3. Sonntag der Osterzeit – 1 Joh 2,1-5a und Lk 24, 35-48
Die Ostererzählung aus dem Lukasevangelium, die wir eben gehört haben, schildert die Erscheinung des Auferstandenen derart „handgreiflich“, dass es verwundert. Denn Auferstehung heißt ja nicht, in die irdische Existenz zurückzukehren, wo man sieht, und gesehen wird, anfasst und angefasst wird, wie wir es irdisch gewohnt sind, sondern sie verheißt, in einer völlig neuen, im Grunde unvorstellbaren Weise zu leben. Ich erinnere mich an unseren pfarrlichen Lesekreis im Winter 2019/2020, bei dessen Treffen wir uns genau mit dieser Frage beschäftigt haben. Wir lasen gemeinsam das Buch von Gerhard Lohfink mit dem Titel: „Am Ende das Nichts? Über Auferstehung und ewiges Leben“, Herder-Verlag, Freiburg, 5. Aufl. 2018. Paulus umschreibt im 1. Korintherbrief die Auferstehung Jesu so: „Wir verkündigen, wie es in der Schrift heißt, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat, was keinem Menschen in den Sinn gekommen ist: das Große, das Gott denen bereitet hat, die ihn lieben“ (1Kor 2,9) und später: „Was gesät wird, ist verweslich, was auferweckt wird, unverweslich. Was gesät wird, ist armselig, was auferweckt wird, herrlich. Was gesät wird, ist schwach, was auferweckt wird, ist stark. Gesät wird ein irdischer Leib, auferweckt ein überirdischer Leib“ (1Kor 15, 42-44).
So ist auch der Auferstandene mit den Augen nicht zu sehen und mit den Händen nicht zu greifen. Das weiß auch der Evangelist Lukas. Dennoch lässt er Jesus in die Mitte seiner Jünger treten und sie auffordern, seine Hände und Füße zu sehen, besonders die Wundmale, und ihn anzufassen: „Seht meine Hände und meine Füße...: Ich bin es selbst. Fasst mich doch an und begreift: Kein Geist hat Fleisch und Knochen, wie ihr es bei mir seht“ (Lk 24,39). Mit dieser „begreifbaren Wirklichkeit“ des Leibes will Lukas sagen: Der Auferstandene und in ihm Gott selbst bietet sich den Jüngern als Einladung an, die Wirklichkeit des neuen Lebens zu entdecken. Ihr Jesus lebt: zwar neu und anders, aber unverwechselbar als jener, der konkret den Menschenweg mit seinen Jüngern geteilt hat.
Menschen sind wir nur im Leib. Wir „haben“ nicht nur einen Leib. Nach biblischer Überzeugung ist der Leib nicht einfach „Hülle“ oder „Gefäß“ der Seele, sondern wir leben und fühlen in ihm und durch ihn. Als leib-hafte Wesen werden wir geboren und sterben wir. Wie sehr wir Leib sind, erfahren wir in Freude und Schmerz, in Kraft und Schwäche, in der Gesundheit und - mehr noch -, wenn wir krank sind. Diese Leib-haftigkeit hat Jesus mit uns geteilt; auch als Auferstandener gehört sie zu ihm. Er hat sie nicht abgestreift oder zurückgelassen, als wäre sie unwichtig oder zu vernachlässigen.
Wäre Auferstehung ohne den Leib zu glauben, wären wir in unserem Menschsein nicht ernst genommen. So aber nimmt durch das Tun des Vaters der Auferstandene seine und unsere Leib-haftigkeit mit durch den Tod hindurch und bringt sie ein in das neue Leben, „als der Erste der Entschlafenen“ (1Kor 15,20). Nichts, was wesentlich zu uns gehört, ist ausgeschlossen. „Wir werden alle verwandelt werden“ (1Kor 15,51) sagt Paulus,nichts aber wird zurückgelassen. Nicht als bloß „unsterbliche Seelen“, sondern als ganze Menschen sind wir mit dem Auferstandenen ins Leben gerufen - jetzt schon. So weitet sich unsere Hoffnung über den Tod und über alle Gräber hinaus.
Mit Gerhard Lohfinkmöchte ich es so sagen: „Die Auferstehung erfasst den ganzen Menschen und nicht nur einen Teil von ihm. Sie erfasst alles, was ihn ausmacht: seine Freuden und sein Leiden – sein Glücklichsein und sein Traurigsein – alles, was er im Leben erarbeitet hat, und alles, was erlitten wurde – die großen Dinge, die er gedacht hat, und die kleinen Dinge, die er in täglicher Treue getan hat – alle Stunden, die er durchgehalten hat – jede Träne, die er geweint hat – jedes Lächeln, das über sein Angesicht gegangen ist – kurz: die gesamte Geschichte seines Lebens. Denn dies alles hängt mit dem Leib zusammen. Leib und Seele durchdringen sich“ (Lohfink, a.a.O. S. 199).
Das gilt es zu erkennen und österlich zu leben: mit unserem Leib sind wir mit der Erde verbunden und mit allem, was Gott ins Leben gerufen hat. Auch das hat der Auferstandene nicht hinter sich gelassen. In seiner Leib-haftigkeit ist er die Hoffnung der ganzen Erde, der Anbruch einer neuen Schöpfung und die Zukunft auch für jene Geschöpfe, die menschlicher Maßlosigkeit und Fühllosigkeit zum Opfer fallen. Weil Jesus in seiner Menschwerdung die ganze Schöpfung angenommen hat, wird sie in seinem Tod und seiner Auferstehung von der Treue Gottes auch vollendet werden, das zu erkennen, dazu lädt uns Gott ein.
Zur leib-haften Begegnung mit dem Auferstandenen gehört auch das Essen und Trinken mit ihm. Das Zeichen des gemeinsamen Mahles, von dem Lukas bei der Begegnung mit den Emmaus-Jüngern und auch in der Szene des heutigen Evangeliums erzählt, knüpft an die Mahlgemeinschaft des irdisch lebenden Jesus mit seinen Jüngern an und schlägt so die Brücke zur Mahlgemeinschaft der Ewigkeit. Das ist eine weitere Einladung durch den Auferstandenen. Das gemeinsame Essen ist für den Umgang Jesu mit den Seinen so kennzeichnend, dass es zur entscheidenden Wahrnehmung des Auferstandenen gehört. Mehr noch: Der Auferstandene kommt in die Mitte der Glaubenden und sucht im Mahl Gemeinschaft mit ihnen, eine Gemeinschaft, die den ganzen Menschen meint. Deshalb spricht Lukas in seinem Evangelium nicht nur von damals. Er sagt seiner Gemeinde und auch uns heute eindringlich, wozu wir als Christen Sonntag für Sonntag zusammenkommen müssen: Jeder Sonntag ist Tag der Auferstehung. Der Auferstandene ist unter uns mit seinem Friedensgruß. Er spricht zu uns, legt uns die Schrift aus und macht uns zu Zeugen für das gottgeschenkte neue Leben. Und beim gemeinsamen Brotbrechen und Teilen will er vollends von uns erkannt werden. Da lädt er uns ein: Nehmt hin und esst! Das ist mein Leib. Das bin ich für euch! Gebrochenes Brot, geteilte Liebe! Gemeinschaft des Lebens! So schenkt der Auferstandene uns im eucharistischen Mahl jetzt, also im Hier und Heute, Anteil an seiner vollendeten Leib-haftigkeit, über die der Tod keine Macht mehr hat.
Seien Sie gesegnet und behütet im Leben des Auferstandenen! Ihr P. Guido