
Grüß Gott!
Anbei mein Predigtmanuskript zum diesjährigen Weihnachtsfest. Verbunden mit ganz herzlichen Segenswünschen zum Weihnachtsfest möchte ich danken für die lieben Rückmeldungen und die Weitergabe der Texte an Interessierte. Es ist mir ein großes Anliegen, Sie und Euch mit meinen Manuskripten anzustoßen, damit das Gotteswort im eigenen Leben Fleisch werden kann, will es doch heute durch uns in die Welt kommen. Zwischen den Jahren haben wir vom Marienstatter Konvent unsere jährlichen Konventexerzitien. Deshalb weiß ich noch nicht, ob es mir gelingen wird, zum Jahresschluss oder zu Neujahr einen Text oder eine Meditation zu senden. Sie werden es sehen...
Mit ganz lieben Grüßen!
Ihr/Euer P.Guido
Predigt zum Weihnachtsfest 2020
Hl. Nacht - Tit 2,11-14 u. Lk 2,1-14 – Weihnachten am Tag - Hebr 1,1-6 u. Joh 1,1-18
Das ist so eine Sache mit unserer menschlichen Sprache. Können Worte, also eine Folge von Buchstaben oder Zeichen aneinandergereiht, wirklich zum Ausdruck bringen, was man mit ihnen versucht zu beschreiben? Meistens sehen wir die Sprache als Möglichkeit, Informationen auszutauschen, so als könnte man mit Aussagen über das Wetter oder einen Tageslauf oder ein Geschehen umfassend abbilden, was in Köpfen und im Empfinden der Redenden tatsächlich wahrgenommen und mitgeteilt werden soll. Und es wird zudem noch viel schwieriger, wenn wir da in unterschiedlichen Sprachen verschiedener Herkünfte und Orte eine gemeinsame Ebene des Verstehens finden wollen. Dazu kommt, dass wir in einer Zeit leben, in der es offenbar Mode geworden ist, mit sogenannten alternativen Fakten, was nichts anderes bedeutet als mit Lügen, zu hantieren und es so schwieriger wird, Worte und Sprache und jene, die sie benutzen, richtig zu verstehen. Sprache ist offensichtlich nicht nur ein Mittel der Information, ist nicht nur Werkzeug der Beschreibung von Dingen, Empfindungen und Wahrnehmungen. Sprache ist mehr.
Ich schaue auf das Weihnachtsgeheimnis. Wieder hörten wir wie immer an Weihnachten die Worte der Geburtserzählung des Lukas (vgl. Lk 2,1-14): „Es geschah aber in jenen Tagen…“ Und am ersten Weihnachtstag begegnet uns der großartige Anfang des Johannesevangeliums: „Im Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott und das Wort war Gott.“ … „Und das Wort ist Mensch geworden und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1,1.14a). Das, was wir da feiern, bedeutet: Gott spricht hinein in unsere Welt. So wie er am Anfang der Schöpfung – die Worte der Bibel im Buch Genesis (vgl. Gen 1 u. 2) umschreiben das – sich hineingesprochen hat in alles, was wurde, so spricht er in der Menschwerdung Jesu ein neues Wort. Am Anfang hieß es: „Es werde“ und Licht und Erde und Wasser und Leben und Pflanzen, Tiere und der Mensch wurde. So spricht Gott sich jetzt aus in Jesus, im Gottessohn und Menschenkind. Hineingesprochen in unser menschliches Fleisch und unseren Geist wird Gottes Sprache selbst Fleisch und Geist. Noch mehr: So ist Gottes Sprache er selbst. Jesus ist die Sprache Gottes. Die Theologen haben für diese Sprache Gottes den Begriff „Offenbarung“. Der unfassbare und in unserer menschlichen Sprache unaussagbare Gott öffnet sich in seiner ganzen Fülle und ist in Jesus wahrnehmbar für unser Erkennen.
Das ist mehr als nur eine informelle Mitteilung, die wir wie die Beschreibung des geschichtlichen Geschehens der Geburt dieses Kindes bei der augustinischen Volkszählung damals einfach so wie einen Zeitungsartikel lesen und dann zur Seite legen könnten. Dass Lukas die Geburt Jesu hineinbindet in die menschliche Geschichte sagt vielmehr, dass das Sein des Menschen seit damals erkennbar in sich die Geschichte Gottes ist. Gott und der Mensch werden eins. Paulus sagt das im Galaterbrief so: „Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau, und dem Gesetz unterstellt, damit er die freikaufe, die unter dem Gesetz stehen, und damit wir die Sohnschaft erlangen“ (Gal 4,4-5). Gott will nicht ohne den Menschen sein. Der Mensch und Gott gehören zusammen. Die Sprache Gottes ist Jesus. In ihm drückt Gott sich nicht nur aus. Er ist in seinem Sein und Leben von der Krippe bis zum Kreuz der gottgewollte neue Mensch und in der Auferstehung und Himmelfahrt die Vollendung der Schöpfung. „Und Gott sah, dass alles gut war.“ So sagt es die Bibel in der Erzählung von der Erschaffung der Welt. In der Schöpfung, in der Materie, im Fleisch, und jetzt in der Fülle der Zeit in seinem Sohn hat Gott selbst sich ausgesprochen. Der Sohn ist dieses Wort.
Wenn wir also Gott verstehen wollen, wenn wir die Schöpfung verstehen wollen, wenn wir uns selbst im Fleisch verstehen wollen, dann können wir das nur, indem wir Gottes Sprache sprechen. Und die können wir nur dann verstehen und sprechen, wenn wir dem Sohn Gottes näherkommen, wenn wir ihn in unser Sprechen hineinnehmen. Schauen wir auf das Neugeborene in der Futterkrippe und lernen wir die Sprache der Liebe, die Sprache, die Jesus heißt und Gott selbst ist.
Andreas Knapp hat in einem Gedicht, in dem er Aussagen des Glaubensbekenntnisses in lyrischer Sprache zu fassen versucht, dieses ganze Geschehen so formuliert:
das WORT tritt durchs Ohr
trifft mitten ins Herz
und zeugt dort neue Wirklichkeit
aus Fleisch und Blut
Maria ganz Ohr
und Gott ganz WORT
Synergie von menschlichem
und göttlichem Ja
das WORT nahm Gesicht an
in Seinen großen Kinderaugen
in ihm spricht Gott sein Ja zur Welt
und hört zugleich der Schöpfung Amen
(Andreas Knapp, Tiefer als das Meer, Gedichte zum Glauben, Würzburg, 4.Aufl. 2012, S. 32)
Lassen wir auch an diesem Weihnachtsfest – trotz der Corona-Pandemie und vielerlei anderer Bedrängnisse unserer menschlichen Existenz – die Himmelssprache des Engels an unsere Ohren klingen: „Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteilwerden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; er ist der Christus, der Herr“ (Lk 2,10-12) und stimmen wir in unseren Herzen ein in den Lobgesang: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens“ (Lk 2,14).
Ihnen gesegnete Weihnacht und seien Sie behütet in der Liebe Gottes! Ihr P. Guido