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Predigt zum Pfingstfest
Apg 2,1-11; 1 Kor 12,3b-7.12-13 und Joh 20,19-23
Die Apostelgeschichte (Apg 2,1-11) erzählt vom Kommen des Heiligen Geistes in Sturm und Feuerzungen und dann von der Vielfalt der fremden Sprachen, die der Geist den Jüngern eingab, so dass sie von allen verstanden werden. Wir kennen diesen pfingstlichen Text. Schauen wir auf die Lesung aus dem 1. Korintherbrief des Paulus, die von einer anderen Vielfalt spricht. Da ist von „den verschiedenen Gnadengaben“ die Rede, von den „verschiedenen Diensten.“ „Jedem,“ heißt es da, „wird die Offenbarung des Geistes geschenkt, damit sie anderen nützt“ (1Kor 12,7). Vielfältig die Gaben.
Wer die Gaben, die gegeben sind, nutzt, so gut man es vermag, der trägt dazu bei, die Fülle und den Reichtum des Geistes Gottes erfahrbar zu machen. Wo immer Menschen guten Willens gleich welcher Weltanschauung, Religion oder Konfession dazu beitragen, dass in unsere Welt ein wenig mehr „Liebe, Freude, Friede, Langmut, Freundlichkeit und Güte“ (Gal 5,22)Einzug hält, da ist Gottes Geist am Werk, der „weht, wo er will.“ „Du hörst sein Brausen“, heißt es im Johannes-Evangelium, „weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist“ (Joh 3,8).
Wenn wir uns öffnen, hin auf die Verschiedenheit und Vielfältigkeit der Völker und Kulturen, der Traditionen und Religionen wie auch auf all die Geistes-Gaben der Menschen, wird etwas von der ganzen Fülle der göttlichen Wahrheit offenbar. Denn die göttliche Wahrheit, in der wir geheiligt werden sollen – davon erfuhren wir im Abschiedsgebet Jesu (vgl. Joh 17,17) – ist nichts Eindimensionales: Sie ist das Wachsen und Werden in der Offenbarung des Gottesnamens mit den Menschen, so wie sie sich im Wort und der Tat Jesu gezeigt hat. Wir dürfen sie mit dem Licht der Sonne vergleichen, das im Regenbogen die ganze Fülle des Farbenspektrums zu spiegeln vermag. Ich wähle dieses Bild, weil der Regenbogen - schon am Anfang der Bibel - Zeichen des Friedens ist, des Bundes zwischen Gott und den Menschen (vgl. Gen 9,13). Dieser Friede lässt sich nicht auf Gleichförmigkeit errichten, er wird vielmehr wachsen aus einer versöhnten Verschiedenheit. Das ist auch die tiefere Bedeutung von „katholisch“ – vom griechischen „katholikos“ – „Katholizität“ meint nicht eine Konfession unter Konfessionen, sondern hat die Vielfalt und den ganzen Farbenreichtum des christlichen Glaubens-Spektrums widerzuspiegeln.
Der Pfarrer und Maler Sieger Köder(1925-2015) hat ein Pfingstbild gemalt, das ich hier mit einigen Worten wiedergeben will, weil es wunderbar erzählt, wie Gottes Geist wirkt und erfahrbar ist. Überwiegend in Rot, der Farbe des Hl. Geistes und der Liebe gehalten, zeigt es ein Gebäude, dessen Fenster über mehrere Stockwerke weit geöffnet sind. Am unteren rechten und linken Bildrand sehen wir Gerüste und missmutig in grau gemalte und dreinschauende Gestalten. Das Fundament des Hauses ist in der Bildmitte in geisterleuchtetem Rot eine kräftige Männergestalt, mit dem Evangelium offen in der Hand. Petrus. Er ist der erste Verkünder. Nur mit der ganzen Weite des Gotteswortes zusammen kann er Fels sein. Hinter ihm im geöffneten Raum noch einige Gestalten mit Feuerzungen über ihren Köpfen, gesammelt im Gebet. Die Fenster des Gebäudes verweisen auf Papst Johannes XXIII., der die Fenster der Kirche zur Welt hin geöffnet hat: Wir sehen auf der linken Seite den evangelischen Theologen und Märtyrer Dietrich Bonhoeffer mit der Bibel in der Hand, in der Mitte den ökumenisch tätigen Patriarchen Athenagoras von Konstantinopel mit der erhobenen leuchtenden Osterkerze in Händen und den charismatischen Papst des Konzils auf der rechten Seite mit weit ausgebreiteten Armen und wir sehen, wie sie aus den weit geöffneten Fenstern sich uns zuwenden. Im oberen Stockwerk weiter, junge Menschen, Weiße und Farbige, vereint im Zeichen des Schalom, des Friedens, auch sie an geöffneten Fenstern. Und einer – oder eine – wie ein Ministrant gekleidet macht mit viel Freude – auch das ist zu sehen – mit seinem Weihrauchfass Dampf in einer Kirche, die oft so wenig nach Hl. Geist riecht. Und ganz oben, kaum sichtbar, ein offenes und leeres Fenster. Es ist für uns gedacht. Für dich und für mich… Hier hört das Bild auf und die Zukunft beginnt.
Die Kirche, in der der Heilige Geist ankommen kann, hat offene Fenster und Türen. Und: sie ist Kirche im Werden. Sie verändert sich, muss sich verändern, denn alles Lebendige wächst und verändert sich. Das mag hin und wieder irritieren, da vermisst man den klaren Bauplan. Der Heilige Geist als Architekt unterliegt aber nicht dem deutschen Baurecht, auch nicht einem konfessionellen. Gottes Geist ist freischaffender Künstler. Worauf es mit der Kirche hinausläuft, das bleibt offen, so offen wie die Zukunft. Aber die Richtung wird klar!
Dem Geist treu zu sein, heißt ganz gewiss, sich selbst und seiner eigenen Überzeugung treu zu bleiben, sich aber gleichzeitig dem Reichtum und der Vielfalt zu öffnen, die uns umgibt. Pfingsten ist für uns Christen ein Appell zu mehr Offenheit allen Menschen guten Willens gegenüber. An die Kirche appelliert dieses Fest unmissverständlich, ihr Selbstverständnis nicht in sich, sondern über sich zu suchen: in der Liebe und im Feuer des Geistes! Dafür steht das offene, leere Fenster ganz oben im Bild. Ein Selbstverständnis, das auf sich selbst bezogen ist oder dem Gestern zugewandt bleibt, ist verschlossen, ist tot. Wahrhaft christliches Bewusstsein wächst aus einem ständigen Sich-selbst-übersteigen auf etwas Größeres hin, aus einer Suche, einem Darüber-hinaus-gehen, aus dem Geist eben, der uns nicht zurückruft, sondern vorwärtstreibt und öffnet, damit wir ein Widerschein der Fülle und Großzügigkeit unseres Gottes sein können. Oder – und das können wir auf dem Bild von Sieger Köder ja auch sehen – wir bleiben missmutig und letztlich unbeteiligt unten auf den Gerüsten des Hauses sitzen, unbehaust und verloren. Das Wehen und Brennen des Geistes, das Leben selbst, geht dann an uns vorbei.
Übrigens: Für den Evangelisten Johannes sind Ostern und Pfingsten eins, wie wir im Evangelium lesen. Gottes Geist ist Leben und Fülle, ist Atemhauch und Licht!
Ihnen und Euch die Nähe des Gottesgeistes und bleibt behütet!
P. Guido