Predigt zum 14. Sonntag im Jahreskreis – A – 2 Kor 4, 13-5, 1 und Mt 11, 25 – 30
„Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir. /…/ Denn mein Joch drückt nicht und meine Last ist leicht“ (Mt 11,29-30). – Klingt dieses Wort Jesu für Sie anziehend? In meinen Ohren klingt es zunächst eher nach einer Forderung. Vielleicht könnte sogar jemand sagen: Typisch Jesus, typisch Evangelium, typisch Kirche - immer wird etwas gefordert und dann werden sogar noch extra Lasten auferlegt!
Was aber ist ein „Joch“? Das Bild vom Joch stammt aus der bäuerlichen Kultur. Das Joch selbst ist nicht die eigentliche Last – es ist ein Werkzeug, dazu da, um schwere Lasten ziehen zu können. Am Joch wurden Pflüge, Eggen und ebenso Wagen befestigt. Dazu muss es stabil sein und hat natürlich je nach Material auch ein eigenes Gewicht. Den Zugochsen wurde das Joch hinter dem Kopf auf den Nacken gelegt und sie setzten so ihre Kraft zum Ziehen der anhängenden Dinge ein. Bei uns sieht man das heutzutage kaum noch.
Dennoch ist dieses Wort vom „Jochtragen“ zu einem Bildwort geworden. Wer in seinem Leben eine schwere Last zu schultern hat, von dem sagt man doch, dass er unter einem Joch geht.
So spricht man vom Joch von Schmerzen und Krankheit, vom Joch unausstehlicher oder böser Verwandten und Nachbarn, vom Joch mobbender Kollegen, vom Joch drückende Lasten im Leben, denen man nicht ausweichen kann…
In der Bibel finden wir dieses Bild auch: Wer Gott als Herrn und König Israels anerkannte, nahm das „Joch des Himmelreichs“ auf sich; wer sich dem Studium der Heiligen Schriften widmete, nahm das „Joch der Tora“ auf sich, und wer sich ihren Geboten unterwarf, der nahm das „Joch der Gebote“ auf sich. Ebenfalls sprachen die rabbinischen Gelehrten vom „Joch der Buße“, vom „Joch Gottes“ und schließlich vom „menschlichen Joch“, dem „Joch aus Fleisch und Blut“ (vgl. Strack, Hermann L. u. Billerbeck, Paul „Das Evangelium nach Matthäus. Erläutert aus Talmud und Midrasch“, München 1969, 3. Aufl.). Jesu Zuhörern war also das Wort vom Joch nicht fremd. Und sie haben gesehen, wie sehr sich sein Joch von dem unterscheidet, das die Schriftgelehrten ihnen aufluden. Wir müssen, um zu verstehen, unterscheiden: Was ist die Last, die zu bewältigen ist und was ist das Hilfsmittel zur Bewältigung der Last, das Joch?
Wer eine Last zu tragen hat, sucht nach Erklärung der Last, weil man verstehen will. Man sucht nach Hilfe und will keine Vertröstung haben.
„Kommt alle zu mir, die ihr schwere Lasten tragt“ (Mt 11,28) – das Wort Jesu lädt ein, bei ihm und mit ihm die Lasten anzuschauen und so nach Wegen der Bewältigung zu suchen. Oder ist das nur ein großes Wort und es steht nichts dahinter? Wir sehnen uns danach, dass alle Lasten von uns weggenommen werden. Aber ist das immer möglich? Ich frage: Welche Mutter, welcher Vater möchte tatsächlich die Kinder missen, die ihnen auf die Nerven gehen? Oder wer möchte in seinem Geschäft wirklich, dass keine Kunden mehr kommen, auch wenn sie ihm nicht passen? Auch wenn man sicher stöhnen möchte: „Es ist kaum zum Aushalten!“, man wird im Normalfall unter dem Joch bleiben, mit dem man diese Last des Alltags bewältigt.
Ich denke, da kann man von Jesus lernen. Er lädt ein: „Schaut auf mich und lernt von mir, denn ich bin gütig und von Herzen demütig!" Was das heißt, sehen wir. Jesus lässt sich einerseits von den Menschen beanspruchen und zieht sich andererseits zurück, um allein zu sein beim Beten, beim Gespräch mit dem Vater. Er hat Leid mitgetragen, hat die schuldig Gewordenen getröstet und wurde so zum Bild der Güte und Menschenfreundlichkeit, das von Gott her durch ihn sichtbar wird. Und das kann er, weil er seine Lasten nicht allein getragen hat. Er hat seine Lasten dem Vater im Himmel in die Hände gelegt und Gott hat sie mit ihm getragen. Das konnte er nur, weil er ganz innig mit Gott verbunden war. Das ist die Grundlage seines Handelns, seines Lebens. Matthäus macht das deutlich, wenn er sagt: „Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will“ (Mt 11,27). „Geteilte Last ist halbe Last“ sagt ein Sprichwort. Das „Joch“ Jesu, sein Werkzeug, ist genau diese innige Verbindung mit Gott, mit seinem Vater. Das bedeutet für uns: Wer in kindlicher Verbindung mit dem Vater und im Vertrauen auf das eigene „Getragensein“ durch Gott, die Lasten des Lebens annimmt, der weiß sich immer aufgefangen und begleitet.
Dafür steht auch heute Jesus da, wenn er uns sagt: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken“ (Mt 11,28). Das heißt: „Ich lade euch keine neuen, unerträglichen Lasten auf, keine Gesetze und Pflichten, die euch niederdrücken. Ich mache euer Herz frei; denn in meiner Liebe trage ich euch mit all eurer Last“.
Jesus verschafft uns Ruhe. Er fordert uns zwar auf, sein Joch auf sich zu nehmen, aber er überfordert uns nicht, denn er schenkt uns darin das Werkzeug seiner Liebe. Christus verschafft unseren Seelen Ruhe, wenn wir ihm nachfolgen und wenn wir, wie er, gütig und von Herzen demütig werden. Jesus sagt nicht: Ich nehme euch eure Lasten ab; ich befreie euch von der alltäglichen Mühsal des Lebens. Er sagt: Ich gebe euch ein Werkzeug, mit dem ihr diese Lasten leichter bewältigen könnt, und ich trage mit euch! Er selbst ist das Joch, denn in ihm sind wir mit dem Vater im Himmel verbunden.
Ein alter Spruch sagt: „Gott nimmt nicht die Last von uns, aber er stärkt die Schultern.“ Genau das sagt hier Jesus: Wenn ihr meinem Beispiel folgt, wenn ihr von mir lernt, dann habt ihr die nötige Kraft, das Leben zu meistern.
Viele kennen die Geschichte von den Spuren im Sand. Sie hilft das Wort Jesu im heutigen Evangelium besser zu verstehen. Ich möchte sie in Erinnerung rufen:
Eines Nachts hatte ich einen Traum: Ich ging am Meer entlang mit meinem Herrn. Vor dem dunklen Nachthimmel erstrahlten, Streiflichtern gleich, Bilder aus meinem Leben. Und jedes Mal sah ich zwei Fußspuren im Sand, meine eigene und die meines Herrn. Als das letzte Bild an meinen Augen vorübergezogen war, blickte ich zurück. Ich erschrak, als ich entdeckte, dass an vielen Stellen meines Lebensweges nur eine Spur zu sehen war. Und das waren gerade die schwersten Zeiten meines Lebens. Besorgt fragte ich den Herrn: „Herr, als ich anfing, dir nachzufolgen, da hast du mir versprochen, auf allen Wegen bei mir zu sein. Aber jetzt entdecke ich, dass in den schwersten Zeiten meines Lebens nur eine Spur im Sand zu sehen ist. Warum hast du mich allein gelassen, als ich dich am meisten brauchte?“ Da antwortete er: „Mein liebes Kind, ich liebe dich und werde dich nie allein lassen, erst recht nicht in Nöten und Schwierigkeiten. Dort wo du nur eine Spur gesehen hast, da habe ich dich getragen." (1996 Brunnenverl. Gießen)
Seien Sie gesegnet und behütet! Ihr P. Guido