Gott will, dass wir in der Hoffnung leben.
Predigt zum Fest Darstellung des Herrn – C – Mal 3,1-4; Hebr 2,11-12.13c-18 u. Lk 2,22-40
Vor vierzig Tagen haben wir Weihnachten gefeiert. Liturgisch endete der Weihnachtsfestkreis dann am Fest der Taufe Jesu. Schnell, meist wenige Tage nach Weihnachten, verschwanden die Christbäume, die Krippe und, was sonst noch weihnachtlich in den Wohnungen war. Gut, hier und in vielen anderen Kirchen, blieb dann doch noch Weihnachtliches zurück und es wurden auch in manchen Gottesdiensten noch Lieder der Weihnachtszeit gesungen. Das erinnert an die Zeiten vor der Liturgiereform des zweiten Vatikanischen Konzils in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts als der Weihnachtsfestkreis mit dem Fest Mariä Lichtmess endete. Aber vorbei ist vorbei und die Kirchenjahreszeiten wechseln ebenso wie die Jahreszeiten der Natur und des Lebens. Ich frage mich, ob das so wirklich stimmig und gut ist. Im Empfinden vieler ist der Jahreslauf der Heilsgeschichte, die wir im Wechsel der Kirchenjahreszeiten feiern tatsächlich nur ein rückwärtsgewandtes Erinnern - so wie man sich an Erlebtes beim Betrachten von Urlaub-Fotos oder Aufzeichnungen erinnert? Auf einer Weihnachtskarte habe ich den Spruch gelesen: „Die Herren der Welt kommen und gehen. Unser Herr kommt.“
Begreifen wir denn, dass, wie es beispielsweise der Prophet Maleachi in der heutigen Lesung sagt, das Kommen Gottes in unsere Welt kein abgeschlossener, sondern ein offener Prozess ist? Lebendige Erinnerung an die Geburt Jesu muss sich also verbinden mit der aufmerksamen Erwartung seines Kommens in unser Leben heute.
Ich erinnere mich gut, da wurde über in den Medien über ein soziales Projekt berichtet. Unter ein- und demselben Dach waren ein Alten- und Pflegeheim und ein Kindergarten eingerichtet worden. Einmal am Tag – und das war in der Fernsehsendung zu sehen – kamen die Kinder, um die alten Menschen besuchen. Zuerst sah man nur die Alten im Raum sitzen. Viele starrten reglos vor sich hin, andere dösten und schliefen. Dann kamen die Kinder. Und wie eingeschaltet wachten die alten Menschen auf. Von jetzt auf gleich wurden sie lebendig. Man hatte den Eindruck: Das Leben kehrt zurück.
Wir kennen das alle: Warten, das ist mühselig und oft unbefriedigend. Nichts passiert, und wir wissen nicht, was kommt. Warten kann abstumpfen und träge machen. Was soll noch kommen? Vereinsamung droht. Das Leben schwindet. Quälend das Vergehen der Zeit…
Dass sich Warten aber auch lohnen kann, das sehen wir zumeist erst, wenn das, was wir erwartet haben, doch endlich eingetroffen ist.
Zwei Menschen, die ihr Leben lang gewartet haben, begegnen uns im Evangelium: Hanna und Simeon. Beide sind über das Warten auf Gottes Wirken und auf den verheißenen Christus alt, sehr alt geworden. Aber dann geschieht es: Gott kommt als ein Kind, das Maria und Josef in den Tempel bringen und den beiden in die Arme gibt. Die beiden zeigen uns, deshalb erzählt der Evangelist Lukas von dieser Begegnung, wie auch in unserem Leben die Erwartung des Kommens des Herrn prägend sein kann. Ich denke, dass die beiden Alten sich Gottes Kommen vielleicht anders vorgestellt haben, vielleicht spektakulärer und großartiger. Und doch sind sie überglücklich.
Das göttliche Kind auf ihren Armen bringt sie gewissermaßen neu ins Leben, bringt die Alten, wie man so schön sagt, auf Trab. Sie spüren: Ja, all das Warten hat sich gelohnt. Es ist ja auch wahr: Wenn wir Erwachsene mit kleinen Kindern in Berührung kommen, fühlen viele sich von diesem neuen und jungen Leben angezogen. Kinder wecken in uns die Hoffnung und die Sehnsucht, dass es weitergeht. Das Leben regt sich. Die Lebensenergie kehrt wieder.
Gott gibt sich in unsere Hände, wehrlos wie ein Kind und immer wieder neu. Das feiern wir an diesem Tag. Gott will, dass wir in der Hoffnung leben, er will, dass es weitergeht mit uns, auch über jeden Abbruch, jeden Abschied, ja selbst über den Tod hinaus. Ich kann gehen, weil ich weiß, dass du da bist. Das betet Simeon, als er Jesus in den Armen hält. Unser Gottesdienst mit seinen Lichtern zeigt schon voraus auf Ostern. Was soll noch kommen? Worauf soll ich noch warten? Ich wiederhole die Frage vieler Menschen und finde im Blick auf das göttliche Kind die hoffnungsvolle Antwort:
Seht, er kommt! Manchmal so ganz anders, so plötzlich und überraschend, manchmal so lang ersehnt oder auch so unerwartet.
Seht, er kommt! In welcher Gestalt auch immer, im Anspruch seines Wortes, in der Kraft seines Geistes, im Kind, im Menschen, der mich braucht, durch die Stimme meines Gewissens.
Seht, er kommt! Hier und jetzt, heute und an jedem Tag, am Werktag und am Sonntag, manchmal auch wie ein Dieb in der Nacht.
Seht, er kommt! Auf, gehen wir ihm entgegen. Und mitten hinein in unsere Zeit und unser Leben erstreckt sich das Kommen Gottes.
Lassen wir uns von ihm neu sagen und schenken, was uns erleuchtet und erleichtert, was uns befreit und bereitet für die wunderbare Feier der Begegnung mit ihm und miteinander. Kommen soll das Leben, das stärker ist als der Tod und das all unsere Erwartungen übertreffen wird. Es lohnt sich, darauf zu warten.
Seien Sie in der Erwartung des Herrn gesegnet und behütet!
Ihr P. Guido