Predigt zu Pfingsten 2022 – C – Apg 2,1-11 und Joh 14,15-16.23b-26
Fünfzig Tage nach Ostern feiern wir Pfingsten (lat. pentecoste) – die Herabkunft des Gottesgeistes auf die Jünger Jesu. Wie im Sturm verändert sich die vorher zurückhaltende und ängstliche Haltung der Freunde Jesu. Sie gehen an die Öffentlichkeit, weil ihr Herz davon brennt, die Geschichte vom auferstandenen und erhöhten Herrn Jesus Christus weiterzugeben.
In der Apostelgeschichte wird uns nicht nur dieses in der Lesung vorgestellte großartige Bild vom pfingstlichen Geiststurm, den Feuerzungen und dem Reden in den verschiedenen Sprachen erzählt. Da findet sich im 18. Kapitel eine kleine Episode, die uns heute auch anrühren kann: Da erfahren wir, dass ein gewisser Apollos in der Synagoge von Ephesus „mit glühendem Geist" Jesus verkündet hat (Apg 18,24-28). Freunde des Paulus sind begeistert von diesem Prediger. Als Paulus wieder in der Gegend von Ephesus ist, besucht er diese Gemeinde und fragt unvermittelt: „Habt ihr den Heiligen Geist empfangen, als ihr gläubig wurdet?“ Nein, sagen sie. Heiliger Geist? Nie gehört (Apg 19,1-7).
Vielleicht haben die Leute in Ephesus ähnlich fragend geschaut wie wir auch. Vielleicht haben sie gefragt: Was meint denn „Heiliger Geist“? Ja, was meint Paulus tatsächlich? Er kann doch nicht an jedem Ort mit einem Pfingststurm rechnen wie damals in Jerusalem! – Und dann fragt Paulus: „Mit welcher Taufe wurdet ihr getauft?“ Sie antworten: „Mit der Taufe des Johannes.“ Da erläutert ihnen Paulus, dass Johannes eine Taufe zur Umkehr und Bekehrung von den Sünden gespendet hat und so auf Jesus hinwies, der die Botschaft von der Nähe Gottes brachte. Und die Leute von Ephesus ließen sich dann auf den Namen Jesu taufen und empfingen durch die Handauflegung des Paulus den Heiligen Geist und „sie redeten in Zungen und weissagten“, heißt es in der Apostelgeschichte ganz lapidar (vgl. Apg 19,6). Damit wird die Pfingstgeschichte in Ephesus gewissermaßen wiederholt und damit gegenwärtig.
Seit der Osternacht steht die Osterkerze neben dem Ort, an dem das Evangelium im Altarraum der Kirche verkündet wird. In der Osternacht haben wir sie am gesegneten Feuer entzündet. In jedem Gottesdienst der Osterzeit verkündete ihre Flamme vom Licht, das Gott in die Dunkelheit des Todes brachte durch die Auferstehung Jesu Christi. Mehr noch: Die Osterkerze selbst, ihre Flamme, steht als Symbol für ihn, den Auferstandenen Herrn. Deshalb wurde sie in den festlichen Gottesdiensten dieser Tage auch immer mit Weihrauch geehrt.
Nach Pfingsten wird die Osterkerze dann aus dem Altarraum weggestellt. Sie findet ihren Platz am Taufbecken. Und wir erleben, dass sie nur bei der Taufe und bei besonderen Gottesdiensten für unsere Verstorbenen angezündet wird.
Was und wer der Heilige Geist ist und wie er wirkt, wird im Zusammenhang mit der kleinen Erzählung aus Ephesus und durch das Symbol der Osterkerze deutlich.
Getauft zu sein auf den Namen Jesu, also absolut zu ihm zu gehören, wie es auch Paulus formulierte „ein Glied am Leib Christi und damit der Kirche zu sein“ (vgl. Eph 5,30), ist die grundlegende Wirklichkeit unseres Christseins. In der Osterzeit, in den fünfzig Tagen seit der Osternacht haben wir uns immer wieder dieser großen Botschaft vergewissert und sind im glaubenden Wissen gestärkt worden, dass wir im Dunkel unseres Lebens dieses Licht des Glaubens entdecken dürfen und dass dieses Licht des Glaubens durch unser Leben leuchten will. Dafür steht die Osterkerze.
So heißt es in einem Kirchenlied, das wir öfter in diesen Tagen gesungen haben:
„O Licht der wunderbaren Nacht, uns herrlich aufgegangen, Licht das Erlösung uns gebracht, da wir vom Tod umfangen, du Funke aus des Grabes Stein, du Morgenstern, du Gnadenschein, der Wahrheit Licht und Leben.“ (GL 334,1)
Dass die Osterkerze nach Pfingsten aus dem Altarraum weggenommen wird, bedeutet nicht, dass sie einfach verschwindet. Ihre Flamme soll sich, den geistlichen Feuerzungen gleich, auf uns – wie bei den Aposteln an Pfingsten – übertragen. Es ist der Heilige Geist, der in uns das Bewusstsein stärken will, dass wir jetzt in unserer Welt das Licht des Glaubens lebendig zu halten haben, um die Welt heller zu machen, indem wir das Licht Christi weitergeben. In und durch uns soll Christus, das Licht des neuen Lebens aus Gott aufleuchten! Jesus, der Herr, hat es uns gesagt: „Er, der Beistand, wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe!“ (Joh 14,26) und: „Ihr werdet meine Zeugen sein“, so heißt es in der Apostelgeschichte (Apg 1,8). Die Flamme des Glaubens und die Wärme der Liebe wollen weiter in uns lebendig sein.
Den Heiligen Geist in sich zu tragen wie diese Flamme, bewirkt so, dass jeder Glaubende in der Erkenntnis gestärkt wird: Der Herr lebt in mir! Und der Geist stärkt uns ebenso darin, aus dieser seiner Nähe und damit aus Gott zu leben. Der Heilige Geist lässt also Jesus Christus in uns lebendig sein. Er, der Geist des Herrn, ist der, der uns so durch seinen Trost, durch seinen Rat, durch seine Kraft befähigt, den Raum Gottes, in dem er in uns wohnt, hinaus in unserer Welt zu öffnen, mit all den Gaben, die in uns angelegt sind. Mit diesen Gaben und durch unser Leben wird Gottes Reich in unserer Welt lebendig und – wie es im Lied heißt – schreitet Christus durch die Zeit in seiner Kirche Pilgerkleid (vgl. GL 347,4).
Der Heilige Geist ist die – auch in uns – greifbare und spürbare Kraft der Liebe Gottes, mehr noch: Er ist diese Liebe. Sie will, ja, sie muss sich entfalten und gelebt werden.
In Anlehnung an ein Gebet, das dem Heiligen Augustinus zugeschrieben wird, möchte ich so beten:
- Atme in uns, du Heiliger Geist, dass unser Verstand ganz von der Nähe und Liebe Gottes durchdrungen werde.
- Treibe uns, du Heiliger Geist, dass unser Tun und Handeln das Licht und die Liebe Gottes sichtbar machen.
- Locke uns, du Heiliger Geist, dass wir uns führen lassen von der lebendigen Kraft der Liebe Gottes.
- Stärke uns, du Heiliger Geist, dass wir den Raum des Lebens aus der Liebe Gottes schützen und bewahren.
- Hüte uns, du Heiliger Geist, dass wir immer wach und suchend den Weg zu Gott hin als Weg der Liebe beschreiten.
Seien Sie so in der Kraft des Geistes gesegnet und behütet! Ihr P. Guido