Predigt zum 2. Advent – A – Jes 11, 1-10 und Mt 3, 1-12
„Halt an, wo läufst du hin, der Himmel ist in dir. Suchst du Gott anderswo du fehlst ihn für und für.“ Vom Theologen und Dichter Angelus Silesius stammt dieses Wort. Er hat es in seiner Schrift „Der cherubinische Wandersmann“ im 17. Jahrhundert (1657) veröffentlicht. Das ist seiner eigenen Geschichte nach der Katastrophe des dreißigjährigen Krieges geschuldet und er sucht nach einer neuen Innerlichkeit und persönlichen Praxis des Glaubens.
„Halt an, wo läufst du hin, der Himmel ist in dir. Suchst du Gott anderswo du fehlst ihn für und für.“
Wo läufst du hin? Wo laufen wir hin? Sie und ich, jeder von uns? Ganz sicher haben sie schon einmal einen Lebenslauf aufgeschrieben, bei einer geplanten beruflichen Veränderung beispielsweise, oder dann vielleicht, wenn sie sich selbst klar werden wollten über den Verlauf des Lebens, wenn sie darauf geschaut haben, wie alles im Leben bisher so gelaufen ist.
Halt an, wo läufst du hin? Immer wieder ist es sinnvoll, innezuhalten, um Klarheit darüber zu finden, wohin man gelangt ist auf dem Weg seines Lebens. Gab es Abrisse und Brüche oder gar Katastrophen? Und dann? Dann steht die Frage an, wie es weiter gehen wird. Bin ich auf dem richtigen Weg? Allein können wir in der Regel die Frage nur schwer beantworten.
Der zweite Advent, gehört dem Täufer Johannes. Man nennt ihn Vor-Läufer. Sein Lebenslauf ist ein Lauf vor Jesus. Und auch er fordert auf innezuhalten. Und er sagt sogar: „Kehrt um!“ (Mt 3,2). Auf andere Weise spricht er davon, dass Gott ganz nahe beim Menschen sein will. Das Himmelreich ist nahe. Es ist eine Ansage, die Jesus selbst später verwenden wird. Dort, wo der cherubinische Wandersmann auf den Himmel im Menschen verweist, steht Johannes vor allem jenen entgegen, die sich ihres rechten Glaubens und ihres Lebens vor Gott allzu sicher sind: „Wir haben ja Abraham zum Vater“, sagen sie (Mt 3,9). Und allen macht er klar, dass es nicht um Abstammung, sondern um die Früchte des Lebens mit Gott in Wort und Tat geht, um Güte, Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit, um Nächstenliebe und Frieden. Das nun sind die Früchte des Himmels im Menschen, die im Leben mit dem Geist Gottes wachsen und reifen. Jesus wird auch auf diesen Zusammenhang aufmerksam machen. Er wird mit dem Heiligen Geist taufen. Das öffnet den Blick zum Himmel: Zu Gott! Da geht es nicht nur um das Reinigen vom Schmutz der Sünde, also um die Abkehr von Gottes gutem Willen, sondern um das lebendige Feuer der Liebe Gottes im Herzen.
Der Täufer Johannes, der Vor-Läufer Jesu ruft zum Innehalten und zur Umkehr. Mit seiner ganzen Person, mit seinem Auftreten und wie er sich gibt in seiner Kleidung ist er eine Herausforderung an alle, die sich in ihrem Leben und in ihrem Glauben gemütlich eingerichtet haben (vgl. Mt 3,4). Das gilt auch uns. Angelus Silesius will nach der schrecklichen Geschichte des dreißigjährigen Krieges – ich erwähnte es bereits – ebenso herausfordern und die Menschen seiner Zeit zu einer neuen Innerlichkeit führen und damit zu einer neuen Glaubenskraft in ihrem Leben.
Brüche oder auch Katastrophen im Lauf des Lebens sind Stoppschilder. Halt an und schau dir dein Leben an! Kehr um vom falschen Weg!
Und wie geht es weiter? Die Adventsbotschaft lenkt unseren Blick klar auf Gott. Das ist unsere Berufung als Christen. Es ist so, wie es das Tagesgebet des zweiten Adventssonntags ausspricht:
Allmächtiger und barmherziger Gott,
deine Weisheit allein zeigt uns den rechten Weg.
Lass nicht zu, dass irdische Aufgaben und Sorgen uns hindern,
deinem Sohn entgegenzugehen.
Führe uns durch dein Wort und deine Gnade
Zur Gemeinschaft mit ihm.
Mit dem Blick auf den schwindenden Glauben und dem Verlust religiösen Engagements in unserer Zeit, angesichts all dessen, was an Katastrophen und Krisen uns in unserer zerrissenen Welt bedroht – seien es der Unfriede, die Klimaproblematik oder das Machtstreben von Despoten und Ideologien, sei es der Hunger und die Ungerechtigkeit und wir könnten noch viel mehr benennen – angesichts all dessen bedarf es für uns Christen einer Umkehr zu einer neuen Innerlichkeit und Beziehung zu Gott und zu einer neuen und vertieften Glaubenspraxis.
- Der erste Schritt auf diesem Weg: Innehalten und den Weg bedenken.
- Der zweite Schritt: Als Kirche und als einzelne Gläubige müssen wir unsere Fehlhaltungen und unsere Sünden bekennen, müssen wir umkehren hin zum Weg Gottes in Jesus Christus und seiner Barmherzigkeit und Liebe.
- Der dritte Schritt und damit die Neuorientierung: Wir müssen neu mit Gott in Jesus Christus ins Gespräch, in Beziehung kommen und so beten lernen:
Komm Herr und Erlöser, verzeihe und versöhne, wo wir deiner Liebe bedürfen, und schenke uns das Feuer des Heiligen Geistes neu in unsere Herzen.
Sei Du, Herr, in der Mitte der Nacht unser Licht und unsere Hoffnung.
Maranatha! Komm Herr und befreie uns!
Seien Sie in dazu gesegnet und behütet! Ihr P. Guido