, das nicht vergessen werden darf: Wir dürfen Gott nicht eintauschen gegen die vergänglichen Dinge unserer Welt. Wir dürfen ihn nicht eintauschen gegen Macht oder Besitz oder wissenschaftlichen Fortschritt. Nicht eintauschen und nicht vergessen! Denken wir daran: Wer Gott vergisst und ihn so verliert, vergisst und verliert auch seine Menschlichkeit! Wir müssen eingedenk unserer Befreiung durch die Liebe Gottes im Geschenk dieses Kindes IHN selbst empfangen und mit ihm leben und IHN und seine Liebe weiterschenken. Wie sagte es der Dichter Angelus Silesius einmal: „Und wäre Gott tausendmal geboren und nicht in dir, so wär‘ die Welt verloren!“ Nur mit IHM werden wir das menschliche Leben weiterentwickeln und zum Guten verändern. Nur mit IHM und mit seiner vertrauenden Liebe und im Weiterschenken dieser Botschaft wird der wahre Schatz gefunden: Das Leben in Fülle jetzt und für immer. Das ist unsere christliche Weihnachtsbotschaft!
Sprechen wir so den menschgewordenen Gott in diesem Kind in der Krippe an:
Du Kind, du Schatz Gottes,
schenk uns mit dir mehr von der Liebe,
die unsere Sehnsucht stillt
und Wärme ins Herz,
die träumen lässt.
Du Kind,
schenk uns mit dir mehr von der Zeit,
die uns im Leben atmen lässt
und Gelassenheit gegen den Stress,
der das Leben erstickt.
Du Kind,
schenk uns mit dir mehr von der Neugier,
die jedem Menschen offen begegnet
und Zuwendung,
die Menschen zusammenführt.
Du Kind des Friedens,
schenk uns mit dir mehr Glaube, weil Glaube befreit.
Schenk uns mit dir mehr Hoffnung, weil Hoffnung Sinn gibt.
Und schenk uns mit dir mehr Liebe für eine lebenswerte Welt.
Ich wünsche Ihnen ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Bleiben Sie in der Liebe Gottes behütet!
Ihr P. Guido