
Predigt zum 2. Sonntag der Osterzeit – A – Apg 2, 42-47 und Joh 20, 19-31
Da gibt es etwas, das die nachösterliche Erfahrung der Apostel und auch der jungen Christengemeinde kennzeichnet: Sie mussten damit zurechtkommen, dass der gekreuzigte und auferstandene Jesus nicht wie zu irdischen Lebzeiten verfügbar war. Die Zeit zwischen Ostern und Himmelfahrt und ebenso bis hin zum Pfingstereignis spiegelt in den Texten der liturgischen Lesungen so das Ringen der Apostel und der Gemeinde um eine neue Sichtweise des Auferstandenen wie auch auf den Glauben wider. Es ist ein Prozess der „Findung“.
Ich habe versucht, die Osterbotschaft mit dem Wort: „Der Glaube ist immer ein Sprung ins Leere, eine Selbstvergewisserung“ an das Vertrauen und den Glauben Jesu selbst zurückzubinden. Das Kreuz und auch die Auferstehung bleiben eine Herausforderung und letztlich „ein Sprung in die Arme Gottes“. Es gibt keine fertige Antwort des Glaubens auf das Kreuz, auf das leere Grab und auch nicht für die Begegnung mit dem auferstandenen Herrn! Der notwendige Sprung des Glaubens steht für die Jünger und Jüngerinnen Jesu zu allen Zeiten – und damit eben auch für uns – für einen neuen Anfang der Beziehung zu Jesus. Dieser Neubeginn wird angestoßen von der Erfahrung des irdischen Weges mit Jesus. Beispielhaft stehen dafür die Emmausjünger, die aus der Botschaft der Hl. Schriften bis hin zum Brotbrechen des Abendmahles, neu sehen lernen (vgl. Lk 24, 13-35), bis hin zum Erkennen des Herrn durch die Wunden am neuen Leib des Auferstandenen, für die der Apostel Thomas steht (vgl. Joh 20, 19-31).
In der Apostelgeschichte, aus der wir eben einen Abschnitt gehört haben, wird nun erzählt, wie die Gemeinde in Jerusalem kreativ ihren Glauben und damit sich selbst gestaltet. Da wird gesagt, was der Gemeinde wichtig war, was sie ausstrahlte und was schließlich an ihr die Menschen um sie herum so fasziniert hat, so dass sie wachsen konnte. Natürlich wissen wir auch, dass sich hinter der unkompliziert erscheinenden Darstellung Konflikte, Missverständnisse und sogar Streitereien über die Gestaltung dieses Neuanfanges verbergen. Aber gerade, dass es da so menschlich zugegangen ist, kann für uns heute – wir finden uns in der Weltkirche und auch in unserem Land ebenso in einem tiefgreifenden Diskussionsprozess über die Zukunft und Gestalt der Kirche – eine Hilfe sein. Eines ist dabei aber vorab grundsätzlich wichtig: Jesus hat Einzelne in die Gemeinschaft der Nachfolge gerufen. Die Glaubensentscheidung des Einzelnen und der Glaube der Gemeinschaft sind so immer im Zusammenhang zu sehen. Sie dürfen, wenn wir die Botschaft des Evangeliums ernst nehmen, niemals gegeneinander ausgespielt werden. Vielmehr findet mein Glaube Stärkung und Hilfe aber auch Korrektur im Glauben der Kirche. Die vielen, die heute aus kirchenkritischen Überlegungen die Gemeinschaft durch Kirchenaustritt verlassen, müssen sich also fragen, ob ihre Entscheidung die Verbindung zum dreifaltigen Gott und ihren Glauben an ihn stärkt oder schwächt. Es zeigt sich deutlich, dass mit einer allzu individualistischen Sichtweise der persönliche wie auch der gemeinsame Glaube geschwächt werden. Die Kirchensteuer oder die Skandale als Begründung zu sehen, sind dürftige Argumente. Doch kehren wir zurück zur Apostelgeschichte:
Da ist „die Lehre der Apostel“, die Zeugenschaft des Evangeliums also und die Tradition, welche die Grundlage der Nachfolge als Christen und Christinnen bilden. Die „Gemeinschaft“ hat sie immer wieder zusammengeführt und zusammengefügt. Entsprechend haben sich die Christen immer wieder versammelt, um „das Brot zu brechen“ – also zur Feier der Eucharistie zur lebendigen Erinnerung an Jesus, um dem Auferstandenen im Zeichen von Brot und Wein zu begegnen. Ihr „Gebet“ ist das von Jesus selbst gelehrte, das Vaterunser, aber auch die Gebete der Tradition des Judentums, die Psalmen. Wie Jesus sammeln sie sich in seinem Geist, im Heiligen Geist, um Gott nahe zu sein, ihn zu loben und zusammen sich zu erinnern. Schöpferisch wirkt die Glaubenskraft des Gottesgeistes im Zeugnis der Apostel, im Heilen und in den Zeichen. Dazu kommt die Rücksichtnahme auf jeden einzelnen, auf die Bedürfnisse und die geübte Anspruchslosigkeit: Jeder und jede Einzelne haben dazu beigetragen, dass keiner Not litt. „Einmütigkeit“ wird als weiteres Stichwort gegeben, dass also jene, die zur Gemeinde gehörten, danach gesucht haben, wohlwollend und mit Respekt und Verständnis füreinander da zu sein und das alles in der Freude und Einfalt des Herzens, also ohne Berechnung und Vorbehalt.
Was da so idealisiert in der Beschreibung der Apostelgeschichte klingt, ist das Ergebnis eines schöpferischen Umganges miteinander, der aus der Erfahrung des – wie ich es formulierte – Sprunges in die Leere, sprich des Sprunges in die Arme Gottes und seiner in der Auferstehung deutlich gewordenen neuen Schöpfung in Jesus Christus entstanden ist. Ich denke, wir müssen in unserem Umgang miteinander in der Kirche, wie auch in unserer Beziehung zu Gott durch die Botschaft der Auferstehung einen Perspektivwechsel vollziehen, wir müssen einen neuen Blick auf uns wie auch auf Gott finden. Der Priester und Dichter Andreas Knapp hat das in einem Gedicht so beschrieben:
kirche
viel zu menschlich geht es zu
doch gott selbst ist mensch geworden
o wunderbarer tausch
von oberhirten angeführt
doch er macht sich den schafen gleich
seht das lamm gottes
zerrissen und zerspalten
doch nur ein zerbrechen heilt
das geteilte brot
seht doch wie sie sich bekriegen
doch einer ist für alle gestorben
sie sind sein leib
skandale um skandale
doch nur einer ist rühmlich
der gekreuzigte gott
(Andreas Knapp, Tiefer als das Meer, Würzburg, 4.Aufl. 2012, S.60)
Ich bin sicher: Er, der Herr selbst, wird jene Menschen der Kirche, der Gemeinde der Christen hinzufügen, die er retten will. Und er bleibt bei uns bis zum Ende der Welt!
Ihnen eine gesegnete Osterzeit und bleiben Sie behütet! Ihr P. Guido
Messtexte zum 2. Sonntag der Osterzeit