Predigt zum 24. Sonntag im Jahreskreis – C – 1 Tim 1,12-17 und Lk 15,1-10 (Kurzfassung)
Der Jesuit und geistliche Lehrer Anthony de Mello erzählt in einem seiner vielen Bücher von einem Gespräch mit einem Alkoholkranken: „Du bist also zu Christus bekehrt worden?" „Ja." „Dann musst du eigentlich gut über ihn Bescheid wissen. Sag mir: In welchem Land wurde er geboren?" „Das weiß ich nicht." „Wie alt war er, als er starb?" „Das weiß ich nicht." „Wie viele Predigten hat er gehalten?" „Das weiß ich nicht." „Du weißt aber wirklich sehr wenig für jemand, der behauptet, zu Christus bekehrt worden zu sein!" „Du hast Recht. Ich schäme mich, so wenig von ihm zu wissen. Aber so viel weiß ich: Noch vor drei Jahren war ich Alkoholiker. Ich hatte Schulden. Meine Familie brach auseinander. Meine Frau und meine Kinder fürchteten sich jeden Abend vor meiner Heimkehr. Aber jetzt habe ich mit dem Trinken aufgehört; wir haben keine Schulden mehr; wir sind eine glückliche Familie. Meine Kinder erwarten mich ungeduldig jeden Abend. Das alles hat Christus für mich getan. Ich glaube an seine Liebe und Hilfe! So viel weiß ich von Christus!"
So viel weiß ich von Christus… Was sich in der Erzählung des trockenen Alkoholikers ausdrückt, ist das tiefe Wissen über eine heilende Beziehung mit Jesus Christus. Offensichtlich war dieser Mensch ein Verlorener. Mit Christus, mit dem Gottes- und Menschensohn, hat er sich und seine Familie, sein Leben wiedergefunden. Dabei erzählt er nicht, wie das geschehen ist. Die Bekehrung durch Christus war es, sagt er. Jesus, so beschreibt Lukas Jesus, ist ein Sucher und Finder und er ist ein Gleichnis für Gottes Suchen und Finden. Da finden wir die Verbindung zur Geschichte des bekehrten Alkoholikers und ebenso zum Evangelium von heute. Schauen wir auf das Evangelium: Eigentlich sind es nicht nur die eben gehörten zwei Texte, die Geschichte des verlorenen Schafs oder der verlorenen Münze. Dazu gehört auch die Geschichte vom verlorenen Sohn (Lk 15,11-32). Jedes dieser von Lukas erzählten Gleichnisse – im Evangelium des Matthäus wird nur das Gleichnis vom verlorenen Schaf, das allerdings unter dem Blick auf die Sorge der Gemeinde aufgeführt (vgl. Mt 18,12-14) – zeigt einen anderen Blickwinkel und damit die Deutung einer Sichtweise, die den Blick auf Jesus und von ihm hin auf Gott, auf den liebenden Vater im Himmel lenkt. Es ist erstaunlich, was da zu entdecken ist! Im Gleichnis vom verlorenen Sohn lassen sich gleich mehrere wichtige Lebensthemen finden, die ich nur kurz nenne, sind sie doch auch unsere Themen: Die Sehnsucht des jungen Menschen nach Freiheit und Eigenständigkeit führt dazu, dass er, der weggeht, seine Wurzeln, seine Herkunft, seine Beziehungen, ja, sich selbst verliert. Am Ende stehen der Hunger und die Schweine, aber auch die Einsicht etwas Wichtiges verloren zu haben. Da ist der ältere Bruder, der zu Hause bleibt, dem aber über seine angebliche Dienstfertigkeit, seine Treue und angepasste Ehrerbietigkeit dem Vater gegenüber, die Lebendigkeit und seine Hoffnung verlorengeht. Und da ist die wunderbare Vergebungsbereitschaft, die Liebe des Vaters, die unerwartet gefunden wird. Verdeckt in dieser Geschichte zudem der Hinweis, wer wegläuft, muss auch bereit sein, umzukehren und um Verzeihung zu bitten. Ganz ähnlich in der Erzählung vom verlorenen Schaf. Auch hier der versteckte Hinweis: „So ein dummes Schaf! Einem so guten Hirten läuft man doch nicht weg und nimmt in Kauf, dass die anderen in Gefahr kommen!“
Aber nichtsdestotrotz: Der Hirte nimmt vieles Schwierige und auch für ihn Bedrohliche in Kauf, um das eine verlorene Schaf wiederzufinden. Das Gleichnis mit der Drachme lenkt unser Augenmerk in eine andere Richtung. Geldstücke laufen nicht fort wie Schafe. In der Geschichte ist kein Vorwurf an irgendjemanden. Jeder hat schon mal etwas aus den Augen verloren. So kann es auch mit dem Glauben und auch mit Gott geschehen. Dieses Gleichnis geht weiter als die anderen. Es ist – so empfinde ich es – wunderbar, Gott – im Bild der Hausfrau, die einen großen Hausputz unternimmt, auch wenn damals das Haus nur aus einem großen Raum mit lehmgestampftem Fußboden bestand, –, Gott, der nicht nur barmherzig verzeiht, sondern, der wie die Hausfrau, alles auf den Kopf stellt, Licht und Besen benutzt, um das Verlorene zu finden. Das bedeutet doch: Selbst dort, wo niemand aufsteht und umkehrt, dort wo niemand sich nach Gott sehnt, selbst dort macht Gott sich auf und sucht nach dem Menschen. Das ist die wunderbare Botschaft Jesu, denn er ist es, der an der Stelle Gottes handelt. ER sucht uns, dich und mich! Gottes Liebe, die in Jesus ist, treibt ihn an, den Menschen zu suchen, weil der Mensch unendlich wertvoll und wichtig ist. Weil Gott den Menschen liebt!
Kann ich diese Botschaft ernstnehmen? Können wir das an uns heranlassen, in unser Herz lassen, in unser Innerstes? Gott wartet nicht, bis es mir einfällt, vielleicht aufzustehen und ihn zu suchen. Er hat schon längst damit begonnen…
Früher, in Kindertagen, war es ein Spiel, das Verstecken: Sich auf die Suche machen und finden, sich verstecken und finden lassen. Heute ist es manchmal verdrehte und dunkle, bedrohliche Gegenwart: Da duckt man sich weg und bleibt im Versteck und geht sich selbst verloren. Doch Gott sucht mit brennendem Herzen und sucht und sucht und findet und löst die Fesseln der Dunkelheit und mit ihm freut sich der ganze Himmel.
Wie wäre es: Beginnen wir damit, uns darauf zu freuen, dass Gott uns, dich und mich sucht, weil er die Liebe ist. Und gefunden dürfen wir ebenso voll Freude davon erzählen, wie es der trockene Alkoholiker getan hat: Das alles hat er für mich getan. Ich glaube an seine Liebe und Hilfe. So viel weiß ich von ihm. – Darüber freut sich der Himmel!
Seien Sie in der Liebe Gottes gesegnet und behütet! Ihr P. Guido