Was ist Glück, was ist Freude?
Predigt zum 4. Sonntag im Jahreskreis – A – 1 Kor 1, 26-31 und Mt 5, 1-12a
Was ist Glück, was ist Freude? Eben davon reden die Seligpreisungen. Sie konkurrieren mit vielen anderen Empfehlungen für ein gelingendes Leben. Der griechische Philosoph Epikur (+ 271 v. Chr.) zum Beispiel hat auf hohem Niveau eine „Philosophie der Freude“ vertreten, von der er sagt: „Man kann nicht in Freude leben, ohne vernünftig, edel und gerecht zu sein.“ Wahre Glückseligkeit, so führt er aus, ist nicht durch grobe Sinnenlust sondern nur durch weise Abwägung des Genusses, durch Selbstbeherrschung, Tugend und Gerechtigkeit erreichbar. Ihre höchste Form ist die unerschütterliche Seelenruhe.
Zahlreiche Beiträge in den Medien bieten weniger anspruchsvolle Wege zu einem glücklichen Leben an - von alledem, was die Werbung so anpreist, bis hin etwa zu Empfehlungen, sein Leben zu meistern durch „Wellness und Entspannung“ oder ebenso „schonend abzunehmen“ durch entsprechende Diät, um ein beglückendes Körpergefühl und damit Glück zu erreichen.
Mit den Seligpreisungen sagt Jesus auf seine Weise: „Gott versteht eure Sehnsucht nach Glück. Er will nicht, dass euer Leben freudlos ist.“ Von Gott her gibt Jesus seine „Lebenskunst“ weiter. Zu Anfang heißt es da: Jesus „steigt auf einen Berg, setzt sich, beginnt zu reden und lehrt“ (vgl. Mt 5, 1); und dann spricht er sein achtmaliges „Selig...“. Wir spüren etwas von der Feierlichkeit, mit der er vom Berg aus – recht verstanden also „von oben“ aus Gottes Nähe – seine Ansicht für ein gelingendes Leben verkündet.
Wer die Seligpreisungen auf sich wirken lässt, spürt den grundlegenden Unterschied zu vielen anderen gut gemeinten Lebenshilfen. Für Jesus ist völlig klar: Glück findet der Mensch niemals ohne Gott. Diese seine Erfahrung legt er besonders seinen Jüngern ans Herz, aber auch den vielen Menschen, die ihm folgen und die ihm zuhören. Für ihn ist es nicht vorstellbar, dass die großen Fragen wie Herrschaft und Macht, Krankheit und Einsamkeit, Angst und Tod jemals ohne Gott gelöst werden könnten. Zum Glück gehört seinem Wesen nach, dass das menschliche Herz mit dem Herzen Gottes im Einklang ist. Das kommt besonders in der Seligpreisung zum Ausdruck: „Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen“ (Mt 5, 8).
An Bemühungen, menschliches Glück ganz ohne Gott zu definieren, fehlt es nicht. Das wissen wir. Hunger und Armut überwinden, Ungerechtigkeit und Gewalt beenden, zu sich selbst finden durch entsprechende Techniken - das alles und vieles mehr scheint ohne Gott möglich zu sein. Dese Ansicht vertreten viele, die sich völlig auf die rein menschliche – wie sie sagen „humanistische – Perspektive verlassen. Trotzdem frage ich: Wohin aber führt es, menschliches Glück zu beschreiben, wenn Gott außen vor bleibt? Nun, dann muss ich, das ist die logische Konsequenz, eben ohne Gott das Leben gestalten und bin alleine für mein Glück verantwortlich. Viele sehen es ja auch so, dass Gott allenfalls als eine Art Lückenbüßer angesehen werden kann, für das, was Menschen nicht oder noch nicht aus eigener Kraft können. Für Jesus aber ist Gott und sein „Himmelreich“, wie Matthäus das „Reich Gottes“ benennt, der allein tragende Grund allen Glücks. Das, so sagen die vorher erwähnten, ist doch nur eine Vertröstung. Stimmt das?
Das „Himmelreich“, das Jesus den „Armen und Trauernden, den Barmherzigen und Friedensstiftern“ zuspricht, denen, „die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit“, meint allerdings gerade nicht die ferne Zukunft. Es ist keine „Vertröstung“ sondern „ist“ schon das Glück. Armut, Trauer, Verfolgung sind faktisch keine erstrebenswerten Ziele und haben auch an und in sich keinen Wert. Also kommt das „Himmelreich“ nicht erst dann, wenn Armut und Trauer überwunden, Barmherzigkeit und Frieden erreicht und Verfolgungen zu Ende wären. Jetzt schon, inmitten ihrer Armut und Ohnmacht sind die Jünger selig zu preisen, weil ihnen Gott zur Seite steht. Deshalb spricht ihnen Jesus das Glück zu. Er vertröstet nicht auf später, er tröstet jetzt. Jetzt bist du selig zu preisen, jetzt, wo du Armut und Ohnmacht, auf die eine oder andere Weise erfährst bist du in Gottes Nähe und Liebe. Das gehört zu unserem Mensch- und Geschöpf-Sein.
Die Lebenskunst, die Jesus lehrt, hat darin ihre eigene Logik. Es sieht so aus, als sei sie eher töricht als vernünftig. So schreibt Paulus den Korinthern: „Unter euch sind nicht viele Weise im irdischen Sinn, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme, sondern das Törichte in der Welt hat Gott erwählt, um die Weisen zuschanden zu machen. Und das Niedrige in der Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts ist, um das, was etwas ist, zu vernichten...“ (vgl. 1 Kor 1,26 f).Jene, die Jesus „selig“ preist, zählen zu den „Niedrigen, die Gott erwählt, um die Weisen im irdischen Sinn zu beschämen“ (vgl. 1 Kor 1, 27-29). Ihr Glück besteht eben darin, dass Gott die üblicherweise geltenden Maßstäbe auf den Kopf stellt. Den Törichten, den Schwachen und den Niedrigen und nicht den Mächtigen und Vornehmen ist Gott besonders nahe. An ihnen will er zeigen, worin das wahre Glück zu finden ist: Eben in der Nähe Gottes, in seinem Trost der Liebe, die er maßlos schenkt. Die Jünger, die das „begreifen“, sind „selig“ zu preisen, weil sie alles Glück jetzt und im Hier und Heute von Gott erwarten. Paulus nennt sie Menschen, die „in Jesus Christus“ sind (1 Kor 1, 30). Matthäus sieht es auch so. Für ihn beginnt in Jesus Christus das „Glück des Himmelreiches“ im Hier und Jetzt mitten in einer zerbrochenen und vergehenden Welt, die von Gott durch seine Liebe mit dem Menschen vollendet wird.
Die Seligpreisungen bilden so etwas wie einen besonderen Zugang, sagen wir wie das Portal zur Bergpredigt. Nur wer es durchschreitet, wer also die Frage nach dem Glück gläubig und in Gottvertrauen mit der Frage nach Gott verbindet, kann die Bergpredigt mit all ihren Zumutungen verstehen, die jede menschliche Anmaßung in Frage stellen. Nur wer etwas vom Glück der Nähe Gottes erfährt, ist ja bereit, nach dem Anspruch der Bergpredigt zu leben, es wenigstens damit zu versuchen. Das ist der Schlüssel zum Glück. Das ist die „Lebenskunst“ Jesu oder - wenn wir so wollen - die christliche Philosophie der inwendigen Freude.
Ich wünsche Ihnen diese Freude. Seien Sie gesegnet und behütet! Ihr P. Guido