Predigt zum Fest Christkönig – C – 2 Sam 5, 1-3 u. Lk 23, 35b-43
In der letzten Ausgabe des Gebet- und Gesangbuches „Gotteslob“ (1975) stand ein Lied (Nr. 623), dessen Text von Lothar Zenetti stammt. In Ihm hieß es:
- Worauf sollen wir hören, sag uns, worauf? So viele Geräusche, welches ist wichtig? So viele Beweise, welcher ist richtig? So viele Reden! Ein Wort ist wahr.
Wohin sollen wir gehen, sag uns wohin? So viele Termine, welcher ist wichtig? So viele Parolen, welche ist richtig? So viele Straßen! Ein Weg ist wahr.
Wofür sollen wir leben, sag uns wofür? So viele Gedanken, welcher ist wichtig? So viele Programme, welches ist richtig? So viele Fragen! Die Liebe zählt.
Das Lied spricht von Orientierung. Die braucht man, um sein Leben einigermaßen im Griff zu haben und vernünftig und gelingend zu gestalten. Werte geben Orientierung. Vor allem aber andere Menschen. Besonders solche, die Vorbildcharakter haben oder denen wir Vorbildcharakter zuschreiben. Heutzutage hat man allerdings den Eindruck, dass nicht nur Werte umstritten sind und je nach Gustos, will sagen nach ideologischer, kultureller oder politischer Ideologie passend definiert werden. Echte Vorbilder für ein wirklich umfassend gelingendes Leben findet man nur mit Mühe. Idole, Stars oder solche, die laut und medial genug auf sich aufmerksam machen, sind leichter zu finden. Ebenso Autokraten, Populisten oder Diktatoren, die sich mit Macht und Spiegeleien aufspielen und Menschen und ganze Gesellschaften verderben, wobei wir immer wieder schrecklich erfahren, dass ihr Auftreten absolut kein Spiel ist, sondern brutale Wirklichkeit. Aber Menschen, die durch ihr Leben eine menschliche und vernünftige Zielperspektive vermitteln, an der man sich für den eigenen Lebensentwurf orientieren kann, sind selten. Was für den Einzelnen gilt, hat ebenso Bedeutung auch für Gemeinschaften, für Gruppen, für Betriebe, für ganze Gemeinwesen.
Für uns als Christen, für uns als Kirche, ist eine klare Zielorientierung in Jesus Christus gegeben, in seinem Wort und in seiner Person. Dabei hat die Theologie und die Praxis des Glaubens zu jeder Zeit der Kirchengeschichte aus dem, was die Heilige Schrift als Bild Jesu Christi vermittelt hat, entsprechend der Notwendigkeiten und Anforderungen der Zeit und der Menschen immer wieder spezielle Perspektiven entwickelt: So war es in der jungen Kirche besonders der gute Hirte, später dann der in inniger Beziehung mit dem Vater und dem Hl. Geist wirkende Gott-Mensch, wie es die Glaubensbekenntnisse u. frühe Konzilien aufzeigen, wieder später der thronende Herrscher analog zur sich entwickelnden weltlichen Struktur der Fürsten, Könige und Kaiser, dann im Spätmittelalter der leidende Gekreuzigte angesichts von Seuchen und verheerenden Kriegen und dann der triumphierende Auferstandene von dem die barocken Kirchenbauten erzählen, die den Menschen der Aufklärung einen neuen Blick auf den Himmel vermitteln wollten… gerade in der christlichen Kunst sind diese Sichtweisen konkret geworden…
Nach dem ersten Weltkrieg als die Monarchien in Europa verschwanden und in der politischen und gesellschaftlichen Verwirrung jener Zeit, war es das neu entdeckte Christus König-Bild, das Orientierung geben sollte. Nur wenige Jahre nach seiner Einführung wurde dieses Bild und das damit verbundene Fest zum Bekenntnis zu dem einen König Jesus Christus angesichts von aufbrechenden ideologischen Diktaturen, die einen neuen Menschen schaffen wollten und deren Führer sich wie Götter aufführten oder sich von der Vorsehung auserwählt sahen, der Welt das „Heil“ zu bringen.
Es ist ein sperriges Bild, dieses Bild vom Christus-König; denn dieses Bild vom König auf dem Kreuzesthron steht absolut gegen jede politische Ideologie wie auch gegen die Medien- und Konsumwelt unserer Zeit. Es ist ein Bild, das herausfordert in der Frage, wie dieser Christus uns heute Orientierung geben kann.
Der Abschnitt aus dem Lukasevangelium in der Liturgie dieses Festes will uns dabei helfen:
Jesus, ans Kreuz genagelt und von lauter Spöttern umgeben, schweigt zu all dem Spott, der ihm entgegenschlägt. Nur einmal spricht er – hoheitsvoll – zu dem einen mitgekreuzigten Verbrecher, der sich, seine eigene Schuld bekennend und bittend an ihn wendet, und das in der Stunde, da Jesu Machtlosigkeit absolut sichtbar ist. Und der Schächer glaubt dennoch an ihn als Messias. Ihm sagt Jesus das Heil und das Leben zu: „Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein!“
Die Szene beschreibt analog zu unserem Lied vom Anfang mögliche Zugänge zum König auf dem Kreuzesthron:
- Alle, die sich in ihrem Vorurteil bestätigt sehen, die immer schon wussten oder allen anderen beweisen wollten, dass dieser Jesus kein Messias, kein Auserwählter Gottes ist, sie alle finden ihre Meinung bestätigt: Jesus kann nicht vom Kreuz steigen. Er hilft sich nicht selbst. JESUS ÜBERLÄSST SICH GOTT! – Deutlich wird die absolut klare liebende Beziehung zum Vater! Dieses Wort ist wahr, denn Jesus ist das WORT!
- Auch jene können sich bestätigt sehen, die schon bisher nicht an seine Botschaft glauben konnten und wollten, dass im Kommen Jesu, in seinem Leben schon heute Gott in diese Welt eingetreten ist. Sie haben ihn angenagelt. Sie würden sich auch nicht überzeugen lassen, wenn Jesus jetzt noch vom Kreuz herabstiege. GOTT HANDELT ANDERS! – Sein Weg der Liebe und des Vertrauens führt durch den Tod in die endgültige Lebensgemeinschaft mit IHM. Dieser Weg ist wahr, denn Jesus ist der WEG!
- Jesus schweigt. Das einzige Wort, das er spricht, ist das der vergebenden Liebe: „Heute noch…“ Die Menge grölt und spottet. Gottes Allmacht findet nach seinem Willen am verhärteten Herzen der Menschen eine Grenze. NUR DAS LIEBENDE HERZ BEGREIFT DIE LIEBE! – Die Solidarität der Liebe zählt, denn Jesus ist die menschgewordene LIEBE Gottes!
Der König auf dem Kreuzesthron gibt wirklich Orientierung. In ihm zeigt sich ein Lebensprogramm, das trägt und sich als tragfähig erweist sogar in Leid und Tod. Wer sich am Wort Gottes, an Jesus orientiert, wer auf die Liebe Gottes vertraut, wie es Jesus getan hat und wer in der Solidarität der Liebe mit Jesus lebt, findet den Weg in die endgültige Gemeinschaft mit Gott. Was wollen wir mehr?
Seien Sie so gesegnet und behütet! Ihr P. Guido