Predigtgedanken zu Weihnachten 2020
Was für ein Jahr!
Niemand von uns hat sich Anfang des Jahres 2020 ausmalen können, was das Corona-Virus alles verändern würde. Weltweit wurde das Leben nicht nur durcheinandergebracht, sondern immer wieder auch zum Stillstand.
Können Sie sich noch daran erinnern, wann Sie das letzte Mal jemandem die Hand geschüttelt oder jemanden in den Arm genommen haben?
Viel von unserer sonstigen Leichtigkeit… unserer Unbeschwertheit und Freude ist in den Hintergrund gerückt. Jeder Kontakt mit einem anderen Menschen birgt ein potentielles Ansteckungsrisiko.
Täglich geistern in den Medien und in unseren Köpfen die neuen Wörter der Pandemie herum: Home-Office… Mindestabstand… Mund-/Nasen-schutz… Lockdown… Inzidenzzahlen… Systemrelevanz…
Das Virus schädigt nicht nur unsere Gesundheit – es greift auch nach unse-rer Seele… macht uns ängstlich… mürbe… einsam. Unser inneres Aku signalisiert: Bitte aufladen!
Und in diesem Zustand sollen wir jetzt Weihnachten feiern?
Ich erinnere mich an den emotional aufgeladenen Satz Anfang der Adventszeit in der Presse: „Wir müssen Weihnachten retten!“
Wir müssen Weihnachten retten?
Ist es nicht eigentlich genau anders herum?
Ist es nicht so, dass Weihnachten uns retten will?
Die biblische Weihnachtserzählung berichtet von einfachen Menschen auf dem Weg zum Stall … oft von der harten Arbeit und den Herausforderun-gen des Lebens gezeichnet. Müde Gestalten… hungrig nach etwas Zuwen-dung und Liebe. Es waren eben nicht alles Könige in Gold und Purpur, sondern vielmehr Menschen voller Sehnsucht nach einem Leben in Fülle und Er-Füllung. Ihre Geschenke an das neugeborene Gotteskind waren Tränen… Schmerzen… Erschöpfung… Einsamkeit… Angst und viele Fragen.
Auch unser Weg zur Krippe ist 2020 nicht so unbeschwert und hoffnungs-froh, und der äußerliche Lichterglanz überall passt so gar nicht zu unserer inneren Befindlichkeit.
Und so können wir uns getrost in die Reihe der Hirten damals einreihen: beladen mit einem Jahr, das uns bis zum Anschlag gefordert hat. Mühselig… innerlich zerlumpt und müde von all den vielen Einschränkungen und Kontaktverboten machen wir uns auf den Weg zur Krippe. Die Sehnsucht nach etwas, das uns jetzt wirklich Halt gibt, treibt uns an und lenkt unsere Herzen zu diesem neugeborenen Kind im Stall.
Nicht wir retten Weihnachten – Weihnachten rettet uns!
Und so kommen wir im Stall des Lebens in Kontakt mit Jesus Christus, in dem Gott ein Mensch wird.
Kontakt in kontaktarmer Zeit…
Göttlicher Kontakt mit beziehungshungrigen Seelen…
Das Wort „Kontakt“ kommt vom lateinischen Wort „tangere“ = berühren oder angesteckt werden.
Gott nimmt Kontakt mit uns auf. ER geht auf Tuchfühlung in einer Weise, die uns gut tun und Heilung für unsere wundgeriebenen Seelen geben soll.
Gottes Kontakt ist nicht von oben verordnet, sondern liegt klein und neu geboren in einem einfachen Stall.
Es berührt uns, dass Gott sich so klein macht, damit wir IHM in diesem Kind auf Augenhöhe begegnen können. ER macht sich berührbar und verwundbar… wird EINER von uns.
Sein ganzes Leben bis in den Tod bleibt Jesus… der Sohn Gottes… der Messias… der Heiland… der Retter der Welt berührbar mit Leib und Seele… mit Verstand und Empfindungen. IHN lässt das Leid der Menschen nicht kalt – auch unsere derzeitige Not und Angst nicht!
Solche Empathie und solches Engagement bergen wohl zu allen Zeiten ein tödliches Risiko. Aber es ist genau diese Kontaktfähigkeit Jesu, in der Gott zeigt, wie ER ist und als wer ER geglaubt werden will:
Ich bin der Ich-bin-da!
Ich bin für Euch und für Dich da!
In unzähligen Krippendarstellungen finden wir in der Krippe ein Jesus-Kind, das seine Arme ausstreckt nach dem Menschen, der es betrachtet.
„Komm in meine Arme!“, heißt das alte Spiel zwischen Eltern und Kind, wenn es darum geht, die ersten mutigen und vertrauenden eigenen Schrit-te zu gehen.
„Komm in meine Arme“ ist an Weihnachten die Einladung Gottes, sich zu erheben aus aller inneren Dunkelheit und Gefangenschaft und sich umar-men zu lassen von der Liebe Gottes:
- Ein tiefes Aufatmen in Geborgenheit
- Ein paar mutige Schritte ins Leben
- Ein Blick in die Weite
- Die Zuversicht, dass das Leben weitergehen wird und trotz aller Erschütterungen einen tiefen Sinn hat
- Und die vergewissernde Ahnung, dass wir für Gott alle system-relevant sind.
In Gottes Liebe zu uns Menschen haben wir alle einen relevanten und niemals austauschbaren Platz. Wir sind alle systemrelevant, weil wir als Kontaktpersonen der Liebe Gottes ansteckend sein dürfen und einander zum Segen werden können.
In diesem Sinne verstanden, bleibt es für mich dabei:
Nicht wir retten Weihnachten,
sondern Weihnachten rettet uns.
Amen.
Doris Nolden
Gemeindereferentin
Ich steh an Deiner Krippe, Herr.
Müde und ausgebrannt bin ich
von dem langen Weg
durch Fragen, Angst und Zweifel.
Das Erschrecken
über die Zerbrechlichkeit dieser Welt
liegt als schwere Bürde
auf meiner Seele.
Habe mich hinter Masken versteckt,
mit vielen Einschränkungen gelebt,
Abstände und Kontaktarmut gespürt,
bin über mich selber gestolpert.
Die Sehnsucht nach unbeschwertem Leben
klopft an mein müdes Herz.
Wo sind die Freunde?
Wo ist das fröhliche Lachen?
Wo die Vorfreude auf das Abenteuer Leben?
Ich steh an Deiner Krippe, Herr.
Angezogen von dem zarten Licht,
das mir entgegeneilt,
trete ich aus meinem Dunkel.
Verwundet und erschöpft
finde ich mich in der Arm- Seligkeit
eines Stalles wieder
und spüre eine unendliche Liebe.
Wie ein Mantel legt sie sich
um meine zerlumpte Seele,
gibt mir Wärme und Geborgenheit.
Fast lautlos
seufzt meine Seele:
„Frieden“.
Doris Nolden
Dezember 2020