Predigt zum Hochfest Christkönig – C – 2 Sam 5,1-3; Kol 1,12-20 u. Lk 23,35-43
Das Ende des Kirchenjahres stellt uns nach dem Evangelisten Lukas nicht den triumphierenden Weltenherrscher und Richter der Welt vor Augen, sondern den Gottesknecht, der am Kreuz zwischen zwei Verbrechern elendiglich zu Grunde geht und der noch im eigenen Todeskampf für die Vergebung steht und für die verzeihende Liebe. Und dann noch diese Worte: „Noch heute wirst du mit mir im Paradies sein!“ (Lk 23,43). Mit Vollmacht gesprochen und Zukunft verheißend.
Eigentlich, so könnten wir festhalten, ist damit alles gesagt.
Trotzdem oder gerade deshalb sind wir herausgefordert. Denn, was uns als Botschaft zugerufen wird, ist absolut gegen all das gerichtet, was wir als machtvolle Verheißung sehen. Mein Vorschlag: Ich nehme Sie mit. Treten wir doch hinein in das vom Evangelisten überlieferte Bild. Jesus, der gerade gekreuzigt wurde und von lauter Spöttern umgeben ist, schweigt zum Spott, der ihm entgegenschlägt und unterstreicht so, was die Spötter längst zu wissen glauben, dass er nämlich nicht der Messias, der Erwählte Gottes sein kann. Sein Schweigen ist ohrenbetäubend. Nur einmal spricht er zu dem einen Mitgekreuzigten, zu dem Verbrecher, der sich bekennend und bittend an ihn wendet. Er ist der Einzige, der noch in der Stunde, da Jesus und sein ganzes Wirken, seine gesamte Wirksamkeit, sein ganzes Leben ad absurdum geführt wird, an ihn als an den Messias zu glauben vermag. Ihm sagt Jesus das Heil zu: „Heute noch!“ – „Heute noch wirst Du mit mir im Paradies sein.“
Was hier aufgezeigt wird, ist im Grunde völlig widersprüchlich.
„Steig doch vom Kreuz herab“, so haben sie ihm zugerufen und nicht nur gespottet, sondern vielleicht darauf gehofft, dass ihre verquere Sicht von Macht durch das Wunder des Herabsteigens des Gekreuzigten bestätigt würde. Sie dachten an das Unmögliche, indem sie annahmen, Gott würde ihre Probleme mit den Römern und manches Andere allein nach ihrer Vorstellung lösen. So muss Gott doch in ihrer Geschichte handeln. Ist es nicht so in den Schriften der Bibel überliefert? Aber das geschieht nicht. Deshalb fühlen sie sich in ihrem Urteil bestätigt – sie wussten es ja schon immer – der Typ am Kreuz kann gar nicht der erwartete Messias sein.
Und auch jene andere können sich in ihrem Denken bestätigt sehen, die sie noch nie daran glauben konnten und es auch heute nicht können, dass Gott den Weg des schwachen Menschen, den Weg der ohnmächtigen Liebe wählt, um seiner Schöpfung nahe zu sein. Wenn wir dagegen die Sichtweise Jesu einnehmen, den Blickwinkel des Menschen- und Gottessohnes, der auf seine Göttlichkeit verzichtet, weil er sich als Mensch ganz in die Hände des Vaters wirft – welch ein Vertrauen selbst in der Agonie des Todes – wenn wir also so wie Gott auf alles schauten, so eben wie es Jesus versucht hat, uns nahezubringen… Doch die Erwartungen an Gottes Wirken sind anders. – Wann endlich werden wir begreifen und glauben lernen, dass Gott tatsächlich anders ist und handelt, als wir Menschen ihn nach unserem Wollen denken und haben wollen?
Damals missbrauchten die Römer ihre Macht, um die unterdrückten Juden zu demütigen, denn das hatte Pilatus ja auf das Kreuz Jesu in Lateinisch, Griechisch und Hebräisch schreiben lassen, als Begründung für den Kreuzestod Jesu: „König der Juden!“ So meinte Pilatus, stellvertretend für Menschen seines Gleichens, in Jesus alle demütigen und vernichten zu können, welche die Mächtigen, als Bedrohung erfuhren. So geschieht es bis heute: Bis heute handeln politische Fanatiker, ja Fanatiker überhaupt und Faschisten nicht anders. Die Angst des Pilatus vor der Wahrheit eines Gottes, der auf Machtlosigkeit und Liebe setzt, ist auch die zerstörerische Triebkraft all derer, die heute populistisch und mit vielerlei Werkzeugen Ängste schüren und damit Hass verbreiten. Das ist das fatale Spiel der von Verlustängsten gequälten machtgeilen Typen. Verzeihen sie mir den Ausdruck!
Doch schauen wir noch genauer hin: Das verhärtete Herz des Menschen führt zum Schweigen Gottes in Jesus Christus. So zeigt er sich uns: Er schweigt. Das ist der tote Punkt im Zentrum des Kreuzes. Er selbst ist dieser Punkt: Der Gottes- und Menschensohn, angenagelt, geschunden, gescheitert, augenscheinlich hilflos. „Sehet den Menschen!“ Lukas, der Evangelist der Armen und Schwachen, sagt seiner Gemeinde und auch uns über alle Zeiten hinweg, und er sagt es durch den Mitgekreuzigten und Todgeweihten, den Verbrecher neben Jesus: Wer IHN am Kreuz als den Messias bekennt, wer IHN, der an Stelle Gottes mit dem Menschen leidet bis in den Tod, wer IHN bittet um seine Liebe, der erfährt Verheißung und Erlösung: „Heute noch!“ – „Heute noch wirst Du mit mir im Paradies sein.“
Erinnern Sie sich? Zu Beginn des Lukas-Jahres sprachen wir von der anderen Sichtweise und Perspektive des Evangelisten Lukas. Letzten Sonntag sprachen wir von der befreienden und die Angst überwindenden Botschaft, die sich nicht scheut, die Angst anzuschauen und anzunehmen, um sie so in ihrer Wurzel zu heilen. Heute schauen wir auf den demütig schweigenden Christus, der nur der Liebe antwortet. Die Sichtweise des Evangelisten Lukas ist immer wieder eine Einladung, anders und neu auf die Botschaft von der Nähe und Liebe Gottes zu schauen. Lukas lässt uns in Jesus den Freund und Weggefährten sehen, der mit uns wie mit den Emmausjüngern unterwegs ist und uns Gottes Handeln auf seine eigene Weise erklärt. Er macht unser Herz brennen! So dürfen wir das brennende Herz der Liebe spüren und Brot und Wein mit dem Auferstandenen teilen.
Das Ende des Kirchenjahres, das Ende des Weges mit dem Evangelisten Lukas durch die Zeit ist wie der Kontrapunkt des großen Liedes der Liebe Gottes mit dem Fest des Königs auf dem Kreuzesthron. Er sei gepriesen, jetzt und für immer bis in Ewigkeit. Amen
Seien Sie in der Liebe Gottes gesegnet und behütet!
Ihr P. Guido















