In der Verwirrung der Zeit uns nicht irre machen lassen
Predigt zum 2. Adventsonntag (C) – Phil 1, 4-6.8-11 und Lk 3, 1-6
Lassen wir es in uns noch einmal lebendig werden, was wir am vergangenen Sonntag gesehen haben: Lukas, der Arzt und Künder der Frohen Botschaft, ruft uns auf, den Blick zu heben und auf den kommenden Herrn zu schauen - „Richtet euch auf und erhebt eure Häupter. Eure Erlösung ist nahe!“ (Lk 21,28) und er sagt ebenso, dass wir in der Verwirrung der Zeit uns nicht irre machen lassen sollen, sondern bewusst und wach - aufmerksam also - die Verbindung mit Gott lebendig halten: „Wachet und betet allezeit!“ (Lk 21,36). Damit sind wir in die Adventszeit hineingegangen.
Es ist nun auch wieder typisch für den Arzt Lukas, dass er eine solche Ansage, eine solche Empfehlung zum Heil-Werden, nicht einfach so gibt. Er bezieht sich und seine Botschaft auf das konkrete Leben, auf das reale Geschehen. Gottes Plan, Gottes Geschenk der Erlösung ist greifbar in der menschlichen Geschichte. Deshalb nennt er Namen und Jahreszahlen, stellt politische und soziale Bezüge her. „Im fünfzehnten Jahr des Kaisers Tiberius; Pontius Pilatus, Statthalter von Judäa,... Herodes, Philippus, Lysanias, und die Hohenpriester Hannas und Kaiaphas...“ (vgl. Lk 3,1-2), sie alle umschreiben eine konkrete geschichtliche Wirklichkeit, in die hinein Gott wirkt. Dabei geht es ihm nicht einfach um eine Beschreibung des Geschehenen, nach dem Motto „das war einmal...“. Nein, Lukas will uns deutlich machen, dass wir das damals Geschehene im Heute unseres Lebens als Gegenwärtiges begreifen. Jesus Christus, der durch seine Liebe, sein Leben, seine Botschaft, sein Kreuz und seine Auferstehung, Gottes Willen für uns Menschen offengelegt hat, ist ja auch der wiederkommende Herr der Geschichte. Und in jedem Menschen, damals und durch die Geschichte hindurch bis heute und bis zur endgültigen Wiederkunft des Herrn, soll sich dieser Wille Gottes erfüllen. Deshalb heißt es: „Schaut auf, hin zu Gott! Haltet wach in euch, dass er euch anschaut und es gut mit euch meint!“
Wenn nun Gott uns entgegenkommt, wenn eine neue Zeit anbricht, wenn sich die Verheißungen Gottes zu erfüllen beginnen, wenn den Menschen die Nähe Gottes wieder erfahrbar werden soll, dürfen wir dann untätig bleiben und alles beim Alten lassen? „Bereitet dem Herrn den Weg!" Das ist der Ruf des Täufers Johannes (vgl. Lk 3,4f). Was heißt das? Wie geht das? - Wenn wir etwas vorbereiten, konzentrieren wir uns auf eine Aufgabe, nehmen wir uns Zeit dafür, machen uns Gedanken, lassen uns beraten ...
Bei der adventlichen Vorbereitung auf das Kommen des Herrn gibt Lukas uns in seinem Evangelium dazu einige Hinweise:
- den angestammten Platz verlassen und hinausgehen in die Wüste, an das Jordan-Ufer;
- die Stille suchen, das Wort Gottes hören;
- Einkehr halten, die Sünden bekennen, bereit sein zu Umkehr und Buße ...
Der Hl. Bernhard von Clairvaux (1090-1153) hat den Ansatz des Täufers aufgegriffen und entwickelt dazu in einer Predigt ein besonderes Adventsprogramm. Sechs Fragen stellt er. Sie lauten: Wer ist der, der kommen soll, woher kommt er, wohin kommt er, wozu kommt er, wann und wie kommt der Herr?
Stellen wir uns diesen Fragen:
- Wer ist dieser kommende Herr für mich?
Das ist und bleibt die Kernfrage meines Glaubens! Lese ich wenigstens ab und an in den Evangelien, in den Schriften der Bibel? Denke ich an das Wort aus der Tradition. Wer die Schrift nicht kennt, kennt Christus nicht!
- Jesus kommt vom Vater, von Gott her...
Wo und wie halte ich Ausschau nach Gott in meinem Leben? Was ist es, auf das ich hoffe? Rechne ich überhaupt mit Gott?
- Jesus kommt in meine konkrete Welt, dorthin wo meine Freuden sind und auch mein Ärger...
Will ich ihm begegnen? Bin ich offen für die Anliegen und Nöte meiner Mitmenschen? Habe ich ein offenes Herz und offene Hände für die Menschen, die meine Hilfe brauchen? Wo kann ich mich engagieren für Kranke und Schwache, für Kinder, für junge Menschen? Bin ich nur mit mir selbst beschäftigt?
- Jesus kommt, um mir zu helfen, dass ich mein Leben so leben kann, wie es Gottes Willen entspricht...
Frage ich nach Gottes Willen in meinem Leben? Sehe ich mich von ihm angenommen? Was will er, dass ich jetzt und hier tue? Welche Gaben hat er mir gegeben, die auch für andere nutzen kann? Wie sehen meine Lebensziele aus?
- Jesus kommt jederzeit…
Wie sieht meine innere Haltung aus? Was bedeutet für mich Erwartung? Halte ich mich offen für den kommenden Herrn? Womit bin ich beschäftigt? Rechne ich mit ihm?
- Jesus kommt auf den Wegen der Menschen…
Jesus begegnet mir besonders im Mitmenschen. Wann habe ich Zeit für ihn? Spreche ich mit ihm? Wann war ich zuletzt im Gottesdienst, bei der Beichte? Sehe ich das Geschenk der Natur und all der Dinge um mich, mit denen ich leben darf? Bin ich dankbar für die Menschen, denen ich begegne und die mir anvertraut sind?
Letztlich bleibt von dem, was Johannes der Täufer in prophetischer Tradition anspricht, die Frage: Wo sind die Hindernisse, die Schluchten, der ungangbare Weg, die steilen Hänge im persönlichen Leben und auch im Leben der Gemeinde, die bereinigt und begehbar werden müssen, damit ich dem Herrn näherkommen kann? „Bereitet dem Herrn den Weg!“
Der Blick des Täufers Johannes in die Zukunft ist Verheißung: „Und alle Menschen werden das Heil sehen, das von Gott kommt."
Ihnen einen gesegneten 2. Advent und bleiben Sie behütet! Ihr P. Guido