Predigt zum 23. Sonntag im Jahreskreis – C – Weish 9,13-19 und Lk 14,25-35
Natürlich können wir das heutige Evangelium von uns weghalten. Wir brauchen seine Anweisungen nur an diejenigen weiterzureichen, die wir in der besonderen Nachfolge Jesu sehen, an Priester oder Ordensleute beispielsweise. Verzicht auf persönlichen Besitz, familiäre Bindungen hintanzustellen, das kommt doch eher denen zu!
Allerdings geht es hier nicht um besondere Berufungen, sondern um das Thema „Nachfolge für alle“. So hieß es im Text, dass „viele ihn begleiteten“ (vgl. Lk 14,25). An sie alle richtet Jesus sein Wort. Offensichtlich waren sie nicht nur angetan, von dem, was er sagte. Sie waren beeindruckt von seiner Rede. Jesus aber geht es nicht um Eindruck oder lockere Begleitung. Vielmehr möchte Jesus in der Tiefe des menschlichen Seins ankommen, in ihren Herzen also, denn dort – so haben wir es schon öfter festgestellt, dort beginnt die tatsächliche Veränderung und die Umkehr des Lebens hin zu Gott. Wie aber kann Jesus mit seiner Botschaft im Innersten des Menschen – dafür steht ja das Herz – so ankommen, dass die Hinwendung zu Gott und zum neuen Leben von Gott her nicht nur oberflächlich bleibt, sondern mit dem Herzen fest verknüpft und dauerhaft verankert sein kann? Um es mit einem Bild aus dem Alltag zu beschreiben: Die Verbindung der Botschaft Jesu mit dem Innersten des Menschen soll mehr sein als eine lockere Verbindung oder eine Art Zugabe, eine Emulsion, ein Salatdressing also oder eine Mayonnaise, die man als sicher schmackhafte Zugabe zum Salat oder einer anderen Speise gibt. Jesus möchte unmittelbar und elementar mit dem Herzen des Menschen verbunden sein. Deshalb gibt er sich selbst und sogar als Speise zum Leben. Er möchte mit uns und in uns einen Raum für Gottes Liebe öffnen. Wenn wir uns der Nähe und Liebe Gottes bewusstwerden, nur dann kann das menschliche Leben in das göttliche Leben verwandelt werden. Da ist eine Kosten-Nutzenrechnung wie sie die Bildworte vom Kreuztragen, vom Turmbau oder sogar vom Krieg führen nahelegen mehr als sinnvoll, auch wenn wir mit dem letzten Bild weniger anfangen können.
Jesus auf seinem Weg nachgehen und folgen…
Er, der Herr, befindet sich auf dem Weg nach Jerusalem. Sein Geschick wird sich dort vollenden. Er hat die familiären Bindungen aufgegeben und ist ohne Besitz. Es ist ihm das Wichtigste am Willen des Vaters festzuhalten. Er wird das Kreuz annehmen und tragen. Sein Weg führt in den Tod. Danach erst erschließt er selbst den Sinn seines Weges; denken wir an die Emmausjünger, denen der Auferstandene sagte: „Musste nicht der Messias all das erleiden und so in seine Herrlichkeit eingehen?“ (Lk 24,26). Jesus ist in seiner menschlichen Existenz für jene, die ihm nachfolgen wollen und tatsächlich nachfolgen ein Gleichnis, das Beispiel des Weges.
Das ist entscheidend: Zuerst ist da der Weg Jesu, er, der Leib und Leben aus Liebe loslässt, um auch für uns den Todesweg zum Lebensweg zu machen, zum Weg, der zum Vater im Himmel führt. Nur so geschieht Nachfolge wirklich: Wenn im Namen Jesu unser irdischer Weg bis zum Sterben und in den Tod zum Weg wird, der zu Gott führt. Jesus geht uns voraus.
In unserer Taufe wurden wir gleichsam untergetaucht in den Tod, oder wie es der Apostel Paulus sagt, wurden wir „auf seinen Tod getauft. Wir wurden mit ihm begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben“ (vgl. Röm 6, 3-4). Unser Lebens- und Glaubensweg will diese Wirklichkeit – mit ihm gestorben – zur greifbaren Realität unseres je eigenen Lebens werden lassen. Nur so wird der Tod die Türe zum Leben – zu einem Leben, das schon jetzt in der Liebe beginnt und durch das Sterben hindurch alle Vollendung finden wird.
Das Düstere der Nachfolgeworte Jesu wird hell, wenn uns klar wird, dass wir alles loslassen müssen, was uns an die Wirklichkeit der Vergänglichkeit bindet und so unser Herz besetzt: Das können Verwandte sein und Freunde, Familie und alles, was wir sind und haben. So betrachtet, rufen uns die Worte Jesu in die volle Wahrheit des Lebens, an der es keine Abstriche zu machen gilt. Diese Wahrheit macht uns frei und öffnet unser Innerstes, weil wir mit dem Herrn durch den Tod hindurch unterwegs sind. Noch einmal: Jesus spricht zu den Seinen auf dem Weg nach Jerusalem, das heißt auf seinem Weg durch den Tod in die Herrlichkeit. Und auf diesen Weg ruft er uns: In den Reichtum der Liebe beim Vater, in das ewige Fest der Freude und des Lebens. Er will mit uns das ganze Festmahl halten. Salatdressing allein ist zu wenig.
Natürlich hängen wir an Menschen, die uns vertraut sind und die wir lieben. Wir hängen auch am Schönen dieser Welt. Selbstverständlich suchen wir die Freude und nicht das Leid, halten wir am Leben fest und kämpfen in Krankheit und Not um dieses Leben! Die Frage ist allerdings, wie wir daran hängen. Hängen wir an den Menschen, den Dingen, am Leben wie an etwas Letztem und Absolutem, dann wird das unser ganzes Leben bestimmen und unser Denken und Fühlen und letztlich uns selbst fesseln. Dann steht der Tod, in dem wir alle und alles loszulassen haben, wie ein sinnloses Ende vor uns, wie ein WEG ins Nichts. Dann verlieren wir ALLES…
Jesu Ruf, die Familie, Besitz, ja sogar das eigene Leben gering zu achten und loszulassen, meint aber nicht, ihren Wert und vor allem den Geschenkcharakter zu verkennen. Vielmehr ist es als sagte uns Jesus: Traut Gott, meinem und unserem Vater, doch zu, dass er nicht nur diese Gaben für euch hat, sondern auch die letzte Gabe, auf die alles Vorausgehende schon hinweist. Denn „alles Vergängliche ist nur ein Gleichnis“, gleichsam wie ein Vorgeschmack auf das, was in der ewigen Lebensfülle auf uns wartet.
Jesus auf seinem Weg nachgehen und folgen…
Was heißt das dann anderes als: Wer mein Jünger, meine Jüngerin sein und werden will, wer also mit mir und damit mit Gott Gemeinschaft sucht, gewinnt im Glauben an meinen Gott und Vater die Gewissheit, dass durch den Tod hindurch die Heimat und die Gemeinschaft zu finden ist, nach der das Herz verlangt und unsere tiefste Sehnsucht brennt.
Seien Sie im Herrn gesegnet und behütet! Ihr P. Guido