Predigt zum 32. Sonntag im Jahreskreis (A) – Weish 6, 12-16 und Mt 25, 1-13
Nein, es waren keine mickrigen kleinen Öllampen, mit denen die Brautjungfern den Zug des Bräutigams empfangen sollten. Es waren – so sagt es die neuere Forschung – hölzerne Rutenbündel, die man mit einem ölgetränkten Lappen umwickelte, damit sie angezündet hell leuchten und auch später im Haus der Braut bei der Hochzeit noch Licht verbreiten konnten. Ein überaus wichtiger und notwendiger Dienst, damit das Fest stattfinden konnte. Der Bräutigam kam aus seinem Vaterhaus, um die Braut nach der Zeremonie zu sich heimzuführen. Obwohl die Brautgabe schon längst ausgehandelt war, legte es die Familie der Braut oft noch darauf an, den Bräutigam auf seinem Weg immer wieder um kleine Geschenke anzugehen, die die Ehre und die Schönheit der Braut zusätzlich unterstreichen sollten. Kein Wunder, dass der so Ausgebremste auf dem Weg aufgehalten wurde und sich verspätete.
Man weiß zwar nicht genau, wie die Hochzeitsbräuche zur Zeit Jesu gestaltet waren. Aber in der kulturellen Tradition, in der bis heute in der Heimat Jesu Hochzeiten gefeiert werden, kann man es sich gut so vorstellen.
War es nun ein Missgeschick, dass die „töricht“ genannten Brautjungfern das notwendige Öl vergaßen? Warum muss man ihnen denn die Türe vor der Nase so verletzend und humorlos zuschlagen? Ist es nicht ein wunderbarer Anlass für den Bräutigam, aus der Freude des Festes großzügig zu sein?
Wir spüren die Hand des Evangelisten Matthäus, der das Geschehen in dieser Geschichte seinen geistlichen Anliegen zuordnet: Er hat das Gleichnis in einen Zusammenhang mit der Endgültigen Ankunft des Erlösers und des ausstehenden Weltgerichtes gebracht (vgl. Mt 24,30.37.39.44-50 und Mt 25,31-46). Der kommende, der wiederkommende Christus ist es, den man mit brennenden Lichtern erwarten muss, hell und wach. Er allein hat die Macht zu sagen: „Ich kenne euch nicht!“ (Mt 25,12).
Es geht Matthäus um den entscheidenden Augenblick, um den Moment, der nicht versäumt werden darf. Es gibt in aller unser Leben solche Augenblicke, Momente der Klarheit und der Entscheidung. In der Liebe, in unseren Beziehungen, in der beruflichen Situation, im Bezug auf die Gesundheit, im Blick auf die Mitmenschen und die Welt… Ja, es gibt solche Augenblicke, die dem Leben die entscheidende Richtung geben. Wenn sich da die Türe schließt, wird sie sich so schnell nicht mehr öffnen und manches, was man im Blick hatte, zerplatzt und schwindet. Jesus hat diese Erfahrung auch gemacht: Jene, denen er in seinem Volk die Botschaft von der Nähe und dem Reich Gottes verkündete, standen in der Gefahr, die alles entscheidende Stunde ihrer Geschichte nicht wahrzunehmen.
„Mit dem Himmelreich ist es wie…“. Das Volk Gottes ist die Braut, Christus der Bräutigam. Das Volk Gottes damals ist Israel, heute die Kirche, die Gemeinschaft der Getauften, der Glaubenden. Und wie im Gleichnis gibt es da Solche und Solche. Da sind jene, die sich ihrer Aufgabe entsprechend gewissenhaft vorbereiten, die versuchen, so gut sie können, den Glauben an die Nähe Gottes zu leben und jene, die es nicht tun. Die einen sorgen vor und die anderen versäumen das Notwendige. Nun könnte man einwenden, dass es doch das Gebot der Nächstenliebe wäre, mit den Unvorbereiteten das Öl zu teilen, damit alle auf dem gleichen Stand wären. Sind die sogenannten „Klugen“ nicht kalt und unsolidarisch, berechnend und gar erbarmungslos? Doch dieser Einwand geht am Sinn der Geschichte vorbei. Eigentlich ist der Auftrag an die jungen Frauen völlig klar: Sie haben für die Festbeleuchtung bei der Hochzeit zu sorgen. Und indem die sogenannten „Törichten“ sich nicht richtig vorbereiten, würde das ganze Fest scheitern, wenn das Öl aufgeteilt und so nicht ausreichen würde. Es wäre eine Schande für die Braut und die Familie der Braut, müsste man im Dunkel sitzen! Das Gerede und die verletzte Ehre wären eine Katastrophe. Die Hochzeit stünde in Frage. Das Fest gescheitert. Das geht gar nicht!
Was gefordert wird, ist Umsicht und Bereitschaft. Natürlich ist es hart, was das Gleichnis denen sagt, die sich unzureichend vorbereitet haben, weil sie sich vielleicht in Sachen des Glaubens zu sehr auf andere verlassen und selbst initiativlos mittrotten, weil es gerade alle tun.
Dennoch geht es Matthäus und noch viel weniger Jesus darum, den Menschen Angst einzujagen, dass der Bräutigam ihnen die Türe vor der Nase zuknallt. Sich auf das Fest der Freude und der Gemeinschaft mit ihm einzustellen, bedeutet eben, sich umsichtig vorzubereiten. Dazu hat Gott uns Gaben und Fähigkeiten geschenkt, die wahrgenommen und genutzt werden wollen. Im Sinne des Gleichnisses bedeutet das:
Sich vorbereiten, Öl mitnehmen, das heißt, einen Blick für die Welt und die Menschen haben, vor allem für jene, denen gerade ich mit meinen Gaben das Licht der Freude bringen kann.
Sich vorbereiten, Öl mitnehmen, das heißt, meine kleine und auch die große Welt mit einem durch den Geist Gottes erhellten Blick anzuschauen, mich durchlässig machen für seinen, für Gottes, liebenden Blick auf alle und alles und daraus zu leben.
Sich vorbereiten, Öl mitnehmen, das heißt, auch wenn ich einmal unaufmerksam, müde und eingeschlafen bin, dennoch den Augenblick der Begegnung nicht verpassen. Wer dem Bräutigam Christus begegnen will, der muss sich selbst zu erkennen geben, denn es geht ja darum, dass ich da sein muss, damit ich das Fest auch erleben und wirklich mitfeiern kann. „Fremdes Öl“ hilft dabei nicht. Ich muss mein Eigenes beisteuern.
Und dann, dann erst, kann man jubelnd einstimmen in das, was im Lied erklingt:
Zion hört die Wächter singen, das Herz tut ihr vor Freude springen,
sie wachet und steht eilend auf. Ihr Freund kommt vom Himmel prächtig,
von Gnaden stark, von Wahrheit mächtig; ihr Licht wird hell, ihr Stern geht auf.
„Nun komm, du werte Kron, Herr Jesu, Gottes Sohn, Hosianna.
Wir folgen all zum Freudensaal und halten mit das Abendmahl.“
(Gotteslob Nr. 554,2 – T.u.M.: Philipp Nicolai 1599)
Seien Sie gesegnet und behütet und bleiben Sie gesund! Ihr P. Guido