Was wir geben, wird verwandelt
Predigt zum 19. Sonntag im Jahreskreis – B – 1 Kön 19,4-8; Eph 4,30-5,2 u. Joh 6,41-51
Das „Brot“ zu essen, das Jesus ist, bedeutet, mit dem Brot zum besonderen Zeichen, selbst zum Sakrament zu werden, gewandelt zu einem neuen Menschen, zu „Brot vom Himmel für die Welt“. Das war, wenn man so will, die Grundbotschaft der sogenannten „Brotrede“ Jesu aus dem Johannesevangelium, die heute ihre Fortsetzung findet. Johannes erzählt davon, dass da einige gegen Jesus murren, weil er sich selbst als das „Brot vom Himmel“ bezeichnet. Im Grunde sind sie nicht bereit, sich und ihren Weg des Glaubens durch Jesus und sein Wort in Frage stellen zu lassen. Sie wollen für sich keine Veränderung. Sie glauben, nicht nur Jesus zu kennen, sondern auch all das, was ihre Auslegung der Bibel sagt und übersehen dabei das Prophetenwort, dass „alle Schüler Gottes sein werden“ (vgl. Jes 54,13 u. Jer 31,33f u. Joh 6,45). Für uns bedeutet das, dass auch wir unter der Anleitung des Heiligen Geistes immer wieder neu zu lernen haben, wie wir aus der Nähe Gottes in Jesus leben können, wie er für uns Lebensbrot wird und wie wir es ebenso werden.
Lassen Sie mich dazu eine kleine Geschichte aus Indien erzählen.
„Ein Bettler ging von Tür zu Tür. Als er so bettelnd die Straße entlang zog, sah er in der Ferne, so als ob es ein Traum wäre, einen goldenen Wagen. Tatsächlich, der König des Landes saß darin. Hoffnung keimte im Bettler auf: Der König gab ganz bestimmt und ohne dass man ihn bat, reichlich Almosen, so dass sein Hunger endlich gestillt würde. Genau dort, wo der Bettler stand, hielt der goldene Wagen. Der König stieg aus. Schon dachte der Bettler, das Glück seines Lebens sei ganz nahe. Doch da streckte der König seine rechte Hand aus, hielt sie dem Bettler hin und sagte: Was hast du mir zu schenken?
Einen Augenblick stand der Bettler fassungslos da. Und dann kramte er in seinem Beutel, nahm ein kleines Reiskorn und gab es dem König.
Am Abend nun, als er seinen Beutel ausleerte, um zu sehen, was der Tag so gebracht hatte, war sein Erstaunen groß. Denn er fand zwischen all dem Erbettelten das kleine Reiskorn wieder, nur war es inzwischen zu Gold geworden. Und er weinte bitterlich, dass er nicht den Mut gefunden hatte, seinem König alles zu geben.“
Alles, was wir geben, wird zu Gold verwandelt! – Die bittere Erkenntnis des Bettlers aus unserer Geschichte, der eben nur ein einziges Reiskorn gegeben hat, lässt sich nahtlos auf die verwandelnde Kraft auf die Verbindung mit Gott in Jesus übertragen. Wenn wir auf Gott hin loslassen, was uns lebensnotwendig scheint, wenn wir uns wie Jesus selbst im Glauben der Liebe Gottes übergeben, dann wird die eigene Verwandlung „zum Brot für die Menschen“ nicht nur möglich; sie geschieht auf wunderbare Weise. Alles, was wir geben, wird zu Gold verwandelt! Und die Verwandlung reicht noch viel weiter!
Der Evangelist Johannes führt uns zu dieser Erkenntnis.
Dort, wo im Abendmahlssaal bei Markus, Matthäus und Lukas die Worte der Wandlung über Brot und Wein gesprochen werden, spricht Johannes von der Fußwaschung, vom Liebes-Dienst aneinander. Und - wir hörten davon heute im Evangelium - dort wo es um den umfassenden Hunger der Menschen geht, den des Leibes und den der Seele, begegnet uns Jesus als das Brot des Lebens. Beides gehört untrennbar zusammen: Abendmahl und Dienst am Mitmenschen -Brot des Lebens und Fußwaschung. Beides ist Jesus von Gott her: Diener der Menschen und Nahrung zum Leben. In beidem steckt die Kraft der Verwandlung. Wer aus Jesus lebt, der wird sich nicht scheuen, dem Mitmenschen zur Seite zu stehen und das geben, was zum Leben dient – sogar sich selbst. So wird man mit Jesus selbst zum „Brot des Lebens“.
Lothar Zenetti (1926-2019), der Priester, Theologe und Dichter, hat diesen Zusammenhang in einem Lied, das wir im kath. Gesangbuch „Gotteslob“ finden (GL 210), wunderbar ausgedrückt, wo er das Jesuswort vom Weizenkorn (vgl. Joh 12,24) aufgreift und in die folgenden Worte bringt:
1. Das Weizenkorn muss sterben, sonst bleibt es ja allen; der eine lebt vom andern, für sich kann keiner sein. Geheimnis des Glaubens, im Tod ist das Leben.
2. So gab der Herr sein Leben, verschenkte sich wie Brot. Wer dieses Brot genommen, verkündet seinen Tod. Geheimnis des Glaubens, im Tod ist das Leben.
3. Wer dies Geheimnis feiert, soll selber sein wie Brot; so lässt er sich verzehren von aller Menschennot. Geheimnis des Glaubens, im Tod ist das Leben.
4. Als Brot für viele Menschen hat uns der Herr erwählt; wir leben füreinander, und nur die Liebe zählt. Geheimnis des Glaubens, im Tod ist das Leben.
Schauen wir noch einmal auf die kleine Geschichte des Anfangs.
Es ist Gott, der einem jeden von uns als König die Hand hinhält und fragt: „Was hast Du mir zu geben?“ Was wir geben, wird verwandelt. Es wird kein Gold sein. Aber es liegt in unserer Entscheidung, ob unser Leben verwandelt wird.
Seien Sie gesegnet und bleiben Sie behütet!
Ihr P. Guido