Predigt zum 2. Sonntag nach Weihnachten – C – Eph 1,3-6.15-18 und Joh 1,1-5.9-14
Ein kurzer Text der Bibeltheologin Helga Rusche (+ 1996) ist mir Zugang zur Botschaft des Evangeliums:
Kein Wort bewegt mich so
wie jenes EINE,
von dem es heißt,
dass es am Anfang war
und dass es Wohnung
nahm bei uns!
Ich meine,
das will die Tröstung sein
und immerdar für alle,
die ein bleibend Wort ersehnen,
das BRÜCKENWORT,
das überm Abgrund hält -
und selbst wenn es gesprochen
unter Tränen,
die Nacht durchdringt,
die uns den Blick verstellt.
(Helga Rusche, zitiert aus „Gottes Wort im Kirchenjahr“ 1998, Würzburg 1997, S.96)
Schon am Weihnachtstag hörten wir die Worte vom Anfang des Johannesevangeliums, die Worte des sogenannten Johannesprologs. Lassen wir sie noch einmal und immer wieder in uns nachklingen: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott. Schon im Anfang war es bei Gott.“Hören wir auf dieses Wort: Gott ist keiner, der an sich allein Genüge fände, vielmehr teilt er sich mit, will an sich Anteil geben im „Wort“ - das ist sein Wesen. Und das „Wort“, ausgesprochen, ist Begegnung von Himmel und Erde. Deshalb heißt es: „…und das Wort war Gott.“Unser Gott, Vater, Sohn und Geist, ist Begegnung in sich und lädt zur Begegnung mit sich ein, spricht an, ruft uns an, „viele Male und auf vielerlei Weise“, so heißt es im Hebräerbrief des Apostels(vgl. Hebr 1,1),so heißt es in vielen Glaubens-Worten der Hl. Schriften, im Wort der Verkündigung durch die Zeit, aber auch durch Umstände und Situationen, aus denen Gott eine Antwort von uns erhofft. „Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.“Das heißt: Dieses göttliche „Wort“ hat eine letzte, endgültige Gestalt und Qualität erfahren in Jesus von Nazareth. Das „Wort“ ist greifbar geworden. Der Evangelist drückt seine ureigene Erkenntnis aus der Nähe zu Jesus selbst – hatte er doch sein Ohr selbst an der Brust des Herrn – so aus: „Niemand hat Gott je gesehen. Der Einzige, der Gott ist und am Herzen des Vaters ruht, er hat Kunde gebracht“ (Joh 1,18).
Zu unserer eigentlichen Bestimmung als Geschöpfe Gottes, als seine Kinder, können wir nur kommen, wenn wir uns von seinem wirkmächtigen Wort ansprechen lassen und uns auf die Begegnung mit ihm einlassen. Nur so kann unser Leben gelingen. Denn es heißt: „In ihm (dem Wort) war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen.“Licht vertreibt die Finsternis – den Bereich von Angst und Tod –, Licht ermöglicht Orientierung, lässt das Ziel und den Weg erkennen.
Von ihm heißt es: „Er kam in die Welt, aber die Welt erkannte ihn nicht.“„Welt“ meint hier die sich abschottende und so sich selbst genügende Welt, übrigens auch in uns selbst, die Welt, die sich der Ansprache und dem Anspruch Gottes verweigert. Deshalb das göttliche Liebeswerben, damit wir an „das Mensch gewordene Wort“, an „seinen Namen“glauben, ihn aufnehmen,damit wir „Kinder Gotteswerden“ und so dem einen Sohn Jesus Christus gleich, „Miterben“, wie es der Apostel sagt (vgl. Röm 8,17).
In der Sprache des Johannes-Prologs ist Jesus das Wort Gottes schlechthin. An ihm – an seiner Gestalt, an seinem Wirken und Lehren, an seinem Leiden und Sterben – können wir erkennen, wie Gott ist: ein uns über die Maßen liebender Vater, der uns die Fülle des Lebens schenken möchte in seinem Sohn, dem Mensch gewordenen „Wort“ der Liebe.
Nochmal: Gottes Mensch gewordenes „Wort“will uns persönlich treffen und betroffen machen. Es genügt nicht, über es Bescheid zu wissen, über es zu reden, auch wenn unsere Rede noch so gescheit sein mag. Es gilt, sich auf die Begegnung mit ihm einzulassen, sich mit ihm ins Gespräch zu begeben, wie mit einem guten Freund eben.
So sind auch die Worte, die der Evangelist Johannes uns schenkt, „Worte über das Wort“, das von weit her zu uns herüberklingt - letzten Endes aus der Ewigkeit, aus der Dimension Gottes und näher hin aus der Liturgie und Verkündigung des frühen Christentums. Die Christen, denen wir sie verdanken, sind darüber ins Staunen geraten, dass Gott durch sein schöpferisches Wort alles hervorgebracht und „durch die Propheten zu den Vätern gesprochenhat“. So haben sie auch die unfassbare Wirklichkeit, dass Gott selbst in Jesus von Nazareth unser Menschenbruder geworden ist, als die entscheidende Verbindung zu Gott und in ihn hinein entdeckt. Ja, Jesus ist diese Wort-Brücke, von der der Text von Helga Rusche vom Anfang dieser Gedanken spricht. Er, als der ewige Sohn des göttlichen Vaters,er, Gottes Mensch gewordenes Wort, ist zu uns gekommen, ist einer von uns geworden, damit wir das Leben haben, und es in Fülle haben(vgl. Joh 10,10). Mag noch so sehr die Todesnacht unseren Blick verstellen, dieses Wort durchdringt wahrhaftig die Nacht und ist Licht in der Finsternis.
Seien Sie gesegnet und behütet! Ihr P. Guido