Gäste sind geladen aber sie wollen nicht kommen
Predigt zum 28. Sonntag im Jahreskreis (A) – Jes 25, 6-10a und Mt 22, 1-14
Die Evangelisten Lukas und Matthäus erzählen dieses Gleichnis „vom großen Festmahl“ (vgl. Lk 14, 16-24 und Mt 22, 1-14). Die Schriftausleger sind sich einig, dass beide Evangelisten dieses im Kern ganz sicher von Jesus erzählte Gleichnis auf ihre je eigene Art und auf die jeweilige Gemeinde ausgerichtet und mitgeformt haben. Sie haben, wie wir ja wissen, das Gotteswort gewissermaßen durch sich hindurchgehen lassen, um so seinen Inhalt den Menschen besonders nahezubringen. Natürlich kennen sie wie auch Jesus und seine Zuhörer das biblische Motiv des großen Festmahles als Zeichen der Vollendung wie es vorzugsweise der Prophet Jesaja als Gottes Wort weitergegeben hat (vgl. Jes 25, 6-10a, die erste Lesung dieses Sonntags).
Wir haben eben die Fassung des Gleichnisses nach dem Evangelisten Matthäus gehört. Sie ist uns heute als Frohe Botschaft verkündet worden. Aber ist es wirklich eine Frohe Botschaft? Nun gut, da bereitet ein Hochgestellter, ein König, die Hochzeit seines Sohnes vor. Gäste sind geladen. Aber sie wollen nicht kommen. Die einen ignorieren die Einladung völlig. Andere bringen die Boten sogar um. Das ist eine seltsame Dramatik. Und es gibt eine erschreckende Antwort des Königs auf die Missachtung: Ein Krieg und Zerstörung. Nochmal die Frage: Ist das eine Frohe Botschaft? Doch sehen wir weiter. Die Erzählung strebt nach einem neuen Höhepunkt: Jetzt sind es nicht mehr die vorher Eingeladenen, die zum Festmahl gebeten werden. Die waren der Einladung nicht würdig. Aber geht das: Eine Hochzeit ohne Festmahl, ohne Gäste? Das geht gar nicht! Der Saal muss voll werden. Also werden alle möglichen Leute, Böse und Gute, von Plätzen und Straßen zusammengeholt. Dann kann das Fest beginnen! Wenn hier Schluss mit dem Gleichnis wäre, könnte man ja sagen: Jetzt verstehe ich. Die Einladung und das Festmahl, sie sind die Sache, um die es geht. Aber will Jesus hier nur eine Geschichte von einem Mann erzählen, der unbedingt seinen Festsaal voll haben will? Und dann diese Sache mit dem einen Geladenen, der nicht gut genug angezogen war. Wie sollte das denn funktionieren, zumal er ja eben von der Straße geholt wurde?
Am Anfang hieß es: „Mit dem Himmelreich ist es wie…“. Also ist das Grundthema wieder die Kernbotschaft Jesu. Es knüpft am endzeitlichen Prophetenwort des Jesaja an. Die ganze Dramatik des Gleichnisses will die Einladung Gottes zu seinem Fest der Vollendung im Gottesreich, im Himmelreich, wie Matthäus sagt, verdeutlichen. Da ist die Gefahr, dass es Geladene gibt, die diese göttliche Einladung schlicht und einfach ignorieren und ihrem Alltagskram, ob wichtig oder unwichtig, nachgehen und da sind andere, die sich durch die Einladung gestört fühlen oder sogar provoziert und entsprechend die Boten auslöschen. Man kann auch – menschlich betrachtet – den Zorn Gottes verstehen, der die Mörder richtet. Doch ist dieser Erzählaspekt mehr eine bildhafte Zuspitzung des Geschehens und dient der Dramatik der Geschichte in den Ohren der Zuhörer.
Also geht es hier wieder um den drängenden Versuch Jesu, jene in seinem Volk, die seine Botschaft ablehnen – das sind vor allem die oberen Chargen –, doch noch zu einer Änderung ihrer Meinung und zur Annahme des Evangeliums zu bewegen. Das ist bei aller Problematik doch „Frohe Botschaft“! Es ist wohl der Evangelist Matthäus, der in der Episode mit dem fehlenden hochzeitlichen Gewand noch „eins draufsetzt“, wie man sagt, und so auch all jene schockieren will, die sich in seiner Gemeinde zum Reich Gottes haben einladen lassen, die sich aber doch nicht in ihrem Leben entsprechend ihrer Berufung verhalten. Gerade wegen der ganzen Dramatik und Eindringlichkeit des Gleichnisses kann einem als besondere Botschaft für unsere Zeit bewusstwerden, dass auch heute viele Christen, also viele zum Glauben Berufene und Eingeladene die Einladung Gottes missachten. Für viele Getaufte spielt sie keine Rolle. Sie ist ihnen gleichgültig. Andere fühlen sich gestört und belästigt und sagen auch aggressiv, dass ihr Glaube ja schließlich niemanden etwas angehen würde, außer ihnen selbst. Und so wenden sie sich ab und bleiben weg. Nicht nur die Kirchen und die Gottesdienste verwaisen. Auch die Herzen werden leerer und kälter.
Mir kommt ein treffendes Gedicht von Andreas Knapp in den Sinn:
verlassene kirche
über dem portal
flugunfähige engel
im windfang
petrus fischt mit einem spinnennetz
ausgetrocknete weihwasserbecken
staub bist du
vierzehn nothelfer
gut abgehängte ladenhüter
das ewige licht
vor dem ablaufdatum erloschen
der barocke altar
brotloses kunstwerk
zu essig der letzte wein
der gekreuzigte wendet sich ab
(Andreas Knapp, Höher als der Himmel, Echter Verlag, Würzburg, 3.Aufl. 2015, S.16)
Hören wir im mahnenden Wort Jesu und in der Verkündigung des Evangelisten das Wort der liebenden Sorge Gottes!
Seien Sie behütet und gesegnet. Ihr P. Guido