Wo sind die „toten Punkte“ meines – deines Lebens?
Predigt zum 13. Sonntag im Jahreskreis – B –
Weish 1,13-15;2,23-24; 2 Kor 8,7.9.13-15 u. Mk 5,21-43
Von zwei Frauen ist die Rede. Beide werden nicht mit Namen genannt. Also gilt die Botschaft allen. Warum aber Frauen? Frauen sind Trägerinnen des Lebens. Und ihnen entrinnt das Leben. Davon erzählt das Evangelium. Todgeweiht sind beide. Todgeweiht der Mensch ohne Gott. Die eine stirbt auf Raten durch den andauernden Blutverlust. Die andere, zur Weitergabe des Lebens bald bereit, liegt im Sterben. Die eine hat keine Worte der Not und Bitte mehr, nur die Berührung bleibt ihr. Der anderen wird durch das Sterben der Mund verschlossen. Ihr Vater spricht für sie. „Jaïrus“ ist sein Name und der bedeutet: „Jahwe weckt auf“. Was will uns, die wir nicht dabei waren, Markus, der die Geschichte aufgeschrieben hat, als Botschaft ins Hier und Heute sagen? Er erzählt eine Geschichte vom „neuen Leben“ aus Gott.
Schauen wir nochmal auf die Frau, der das Leben blutend entschwindet. Was treibt sie an? „Wenn ich nur den Saum seines Gewandes berühre…“ (Mk 5,28). Es ist die Hoffnung wider alles Hoffen, die sie in den setzt, der Gottes Nähe kündet, mehr noch, der durch sein Tun diese Nähe Gottes lebt und verkörpert. Etwas geht von diesem Jesus aus: Schöpferkraft Gottes, Heilkraft. Eine neue Lebenskraft. – Und dann: „Dein Glaube hat dich gerettet. Geh in Frieden!“ (Mk 5,34).
Und wir?
Manchmal bedarf es der Erkenntnis, dass kein Weg, den wir kennen, weiterführt. Der Evangelist erzählt von den Jahren des Leidens dieser Frau und den vielen Kosten. Ihr Vermögen, nicht nur materielles hat sie eingesetzt und verloren. Und jetzt? Sie ist am Ende. Es fehlt nur ein Schritt und die Verzweiflung wird sie vernichten. Zurückgeworfen auf sich selbst ist sie am toten Punkt ihrer Existenz angekommen.
Nur eines bleibt ihr: „Wenn ich nur den Saum seines Gewandes berühre…“ (Mk 5,28). Steht nicht für uns alle das Angebot Gottes, das Leben neu zu finden? Das irdische Leben ebenso, wie das jenseits des Todes? Für diese Frau hieß das, Jesus zu berühren und an das Geschenk des Lebens von Gott her zu glauben.
Ich frage: Wo sind die „toten Punkte“ meines – deines Lebens? Wo müssen wir lernen, nicht nur dem selbstgeschaffenen und endlichen Vermögen zu vertrauen, sondern tatsächlich auf Gottes gutes Angebot der Lebensfülle zu setzen, die er uns schenken will? Die Biologie, die Wissenschaft ist nicht alles. Sie ist wie wir Menschen selbst endlich und begrenzt. Wo kann ich, wo können wir Jesus berühren? Ganz sicher in den Geschichten und in Gesprächen mit glaubenden Menschen, dann, wenn wir unsere Nöte und auch die Erkenntnisse der Tiefe teilen und auch im Gebet, im Gottesdienst, in der Stille sind mit Gott. Wenn wir wirklich Suchende sind in der Not des Lebens und uns nicht verzetteln in der Endlichkeit und Begrenztheit des eigenen menschlichen Ich, dann kann der tote Punkt zur Türe werden über uns hinaus, zum Weg über den Horizont des Irdischen hin zu Gott. Natürlich, der irdische Weg bleibt endlich und begrenzt. Aber Leben, in Gott und mit ihm gelebt, ist Ewigkeit, denn aus ihm und durch ihn und in ihm leben und sind wir. So sagen wir es lobend in jeder heiligen Messe am Ende des Hochgebetes vor dem Vaterunser.
„Jaïrus“ – „Jahwe weckt auf“. Der Name des Synagogenvorstehers, Vater des todgeweihten Mädchens spricht deshalb Bände. Die Geschichte des Mädchens, das Jesus ins Leben zurückruft, macht deutlich, wie er, der die Gottes Nähe ist und Träger des neuen Lebens aus Gott, in Vollmacht handelt. Zuerst das Wort Jesu an den Vater des Mädchens: „Fürchte dich nicht! Glaube nur!“ (Mk 5,36). Und dann: Keine Magie, kein Lärm und Geschrei sind es, sondern wieder die einfache Berührung und dann: „Talita kum“ – „Mädchen, steh auf!“ (Mk 5,41). Jesus ist der Finger, die Hand Gottes, die ins neue Leben geleitet.
„Wer Glauben hat, zittert nicht!“ sagte einmal Papst Johannes XXIII., der Heilige. In der Tiefe der eigenen Existenz davon überzeugt sein, dass Gott das wahre Leben schenkt, dazu will der Evangelist Markus ermutigen. Bei ihm ist der Lebensruf Jesu an die Tochter des Jaïrus eine ganz besondere Ansage des Lebens aus Gott und durch ihn. „Wer Glauben hat, zittert nicht!“ auch im Angesicht des Todes. So dürfen wir Menschen des Glaubens und des Lebens der Ewigkeit sein. Dieses Leben gilt es anzunehmen und zu entdecken.
Seien Sie gesegnet und behütet von Gottes Liebe! Ihr P. Guido
Die liturgischen Texte zum Tage