
Grüß Gott!
Bei uns in der Diözese Limburg wird an diesem Sonntag zwar ein Hirtenwort unseres Bischofs vorgelesen. Aber ich dachte, es könnte doch sinnvoll sein, einige Gedanken zum Evangelium miteinander zu teilen.
Ich wünsche eine gesegnete Österliche Bußzeit und die Gnade des mitgehenden Herrn!
LG
P. Guido
Predigt zum 1. Fastensonntag – A – Röm 5,12.17-19 und Mt 4,1-11
Vierzig Tage liegen mit der Österlichen Bußzeit, der Fastenzeit, vor uns. Eine Zeit der Vergewisserung, der Klärung unseres Christseins bis hin zum größten Fest unseres Glaubens, dem Osterfest. Das Evangelium erzählt von Jesus auch von einer solchen Zeit der Klärung, der Vergewisserung seines Weges. Wie es der Evangelist Matthäus erzählt, hörten wir eben.
Das hört sich allerdings eigenartig an: da spricht der leibhaftige „Teufel“ wie ein Mensch mit Jesus; er heißt ihn, „Steine in Brot zu verwandeln“, um seinen Hunger zu stillen; dann stellt er Jesus „oben auf den Tempel, von wo er sich hinabstürzen möge“, und führt ihn schließlich „auf einen sehr hohen Berg, um ihm alle Reiche der Welt mit ihrer Pracht“ zu zeigen.
Es ist, wie wir richtig vermuten, kein Bericht, nicht das Protokoll eines äußerlich wahrnehmbaren Geschehens. Vielmehr geht es in dieser Erzählung um ein „inneres Geschehen“, das sichtbar gemacht wird. Der Evangelist Matthäus will zeigen, wozu der „Sohn Gottes als Mensch“ seine gottgegebene Vollmacht nicht gebraucht oder wozu sie ihm nicht zukommt. Er zeigt damit, welcher Art dieser „Sohn Gottes“ ist und wie er „die Gerechtigkeit ganz erfüllt“ (vgl. Joh 3,15).
Was Matthäus erzählt, stellt eine Auseinandersetzung in Jesu eigenem Inneren dar. Der „Geist Gottes“, der bei der Taufe auf ihn herabgekommen ist, „führt ihn“ gleich danach „in die Wüste, wo er vom Teufel versucht werden sollte“ (Mt 5,1), heißt es. Und das meint, er sollte sich ohne Ablenkung in der Einsamkeit der Wüste mit Gott darüber klar werden, was seine Sendung ist. Dabei geht es um ein Grundmuster menschlicher Versuchungen, wie wir sehen werden, in denen jeder und jede von uns sich wiederfinden kann. Trotzdem dürfen wir das Gesagte nicht verallgemeinern, da es sich um Jesus, den Sohn Gottes und seine Sendung handelt. „Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl..., so stürz dich hinab“, legt Matthäus dem Versucher in den Mund.
Jesus muss sich mit Bildern auseinandersetzen, die in seinem Inneren aufsteigen und sich als verlockende Visionen aufdrängen. Drei Bilder sind es, die der personifizierte „Versucher, Teufel oder Satan“, wie er abwechselnd genannt wird, ihm vor Augen stellt. Wir könnten auch von drei Rollen sprechen, die er in seinem Leben übernehmen könnte.
Da ist zunächst das Bild vom großen Ernährer der Menschheit („… befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird!“ - Mt 5,3). Das bedeutet: Wer mit einem Schlag alle Hungrigen sättigen kann, führt das goldene Zeitalter herauf, und schafft allenthalben Wohlstand, Glück und Zufriedenheit. Die Menschen würden ihn als Wohltäter verehren. Sie würden ihm ergeben sein wie zufriedene und dankbare Kinder.
Nun, Jesus geht darauf nicht ein, weil er weiß, dass satte Menschen noch keine freien Menschen sind. Deshalb beschwört der Versucher ein zweites Bild herauf, bietet ihm eine zweite Rolle an - nämlich die des religiösen Showmasters, der die Massen durch sensationelle Wunderdarbietungen begeistert („… stürz dich da hinab, und lass dich von den Engeln auffangen und unversehrt absetzen!“ - Mt 5,5f). Nun, wer seine Auserwählung durch Gott auf solche Weise demonstrieren kann, braucht nicht um Glauben zu werben. Die Leute würden ihm ganz von selbst zuströmen. Jesus aber, der viel zu groß von Gott und seinen Mitmenschen denkt, ist sich bewusst, dass der Weg, auf dem die Menschen zum Heil finden, nichts von einer Wunderschau an sich hat. So sagt er auch zu dieser Vision sein entschiedenes Nein.
Da zaubert der Satan ein drittes Bild vor Jesu inneres Auge: Das der Macht („… verschreib dich mir, dem Dämon aller Macht, und alle Reiche der Welt gehören dir!“- Mt 5,8f). Auch das eine ganz reale Versuchung: Im jüdischen Volk gab es Vorstellungen von einem Messias-König, der die einstige politische Größe Israels wieder herstellen würde. Vielleicht wäre die Zeit jetzt reif, um ein von Gott getragenes Großreich zu begründen, dem sich alle Völker anschließen würden. Aber Jesus lehnt wieder ab: Sein Königtum ist ganz anders und „sein Reich ist nicht von dieser Welt“ (vgl. Joh 18,36).
Jesus vollbringt sein prophetisches Werk in Gehorsam gegenüber Gott, um „die Gerechtigkeit ganz zu erfüllen“, und überlässt alles andere in Gelassenheit der Führung Gottes. So wird er auch den Weg nach Jerusalem in den Kreuzestod gehen mit keiner anderen „Macht“ als mit der Hoffnung und dem Glauben, dass Gott ihn aus dem Tod erretten wird. Das und nichts anderes ist der Weg des Glaubens und der Liebe. Keine falschen Versprechungen, keine Show und keine Macht. Nur die helfende Hand, das Wort und die Tat, die Ohnmacht der Liebe. Das ist der Weg Jesu. So hat sich Jesus den Blick auf Gott und seine Sendung nicht verstellen lassen. Gott ist ganz anders in seiner Liebe.
In seinem „Stundenbuch“ lässt der Dichter Rainer Maria Rilke einen Mönch zu Gott beten:
Wir dürfen dich nicht eigenmächtig malen, (...).
Wir holen aus den alten Farbenschalen
die gleichen Striche und die gleichen Strahlen, (...).
Wir bauen Bilder vor dir auf wie Wände;
so dass schon tausend Mauern um dich stehn.
Denn dich verhüllen unsre frommen Hände,
sooft dich unsre Herzen offen sehn.
Jesus lehnt die Werke der „frommen Hände“ ab. Er will keine geschönten, eingängigen Gottesbilder und auch kein irreführendes Handeln. Er entscheidet sich für seinen Weg, der schwerer ist als der vom Versucher vorgeschlagene. Auf diesem Weg gibt es keine billige und effektheischende Wunscherfüllung. Auf ihm gibt es nur Wahrheit; jene unbequeme Wahrheit, die allein frei macht, wie es das Johannesevangelium sagt (vgl. Joh 8,32). Die Wahrheit der hingebenden Liebe Gottes.
Der Weg Jesu ist auch unser Weg.
Seien Sie gesegnet und behütet auf dem Weg des Glaubens. Ihr P. Guido