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Predigt zum 5. Sonntag im Jahreskreis – B –
Ijob 7,1-4.6-7; 1 Kor 9,16-19.22-23 u. Mk 1,29-23
Es ist ein Nebensatz im Evangelium dieses Sonntags, der mich direkt anspricht: „… und er ging zu ihr, fasste sie an der Hand und richtete sie auf“ (Mk 1,31). – Die Rede ist von der erkrankten Schwiegermutter des Petrus. Was brauchen wir Menschen, damit wir leben können? Das „Berührt werden“. Hände, die sich uns entgegenstrecken, Hände, die uns hebend berühren, die einen in den Arm nehmen. Was würde auch zum Beispiel aus einem Kind werden, das nachts, wenn es schreit, nie die tröstende Hand der Mutter zu spüren bekäme oder sich niemals an der Hand des Vaters festhalten dürfte? Das ist lebensnotwendige Nähe. Der Philosoph Martin Heidegger hat einmal darauf hingewiesen, dass die Technik alle Entfernungen überwunden, aber keine Nähe geschaffen hat. Wir haben es in der langen Zeit der Covid19-Pandämie schmerzlich erfahren müssen, was Distanz und Isolation von anderen bedeuten.
Warum ich davon spreche? Nun, Jesus begegnet uns heute in der kurzen Heilungsgeschichte der Schwiegermutter des Petrus als jemand, der nicht nur mit dem wirkmächtigen Wort dem Unheil begegnet, wie es bei der Dämonenaustreibung geschieht, sondern mit der heilenden Nähe der berührenden Hände. Die Evangelisten erzählen uns die Worte Jesu und erzählen ebenso von den Taten seiner Hände. Nur so lernen wir den ganzen Jesus kennen und erfahren die Liebe Gottes ganz. Was wäre das auch für eine Liebe, die nur reden würde und nicht auch mit den Händen berührte? Menschliche Hände stehen im Mittelpunkt dieses Evangeliums, heilende Hände, die aufzurichten vermögen - um es ganz genau zu sagen: Hände, die, indem sie berühren, Kraft vermitteln. Nicht nur dieses eine Mal stehen Jesu Hände im Mittelpunkt, sondern immer wieder. Es ist faszinierend, ganz bewusst bei den verschiedensten Stellen der Evangelien darauf zu schauen, was Jesu Hände tun. Immer wieder sehen wir diese Hände, die er den Kranken auflegt; wir sehen eine Hand, die sich denen entgegenstreckt, denen sonst niemand die Hand gegeben hätte; wir sehen eine Hand, die Versöhnung und Frieden stiftet; wir sehen, wie Jesus seine Hand segnend den Kindern auflegt; wir sehen eine Hand, die Brot bricht und es an die Menschen austeilt.
Jesus selbst ist die Botschaft, ist das Wort Gottes, und er ist die Hand Gottes, die uns berührt, um uns in die Nähe Gottes, in sein Heil zu holen.
Markus belässt es nun nicht dabei, einfach nur davon zu erzählen, dass in Jesus in der heilenden Berührung und im wirkmächtigen Wort hinein in den Abend, in die beginnende Dunkelheit der Welt, das Licht des Gottesreiches aufleuchtet. Er zeigt auch auf, wie Jesus persönlich mit der Erfahrung des Unheils umgeht. Schauen wir darauf und fragen wir: Was ist das für eine Nacht, in der er so früh wach wird und was ist das für ein Gebet, das er am frühen Morgen an seinen Vater richtet? Es könnte doch sein, dass ihn Schmerz und Betroffenheit über das Elend so vieler Menschen nicht mehr schlafen lässt – das Erschrecken über das Schicksal von kranken, blinden, aussätzigen und besessenen Menschen. Es könnte sein, dass Jesus in der Nacht der Welt die Not so vieler Menschen gewissermaßen wie die Versuchung zur Verzweiflung anspringt. Ist sein Gebet, sein Gespräch mit dem Vater etwa eine Klage über all dieses Unheil?
In der Lesung dieses Sonntags haben wir einen Abschnitt aus dem Buch Ijob gehört. Ijob, ein Mensch, der mit Gott ringt, um das Unheil seines Lebens zu verstehen. Er klagt vor Gott: „So will auch ich meinen Mund nicht zügeln, mit bedrängtem Geist will ich reden, mit betrübter Seele will ich klagen“ (Ijob 7,13).
Hat der Mensch Jesus mit dem Vater im Himmel auch so gesprochen? Ich kann es mir gut vorstellen. Die Klage ist Ausdruck seiner Betroffenheit, und im Gebet, im Gespräch mit Gott zeigt sie das eigene Ringen um Verstehen, um Nähe und Hilfe. Ja, ich denke, dass es so gewesen sein könnte. Was ihm den Schlaf raubt, das trägt er vor Gott hin in der Morgenfrühe, weil er das Schicksal und das Unheil der Menschen an sich heranlässt und es menschlich teilt. Wir wissen ja von seinem Aufschrei am Kreuz: „Mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (vgl. Mt 27,46). Es ist die Sprache eines Menschen, die in ihrer drohenden Verzweiflung angesichts des erfahrenen Unheils Gott zumutet, was das Herz beschwert. Und es ist Ausdruck von großer Intimität und vertrauter Nähe, die alles zur Sprache bringt. Und aus dieser engen Verbindung, in der das Herz zum Herzen spricht, schwindet die Gefahr der Verzweiflung und wächst das Vertrauen. Die größte Nähe und intimste Berührung ist dort, wo nichts mehr bleibt außer der Ohnmacht der Liebe.
Das macht auch uns Mut, wie Jesus mit Gott zu sprechen. Auch, wenn der Schmerz bleibt, verlangt die Beziehung der Liebe, dass wir wie Jesus unsere Ohnmacht und unser Fragen im Gebet vor Gott laut werden lassen. Heißt es doch im Psalm: „Ich hoffte, ja ich hoffte auf den Herrn. Da neigte er sich mir zu und hörte mein Schreien“ (Ps 40,2).
Und dann kann es geschehen, dass wir – wie Jesus auch – gestärkt und ermutigt auf den neuen Tag mit seinen Anforderungen zugehen können. Wie hieß es doch bei Markus: „Simon und seine Begleiter eilten ihm nach, und als sie ihn fanden, sagten sie zu ihm: Alle suchen dich. Er antwortete. Lasst uns anderswohin gehen, in die benachbarten Dörfer, damit ich auch dort verkünde; denn dazu bin ich gekommen“ (Mk 1,37-38).
Der Weg führt weiter, das Wort der Nähe Gottes zu verkünden und die Unheilsmächte zu überwinden bis zu uns heute und ins Morgen Gottes.
Seien Sie gesegnet und behütet! Ihr P. Guido
Messtexte zum 5. Sonntag im Jahreskreis
