Man muss ankommen



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Predigt zum Hochfest der Aufnahme Mariens in den Himmel mit Leib und Seele
1 Kor 15, 20-27a und Lk 1, 39-56
Wir feiern die Aufnahme Marias in den Himmel. Wir feiern, dass Maria bei Gott ankommt, ganz, mit Leib und Seele. Sie kommt an. Menschlich betrachtet, steht am Ende des irdischen Weges das Sterben und der Tod. Aber Maria geht, wie Jesus einen Schritt weiter und es war schon in der Frühzeit des Christentums feste Überzeugung des Glaubens, dass sie, die Gottesgebärerin, die Mutter Gottes, wie ihr Sohn leibhaft und ganz diesen Schritt gegangen sein muss. Es ist Gottes Kraft, die diesen Schritt möglich macht, deshalb heißt es im Tagesgebet: „Allmächtiger, ewiger Gott, du hast die selige Jungfrau Maria, die uns Christus geboren hat, vor aller Sünde bewahrt und sie mit Leib und Seele zur Herrlichkeit des Himmels erhoben.“
Es muss unsere gemeinsame Überzeugung als Christen sein, dass der Glaube uns miteinander verbindet, dass uns die frohe Botschaft erfüllt und dass diese frohe Botschaft grundgelegt ist in der Auferstehung Jesu Christi. Aus dieser Perspektive schauen wir auf das heutige Fest.
Wenn wir Rohheit und Gewalt unter uns beklagen, wenn wir fehlende Formen des Miteinanders feststellen, wenn wir den Verlust gemeinsamer Werte bedauern, das Fehlen von Orientierungspunkten, dann müssen wir uns fragen, ob diese Grundüberzeugung, dieser Glaube an die Auferstehung, noch etwas ist, das in dieser Welt Brücken bauen kann. Menschen, die an einen Gott glauben, der sie liebt, der ihnen zum Gelingen des Lebens helfen will, müssten doch wissen, worauf es ankommt. Eine Gesellschaft, in der sich der Mensch nur selbst liebt, ist dem Untergang geweiht. Das Recht des Stärkeren, die Ausbeutung und Vernichtung der Schwachen, ist ein Irrweg. Fehlende Liebe entfernt von Gott und voneinander. Das gemeinsame Bekenntnis zur Auferstehung bedeutet, dass der Glaube uns Wegweisung geben kann und dass das Leben gelingt, wenn es am Glauben Maß nimmt.
Das Evangelium zeigt uns Maria als Weggefährtin. Sie kennt unser Fragen, unsere Suche im Glauben. Sie war unterwegs, zu Elisabet zunächst, später mit Jesus, dann mit der jungen Kirche. Gehen wir das erste Unterwegssein im Glauben mit. Vielleicht erahnen wir auf dem Weg durchs Bergland von Judäa - ein Bild für unser Auf und Ab - Spuren einer Antwort auf unser eigenes Woher und Wohin in den Höhen und Tiefen unserer Lebenslandschaft.
„Wir kommen weit her, liebes Kind, und müssen weit gehen", schrieb der todkranke Heinrich Böll seiner Enkelin Samay ins Poesiealbum. Wir kommen weit her - gezeichnet von den Erfahrungen unserer eigenen Vergangenheit, geprägt von den Fügungen der Geschichte vor uns, und sind dennoch zu selbstverantwortlicher Freiheit bestimmt. So sind wir unterwegs - wie Maria. Doch sie trug ein Wort im Herzen, das sie bewegte und dem sie vertraute: „Der Gott deines Lebens ist mit dir." Dieses Engelswort bestärkte ihren Glauben, von einem ewigen Zuhause zu kommen. Und als sie gefragt wurde, ob sie im Vertrauen auf ihre ewige Herkunft eine ganz neue Zukunft wagen will, konnte sie ja sagen und auch ihr irdisches Zuhause verlassen. Sie sagte ja, weil sie auf das große Ja vertraute. Ihr Ziel: Das Ankommen bei Gott. Wir kommen weit her und müssen weit gehen ...
In Maria zeigt sich, dass die gemeinsame Glaubensüberzeugung eine Zukunft hat. In den Himmel aufgenommen heißt: Ankommen! Heißt: Ewiges Leben bei Gott. Glaube an die Auferstehung verwirklicht sich. Mensch sein wird aufgewertet. So zeigt uns dieses Fest, dass sich an Maria erfüllt, was uns allen verheißen ist; dass sie als ganzer Mensch Gott nahe ist; dass ihr Glaube ihre Zukunft bedeutet und dass durch sie unsere Hoffnung gestärkt wird. Sie ist ein Zeichen für unsere Zukunft.
Wie der Weg dorthin gelingt fragen wir? Das Evangelium hilft auch hier.
Elisabet und Maria wurden sich im Begegnen ganz neu ihrer selbst bewusst, wurden sich selbst neu geschenkt. Elisabet fragte überrascht: „Wer bin ich, dass die Mutter meines Herrn zu mir kommt?" Wer bin ich, dass andere zu mir kommen, mich grüßen, mich überhaupt wahrnehmen? Die Antwort auf diese Frage steckt in der schlichten Umkehrung ihrer Worte: Aus „Wer bin ich?" wird „Ich bin wer!" Das zu erfahren tut gut, lässt das verletzliche Lebensgefühl in mir vor Freude springen - wie ein Kind im Schoß der Mutter. So erging es Elisabet, und sie ihrerseits segnet Maria, beglückwünscht sie. Sie sagte Ja zu der jungen Mutter - das alles steckt in dem Wort: Gesegnet bist du. Die Frage „Wer bin ich?" kann ich mir nicht selbst beantworten. Wir sind aufeinander angewiesen, um die Antwort zu erahnen: dass wir geliebte, unbedingt erwünschte Menschen sind, und dass das von Gott her gilt, dessen Töchter und Söhne, dessen Kinder wir sind. Ja: Wir sind wer! Und nun?
Wem das bisher Gesagte zu Herzen gegangen ist, der hört im Evangelium auch darauf eine Antwort: Wir sollen dem Gott unseres Lebens die Ehre geben - wie Maria im Magnificat. Und wir sollen unseren Mitmenschen an der Seite bleiben - wie Maria, die drei Monate bei Elisabet blieb. Wer Gott lobt wie Maria, weil er sich der Armen und Schwachen besonders annimmt und die unterdrückten Menschen in die Freiheit führt, sieht selbst das große und kleine Elend der Menschen. Und weil echter Glaube um das Woher und Wohin all der Elenden, um ihre ewige Würde weiß, wird davon sprechen und singen - wie Maria im Magnificat –, dass es vieles in unserer Welt gibt, das nicht in Ordnung ist und mit Gottes Hilfe anders werden muss. Solch ein Mensch wird aber auch dem Menschen nebenan zu Hilfe kommen, wie Maria ihrer Verwandten in der mühseligen Zeit der Schwangerschaft.
Mariä Aufnahme mit Leib und Seele in die endgültige Gemeinschaft mit Gott. Das feiern wir. Mit ihr feiern wir heute dankbar unser eigenes Woher und Wohin. Wir lassen uns neu zusagen, dass wir Gottes geliebte Kinder sind, die er ganz ins Glück zu sich hinführen will. In die endgültige Gemeinschaft des Lebens und der Liebe. Dort ist Maria. Sie ist angekommen. Sie ist unsere Zukunft.
Ich wünsche uns einen guten Weg mit einem Gotteswort im Herzen!
Seien Sie gesegnet und behütet! Ihr P. Guido