Gott wohnt, wo man ihn einlässt...
Predigt zum 4. Adventssonntag (B) Röm 16,25-27 und Lk 1,26-38
Sehr vertraut klingen die Worte dieses Evangeliums. Wie könnte es anders sein: Diesen Sonntag hörten wir das Evangelium nach Lukas, das ist der Evangelist, der die Kindheitsgeschichte Jesu nachzeichnet und Lukas stimmt so wunderbar auf Weihnachten ein. Tatsächlich aber steckt viel mehr in diesen Worten als etwas naiv wirkenden Bilder: Maria eine junge Frau, im Gebet versunken, über ihr der Hl. Geist als Taube, dazu der Engel – so ist es auf nicht nur einem gemalten Bild zu sehen. Eine fromme Idylle?
Tatsächlich ist das, was da geschildert wird, menschlich betrachtet, eine unmögliche Situation, ja eigentlich ein Skandal, eine Zumutung.
Man muss es sich nur genau vor Augen führen: Da ist diese junge Frau. Sie wird wohl um die 16 Jahre alt gewesen sein. Sie ist verlobt – was damals so viel bedeutete wie verheiratet. Das ist so normal. Aber dann: Sie ist schwanger und der Verlobte ist nicht der Vater. Selbst wenn sich Gott als Urheber dieses Lebens zu erkennen gibt, das hilft nicht wirklich weiter. Wer sollte das schon glauben – geschweige denn verstehen? Die Leute werden sich das Maul zerreißen. Ja, es ist eine Zumutung.
Und ihr Verlobter? Entweder ist er ein Trottel und stellt sich dumm, oder? Nein, er wählt die andere Möglichkeit, um sich aus der Affäre zu ziehen. In aller Stille die Verlobung lösen. Aber da greift Gott ein. Josef kann sich nicht mehr distanzieren. Er kann nicht weglaufen. Noch eine Zumutung.
Zumutung…
Schier Unmögliches verlangen, das bedeutet dieses Wort. Zumutung. Bis an die Grenze des Machbaren und Erträglichen. Ein Blick auf das weitere Geschehen verstärkt es noch: Nicht nur die Ankündigung der Geburt ist unverständlich, undurchschaubar und gar anstößig. Auch die Umstände der Geburt: Unterwegs, ohne Heimat, im Stall. Dann die Flucht, die Angst, die frühe Loslösung von der Familie… „Wusstet ihr nicht, dass ich im Haus meines Vaters sein muss?“ Jesu Worte als Zwölfjähriger im Tempel. Nein, sie, Maria und Josef, sie wussten nicht. Bis hin zum Kreuz. Nur Zumutung… Mir kommen noch eine ganze Reihe anderer Stichworte in den Sinn: Unverständnis, Ablehnung, Scheitern von Lebensplänen, Krankheiten, Schmerzen… Gleichen Maria und auch Josef in ihren Erfahrungen nicht dem, was einem bekannt vorkommt? Wie oft mutet es wie eine Zumutung an, über das Erleben und Erfahren unserer Welt hinaus, an Gottes wirkmächtiges Tun und seine Gnade zu glauben! Zu glauben, dass das alles einen Sinn hat!
Zumutung…
Aber es steckt auch viel mehr in diesem Wort als nur der negative Aspekt der scheinbaren Überforderung. Zu-Mutung gerade von Gott her ist auch Zu-Trauen der Fähigkeit und Zu-Spruch von Mut. In unserem Evangelium geht es ja nicht nur um die Ankündigung einer unehelichen Geburt. „Fürchte dich nicht!“ sagt der Engel. Das ist Zu-Spruch von Mut. Gott bringt sich selbst ins Spiel, sich selbst, seinen Namen „JAHWE“ – „Ich bin da in deiner Geschichte“. Und damit beginnt etwas Neues: Gottes Name wird Fleisch – in Jesus: Ich bin da! Und deshalb bezeichnet der Name des Kindes ja auch, was er für uns ist und immer sein wird: „Jesus“ bedeutet „Gott ist Heil, Helfer und Retter“ – Immanuel „Gott ist mit uns“. In diesem Kind, in diesem Menschen ist Gottes Antlitz, er selbst, nicht nur sichtbar, sondern ganz einfach DA.
Das ist die wichtige Botschaft des vierten Adventssonntags: Gottes liebende und heilende Nähe für uns Menschen kommt oft auf Wegen, die menschlich ganz und gar undurchschaubar sind und gar als Zumutung empfunden werden können. Man wird es einfach annehmen müssen in der Einfalt des Empfangens. Letztlich muss man eben vertrauen und glauben.
Deshalb möchte ich einladen, gewissermaßen als Impuls der unmittelbaren Vorbereitung auf Weihnachten aber auch im Blick auf das Kommen des Herrn am Ende allen Seins – und das ist immer und tagtäglich – , die Haltung der kindlichen Einfalt des Empfangens in sich wach zu rufen. Alles, was uns begegnet und auf uns zukommt im Leben, das Gute ebenso wie das uns unerträglich Scheinende, dürfen wir aus seiner Hand annehmen. Weil Gottes Hand – auch wenn wir es nicht verstehen oder begreifen – eine Hand der Liebe ist. Es ist mir bewusst, dass das im konkreten Geschehen furchtbar schwer sein kann! Wie wollte man eine Krankheit, einen Schicksalsschlag, Ablehnung oder Scheitern, ja sogar zuletzt den Tod einfach so annehmen können?
Aber denken wir an das Wort: Wem Gott eine Türe zuschlägt, dem öffnet er ein Fenster. Wenn es mir gelingt, auch das Schwere des Lebens als Zu-Mutung aus Gottes liebender Hand anzunehmen, dann steckt in ihm, selbst im Schwersten – das lehrt gerade das heutige Evangelium – der neue Anfang, den Gott mit uns als Heil und Rettung gestaltet.
Eine rabbinische Weisheitsgeschichte erzählt:
Da war ein gelehrter Rabbi, der fragte seine nicht weniger klugen Gäste: „Sagt mir: Wo wohnt Gott?“ Die lachten und erklärten voller Überzeugung: „Wie redest du? Die Welt ist doch voll von seiner Herrlichkeit!“ – Er aber beantwortete nach einigem Schweigen seine eigene Frage: „Gott wohnt, wo man ihn einlässt.“
Eine Zumutung: Wer Gott in sein Leben einlässt, dem spricht er so viel Mut zu, dass das Leben viel mehr ist als nur Zumutung, es wird zum Weg in die helle Zukunft.
Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Zeit und bleiben Sie gesund! Ihr P. Guido