Wein, der das Herz des Menschen erfreut
Predigt zum 2. Sonntag im Jahreskreis – C – Jes 62,1-5 und Joh 2,1-11
Nach dem großartigen Prolog, nach der Erzählung von der Taufe Jesu am Jordan und nach ersten Berufungen von Jüngern im ersten Kapitel seines Evangeliums finden wir gleich im zweiten Kapitel bei Johannes das erste große Zeichen Jesu, mit dem er, wie es der Evangelist sagt, „seine Herrlichkeit offenbart“ (vgl. Joh 2,11) und das bei einer Hochzeitsfeier. Die dauerte zur Zeit Jesu mindestens eine Woche und forderte, weil dazu in der Regel alle Bewohner eines Dorfes eingeladen waren, einen ziemlichen logistischen Aufwand. Welch eine Schande und Peinlichkeit, wenn dann schon am dritten Tag der Wein ausgeht! Nun, Jesus sorgt für Nachschub. Aus ca. sechshundert Litern Wasser wird bester Wein. Zumindest drückt der zuständige „Speisemeister“ sein Erstaunen über die hervorragende Qualität des Weines aus. Er weiß übrigens nicht, „woher“ der Wein kommt, und dieses „woher“ hat einen hintergründigen Sinn in der Sprache des Evangelisten. Bei ihm finden wir immer wieder die Frage, „woher Jesu Gabe und woher er selbst ist“ (Josef Blank, Das Evangelium nach Johannes, Düsseldorf 1981, Bd. 4, S.177-200). So sagt Jesus einmal zu den Pharisäern: „Ich weiß, woher ich gekommen bin und wohin ich gehe. Ihr aber wisst nicht, woher ich komme und wohin ich gehe“ (Joh 8,14). Mit diesem „woher“ sind wir direkt in der Mitte des johannäischen Denkens angekommen. Dem vierten Evangelisten geht es, in dem, was er erzählt, immer wieder darum, Gottes Handeln im Sein und Wirken Jesu hervorzuheben. Wir müssen also bei allem, was er von der Geschichte Jesu im Evangelium erzählt, bedenken: Jesus ist der vollendete und erhöhte Herr, der Gottes- und Menschensohn. Es ist Gott selbst, der da ist und handelt: „Wer mich sieht, sieht den, der mich gesandt hat“ (Joh 12,45), sagt Jesus. Also wird mit dem „woher“ das Geschenk und die Fülle des Weines bei dem Weinwunder kommt, direkt auf Gott hingewiesen: Zu den biblischen Visionen und Verheißungen von der vollendeten Heilszeit Gottes gehört die Fülle aller Lebensgüter, unter denen der „Wein, der das Herz des Menschen erfreut“, wie es im Psalm 104,15 heißt, nicht fehlen darf. Ebenso sagt der Prophet Jesaja von der Völkerwallfahrt zum Berg Zion, dass Gott dort am Ende der Tage ein opulentes Festmahl geben wird „mit den feinsten Speisen, ein Gelage mit erlesenen Weinen, mit den besten und feinsten Speisen, mit besten erlesenen Weinen“ (Jes 25,6). Wir sehen, dass das Weinwunder bei der Hochzeit zu Kana ein Zeichen der in Jesus beginnenden und vollendeten Zeit des Heiles von Gott her ist. So formuliert es Johannes in seinem Prolog, wenn er sagt: „Aus seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade“ (Joh 1,16). Jesus ist es, der diese Heilszeit bringt und an seine Gegenwart ist sie gebunden.
Damit wird die Brücke hin zu uns geschlagen. Bei Johannes heißt es: „…und seine Jünger glaubten an ihn“ (Joh 2,11). Was hier erzählt wird, ist also eine Einladung zum Glauben an Jesus, an ihn, den auferstandenen und allezeit unter uns wirkenden Herrn. So wird vom Kirchenvater Hieronymus (347-419) berichtet, dass ihn ein Spötter bei einer Schriftauslegung gefragt habe, ob denn die Hochzeitsgäste diese ungeheure Menge (immerhin waren es ja ca. 600 Liter) auch ausgetrunken hätten; nein, erwiderte ihm Hieronymus, wir trinken alle noch davon.
Und da ist noch etwas, das für die Gemeinde des Evangelisten Johannes und ebenso für uns ganz programmatisch unterstrichen wird: Die Rollenverteilung der handelnden Personen. Maria, die Mutter Jesu, bemerkt, dass der Wein ausgeht. Sie fordert die Diener auf: „Was er euch sagt, das tut!“ (Joh 2,5). Und wie so vieles beim Evangelisten Johannes hat auch diese Aufforderung einen besonderen Charakter. Denn es kommt eben darauf an, das zu tun, was Jesus sagt. Die Weisung der Gottesmutter so greift über die konkrete Situation hinaus und sagt uns, wie wir uns gegenüber Jesus verhalten sollen. Wer tut, was Jesus sagt, tut die Wahrheit, und „wer die Wahrheit tut, kommt zum Licht“ (Joh 3,21).
Mit Blick auf Jesus und unsere Möglichkeiten solchen Handelns hat der Aachener Pfarrer und Dichter Wilhelm Willms (1930-2002) aufgeschrieben:
solch ein Verwandlungskünstler
wie er hier in dieser geschichte
als frohe botschaft
von einer kommenden welt vorgestellt wird
müsste man sein
der sich und andere verwandeln kann
zu immer besserem wein
für die große Hochzeit der welt
auf die wir alle hoffen
vorläufig gilt:
was er euch sagt das tut
schöpfen schöpfen krüge füllen
mit dem was man hat
unsere tränen unsere sauren tage
unser bitteres
den essig von gestern
alles tun was man kann
und warten und hoffen
auf das wunder
und
'dem wunder leise die hand hinhalten
wie einem vogel'
(Wilhelm Willms, roter faden glück, Kevelaer 1988, Auszug aus 12.4)
Bleiben Sie gesegnet und behütet! Ihr P. Guido