Predigt zum Fest der Taufe des Herrn – A – Jes 42, 5a.1-4.6-7 und Mt 3, 13-17
Am liturgischen Ende der weihnachtlichen Festzeit feiern wir das Fest der Taufe Jesu. Immer wieder müssen wir uns ins Bewusstsein rufen: Der Evangelist Matthäus will uns Jesus als den von Gott gesandten Erlöser und Befreier, als den Messias, den Gottes- und Menschensohn vorstellen. In ihm ist Gott in unserer Mitte! Auch wir sollten uns, um unseres Glaubens willen, dessen ebenso immer wieder vergewissern. Wenn wir auf Jesus und seine Botschaft schauen, werden wir den richtigen Weg für unseren Glauben auch im Heute unserer Tage finden.
Der Täufer Johannes hat auf Jesus mit eindringlichen Worten hingewiesen: „Ich bin nicht wert, ihm die Sandalen auszuziehen. Er wird euch mit dem heiligen Geist und mit Feuer taufen…“ (vgl. Mt 3, 11). Wir hörten davon im Evangelium des zweiten Adventssonntags. Jesus ist der Größere, der Stärkere. Er ist es, so das Bewusstsein des Täufers über die Aufgaben des Messias, der von Gott kommend, mit Macht und im Feuersturm des Gottesgeistes die Menschen des göttlichen Bundesvolkes Israel von ihren irrigen und falschen Wegen abbringen wird. Das Herz der Menschen muss sich neu Gott zuwenden, damit der sich nicht im Zorn abwendet – wie es die Unterdrückung durch die Römer damals als Zeichen der Sündhaftigkeit des Gottesvolkes nahelegt – sondern wieder in Liebe und damit Frieden und Wohlergehen den Menschen seines Volkes zugewandt ist.
Und jetzt, so die Botschaft des heutigen Evangeliums, stellt sich doch tatsächlich dieser Angekündigte in die Reihe der Sünder? Lässt sich das mit dem Bild vom Messias als dem Größeren und Stärkeren vereinbaren? Der Täufer Johannes findet es unpassend, dass Jesus sich in die Reihe derer stellt, die sich ihrer Sünden wegen taufen lassen wollen. Deshalb sagt er: „Ich müsste von dir getauft werden…“ (Mt 3, 14b). „Johannes aber wollte es nicht zulassen…“ heißt es weiter, und Jesus sagt: „Lass es nur zu! Denn nur so können wir die Gerechtigkeit ganz erfüllen“ (Mt 3, 15).
Was, so möchte ich fragen, geschieht hier? Die Vorstellung von Gott als einem, der mit Macht und mit Druck seine Partner auf Linie bringt, die Vorstellung, die auch wir unter dem Begriff eines Gottes kennen, der Rechenschaft und Strafe für die Verfehlungen fordert, diese Sicht auf Gott wird hier von Jesus korrigiert. In Jesus stellt sich Gott selbst in die Reihe der Sünder: Der Schuldlose stellt sich zu den Schuldigen. So wird die Menschwerdung Gottes ganz auf den Menschen ausgerichtet und damit völlig vollzogen. Jesus verändert den Blick auf Gott. Der ist nicht einfach der aufrechnende und strafende „Richtergott“. Er ist auch nicht nur der „liebe Gott“. Er ist der, der aus sich selbst heraustritt, der sich – wie es in der Theologie heißt – „entäußert“, der also die alte Gottesvorstellung von der absoluten Erhabenheit und Fremdheit des Göttlichen zur Seite legt und sich ganz auf die Ebene des Menschen begibt, ein Gott, der nicht verlangt, sondern gibt, der nicht fordert, sondern schenkt. Er ist es, der uns in Jesus dem Menschensohn einlädt, ihm dem Gottessohn auf Augenhöhe zu begegnen. Die uralte Sehnsucht des Menschen wird Wirklichkeit: Der Mensch will sein wie Gott – so erzählt es ja die Bibel im sogenannten Sündenfall von Adam und Eva – und Gott ebnet dem Menschen dazu den Weg, indem er sich in die Reihe der sündigen Menschen stellt, und zwar als Mensch mit einem wichtigen Unterschied: Er ist ohne Sünde. Noch eines wird deutlich: Der Maßstab der Gerechtigkeit – Jesus spricht ja von ihr – ist die Barmherzigkeit, denn Gott sucht den, der sich von ihm abgewandt hat, um ihm in Solidarität zu begegnen und ihn in Liebe zur Umkehr auf den Weg seines guten Willens zu rufen, um mit dem Menschen Gemeinschaft zu haben.
Gott geht so in Jesus seinen ureigenen Weg. Er braucht und sucht nicht unsere oft nur leere Rede oder die angstbesetzte Verehrung mit Äußerlichkeiten. Er sucht das Herz des Menschen mit all dem, was zu uns Menschen gehört, das Schöne und Gelungene und das, was wir ihm wie uns selbst nicht zeigen und eingestehen wollen, das Bittere und Schwere, unseren Egoismus und die Selbstbezogenheit, unsere Sünde, die dunkle Seite unserer Existenz. Und doch ist genau hier die Mitte unseres Menschseins, hier ist die Substanz unseres Lebens, hier ist das Fleisch verbunden mit der Sehnsucht des Herzens. Denn wir sind da erst Menschen und Gottes Geschöpfe, wo wir uns unserer Schwächen und der Unzulänglichkeit des begrenzten Seins bewusst sind und wo wir genau diese akzeptieren. Wir stehen erst da zu unserem Menschsein, wo wir unsere Schuldfähigkeit und die Abwendung von Gott als dem Spender des Lebens – das ist die Sünde – begreifen. Zu uns Menschen gehören Licht und Schatten! Genau da kommt Jesus und reiht sich ein, taucht unter in den dunklen Fluten der Unwägbarkeiten, schmeckt die Bitterkeit des menschlichen Lebens – und genau da ist er Gottes geliebter Sohn: Der Menschensohn, der die Zerrissenheit des Menschen heilt, indem er als Gottessohn die Sünde des Menschen auf sich nimmt.
Genau da, wo Gott so in unserem menschlichen Leben auftaucht, da öffnet sich der Himmel.
„Lass es nur zu!“, sagt Jesus zu Johannes. Lass es zu, dass Gott nahekommt, wo der Mensch wegläuft und nicht zu sich selbst steht. Lass es zu, dass der Himmel sich öffnet, wo der Mensch sich verloren glaubt. Lass es zu, damit der Mensch den Weg zum Heil finden kann.
Genau da ist der Ort der Gerechtigkeit, die Gott fordert und in seiner Barmherzigkeit schenkt: Er will uns in die richtige Richtung bringen, indem er uns seine Gegenwart dort zeigt, ja, sich selbst hinstellt, wo wir ihn eigentlich nicht vermuten. Wer das wahr- und auch annimmt, wird selbst in der Nachfolge Jesu zu einem Kind des Himmels: Zu Gottes geliebter Tochter, zu Gottes geliebtem Sohn. Es ist wahr, was in der dritten Weihnachtspräfation (Messbuch) besungen wird: „Durch ihn (Jesus Christus) schaffst du den Menschen neu und schenkst ihm ewige Ehre. Denn einen wunderbaren Tausch hast du vollzogen, dein göttliches Wort wurde ein sterblicher Mensch, und wir sterbliche Menschen empfangen in Christus dein göttliches Leben.“
„Da gab Johannes nach.“ – Sollten nicht auch wir der Liebe Gottes nachgeben und ihm unsere Herzen bis hinein in den tiefsten Abgrund unseres Seins offen hinhalten, damit er uns heilen und verwandeln kann?
Seien Sie gesegnet und behütet in der Liebe Gottes! Ihr P. Guido